Die europäische Windindustrie befindet sich auf einem stabilen Wachstumskurs: 19,1 Milliarden Euro sind 2019 in den Bau neuer Anlagen investiert worden, mit einer Erzeugungsleistung von insgesamt 11,7 Gigawatt (GW). Das zeigt der Anfang April erschienene Marktbericht der Branchenvereinigung WindEurope, auch die FAZ hat darüber berichtet. Zwar ist die Investitionssumme im Vergleich zu den Vorjahren zurückgegangen – im Vergleich zu 2018 um rund ein Viertel – die damit finanzierte Neubau-Kapazität liegt aber nur gering unter dem Durchschnitt der vergangenen Jahre. Oder anders ausgedrückt: Obwohl die Investitionssummen sinken, befindet sich Windkraft-Ausbau auf stabilem Niveau – auch weil die Technik immer preiswerter wird.
Mehr als Zweidrittel der Investitionen (13,1 Milliarden Euro) flossen laut dem Bericht in den Onshore-Bereich. Damit wurde die Errichtung neuer Windräder auf Land mit einer Gesamtleistung von 10,3 GW ermöglicht, es ist der zweithöchste Wert überhaupt – lediglich im Jahr 2018 wurde mit 11,7 GW in mehr Erzeugungsleistung investiert.
„Regierungen und Investoren haben nach wie vor großen Appetit auf Onshore-Wind. Denn in den meisten europäischen Ländern ist dies die kostengünstigste Form von Stromerzeugungskapazitäten“, erklärte Giles Dickson, CEO von WindEurope, anlässlich der Veröffentlichung des Berichts. „Wir gehen davon aus, dass 80 Prozent der hinzukommenden Windkapazitäten in den nächsten fünf Jahren auf Onshore-Windenergie entfallen werden.“
Der Rückgang bei den Gesamtinvestitionen ist vor allem auf den Offshore-Sektor zurückführen. Mit 6 Milliarden Euro wurde 2019 so wenig investiert wie zuletzt vor acht Jahren. Größere Summen flossen in Projekte in lediglich vier Ländern: In Frankreich, Großbritannien, Schweden und Norwegen. Einen langfristigen Trend sieht WindEurope allerdings nicht: Das Offshore-Geschäft würde bestimmt durch eine kleine Zahl an relativ großen Projekten und so schwanke das jährliche Investitionsvolumen mit den Zyklen der Projekte, berichtet die FAZ.
Spitzenreiter beim Windkraft-Ausbau im europäischen Vergleich ist Spanien, und zwar sowohl bei der Investitionssumme als auch bei der finanzierten Neubau-Kapazität: So wurde in dem Land auf der iberischen Halbinsel 2,8 Milliarden Euro investiert, wodurch 15 Prozent der neuinstallierten Kapazitäten in Europa ermöglicht wurden. Bezogen auf die eingesetzten Finanzmittel folgen Großbritannien (v.a. Offshore), Frankreich (v.a. Offshore), Schweden und die Niederlande.
Sorgenkind bleibt Deutschland: Lediglich 300 Millionen Euro gingen im vergangenen Jahr in neue Windkraftprojekte. Zum Vergleich: In den Boomjahren 2013 bis 2017 waren es noch zwischen 2,5 und 3 Milliarden Euro. Das bedeutet Platz 14 im europäischen Ländervergleich. „Das Problem in Deutschland sind die Genehmigungsverfahren: Die Regeln sind zu komplex und es ist unklar, welches Ziel sie verfolgen – die Regierung muss diese Dinge klären, um die Investoren zurückzugewinnen“, so Giles Dickson von Wind Europe. Laut dem Branchenverband wäre 2019 sogar europaweit ein Rekordjahr möglich gewesen, wenn der Ausbau in der größten Volkswirtschaft Europas nicht so eingebrochen wäre.
Dem Marktbericht zufolge werden Power Purchase Agreements (PPAs), langfristige Stromlieferverträge, immer wichtiger. Vor allem Länder mit großer Windkraftausbeute wie Schweden, Norwegen und Großbritannien konnten von den PPAs profitieren. Laut des Berichts wurden nie zuvor mehr erneuerbare Stromabnahmeverträge unterzeichnet als im vergangenen Jahr. Die Unternehmen schlossen für alle Erneuerbaren Energieträger PPAs über 2,5 GW ab, der Anteil von Windkraft daran lag bei 1,7 GW.
Die Message der Branchenvertreter an die europäischen Regierungen und Investoren bezüglich der Zukunft des Windmarkts, gerade auch im Hinblick auf die aktuelle Corona-Krise, ist jedenfalls deutlich. Giles Dickson erklärte: „Erneuerbare Energien und der European Green Deal sind der Motor für den Aufschwung Europas. Sie schaffen Wachstum. Sie sichern Arbeitsplätze. Sie sind der Schlüssel für unsere technologische Führungsrolle hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft.“
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