Ob Deutschland, die Niederlande, Belgien oder das Vereinigte Königreich – für viele Verbraucher steigen die Stromkosten im Jahr 2019 an. Warum das so ist, steht nicht auf der Rechnung. Kein Wunder: Die Gründe dafür sind kompliziert.
Um sie zu verstehen, hilft es, sich die Zusammensetzung der Verbraucherpreise genauer anzusehen. Diese bestehen grob aus vier Komponenten: Beschaffungs- und Vertriebskosten, Stromnetzkosten, Steuern und Umlagen, die jeder Verbraucher zahlen muss, sowie Abgaben, die Unternehmen sich erstatten lassen können, wie die Umsatzsteuer. Diese vier Kostenbereiche gibt es mehr oder weniger in jedem Land, ihre Gewichtung unterscheidet sich allerdings zum Teil beträchtlich. Sei es, weil der Strommix ein anderer ist, die Vertriebskosten und Netzgebühren variieren oder jeder Staat verschieden hohe Abgaben und Steuern erhebt.
In unserer zweiteiligen Mini-Serie „1×1 der Strompreise“ zeigen wir, welche Faktoren den Strompreis beeinflussen. In Teil 2 geht es um die Anteile, die Regierungen und Behörden festlegen.
Die europäischen Klimaziele verlangen den EU-Staaten einiges ab. Viele Maßnahmen, mit denen sie die Energiewende vorantreiben, werden direkt auf den Strompreis umgelegt. Andere wirken sich indirekt aus.
Eines dieser Instrumente gilt in allen EU-Ländern gleichermaßen: Das EU-Emissionshandelssystem, kurz EU-ETS, verpflichtet alle Stromerzeuger, ein CO2-Zertifikat für jede ausgestoßene Tonne CO2 zu erwerben. Wie groß der Effekt auf den Strompreis in einem Land ist, hängt vor allem vom Anteil fossiler Brennstoffe an der Stromerzeugung ab. Und der variiert massiv: Polen generierte 2017 über 80 Prozent seines Stroms aus Kohle. Frankreich, Österreich und Schweden produzierten fast gar keinen Kohlestrom.
Abgesehen vom EU-ETS regeln die EU-Staaten die Umstellung auf Erneuerbare Energien sehr unterschiedlich. In Deutschland schlägt vor allem die EEG-Umlage zubuche – 2017 lag deren Anteil am Strompreis bei 24 Prozent. Das ist mehr, als Beschaffung und Vertrieb kosteten. Hinzu kommen andere Umlagen wie die Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung, die in Deutschland direkt auf den Strompreis draufgesattelt werden. Fehlt noch die Stromsteuer, mit der die Bundesregierung seit 1999 die Energiepreise verteuert, um die Verbraucher zu Sparsamkeit anzuhalten.
Auch in den Niederlanden gibt es einen Aufschlag für Erneuerbare Energien auf den Strompreis. Dieser ist aber deutlich moderater als auf der anderen Seite der Grenze. Für normale Haushalte mit einem Stromverbrauch unter 10.000 Kilowattstunden (kWh) lag er 2018 bei 0,0074 Euro pro kWh. Bei einem Jahresverbrauch von 3.500 kWh – das entspricht dem Standardhaushalt in der EU – sind das also 2,16 Euro der knapp 50 Euro hohen Stromrechnung im Monat.
Es sind aber nicht nur Abgaben zur Förderung der Klimaziele, mit denen Staaten die Strompreise in die Höhe treiben. Im Vereinigten Königreich beispielsweise fließen auch Kosten für bestimmte Sozialprogramme in den Tarif mit ein. Ihren Beitrag zum „Warm Home Discount“, mit dem einkommensschwachen Haushalten ein Teil ihrer Energierechnung erstattet bekommen, entrichten zum Beispiel alle Briten mit der Stromrechnung
In der Statistik sind diese Beiträge in den „Umwelt- und Sozialkosten“ am Strompreis enthalten. Ein ganz ähnliches Sozialprogramm gibt es auch in Belgien. Und auch dort bezahlen Verbraucher die Beiträge mit der Stromrechnung. Unterschied zu UK: Statistisch gesehen, so erklärt es der Brüsseler Verteilnetzbetreiber Sibelga, werden sie den Netzkosten zugerechnet.
In denselben Posten fließt in Belgien auch eine Abgabe ein, die Stromkunden an die Kommunen entrichten müssen, dafür dass die Verteilnetze unter den Straßen verlegt werden dürfen. Das erklärt – zumindest zum Teil – warum in Belgien die Netzgebühren einen so großen Anteil am Strompreis ausmachen. Unter diesen Punkt wird einfach vieles addiert.
Eine solche Wegenutzungsgebühr bekommen die Kommunen übrigens auch in Deutschland. Diese „Konzessionsabgabe“ taucht allerdings mit sämtlichen Umlagen und der Stromsteuer unter „nicht-erstattungsfähige Steuern und Abgaben“ auf.
Wenn alle diese Kosten zusammengerechnet wurden, kommt am Ende für die Haushalte noch die Mehrwertsteuer oben drauf. Und auch deren Höhe variiert innerhalb der EU stark: Die Briten zahlen einen reduzierten Satz von 5 Prozent, die Dänen satte 25 Prozent. In Deutschland gilt der reguläre Satz von 19 Prozent.
Alles in allem zahlen deutsche und dänische Verbraucher die höchsten Strompreise in der EU, obwohl die Beschaffungs- und Vertriebskosten im Vergleich zu vielen anderen Ländern eher moderat sind. Genau umgekehrt ist es im Vereinigten Königreich. Dort gehören die Großhandelspreise zu den höchsten der EU. Der Verbraucherpreis liegt – dank niedrigerer Steuern und Abgaben – aber eher im Mittelfeld.
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