25 Mal mehr Energie aus der Energieerzeugung zur See bis zur Mitte des Jahrhunderts: Dieses ambitionierte Ziel hat die Europäische Kommission für den Ausbau der Offshore-Energie gesteckt, die das Ziel der europäischen Klimaneutralität bis 2050 unterstützen soll. In einem Strategiepapier hat die Brüsseler Behörde auf rund 30 Seiten dargelegt, wie dieses Ziel verwirklicht werden kann.
Im Kern geht es um mehr Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten, um einen die ganze Branche unterstützenden europäischen Rechtsrahmen, eine Stärkung der Lieferkette und natürlich um viel Geld. Auf fast 800 Milliarden Euro schätzt die Kommission den Investitionsbedarf für den großflächigen Einsatz aller verfügbaren Technologien. Erneuerbare Offshore-Energie ist bereits eine „echte europäische Erfolgsgeschichte“, ist Frans Timmermans überzeugt, der als Nummer zwei in der EU-Kommission für die Strategie verantwortlich ist. Dank seiner Meeresbecken und der Spitzenposition der Industrie verfüge die EU über sämtliche Voraussetzungen für diese „Herausforderung“, so der Exekutiv-Vizepräsident der Behörde.
Der gemeinsam mit den Kollegen für Energie sowie für Umwelt und Meere und Fischerei, Kadri Simson und Virginijus Sinkevičius, ausgearbeitete Plan sieht einen Kapazitätsaufbau von derzeit rund zwölf Gigawatt auf mindestens 60 Gigawatt bis 2030 vor. 2050 sollen es dann 300 Gigawatt (GW) sein, die durch ortsfeste Windräder produziert werden können. Parallel dazu sollen weitere 40 GW Erzeugungskapazität aus anderen Technologien wie schwimmende Wind- und Solaranlagen gebaut werden. Auch das sind enorme Wachstumsziele, denn aktuell leisten schwimmende Windräder nur etwa 40 Megawatt und Meeresenergietechnologie wie Wellen- und Gezeitenkraftwerke rund 13 Megawatt.
Damit ausreichende Investitionen fließen, will die Kommission einen berechenbaren und langfristigen Rechtsrahmen entwickeln. Angepasst werden sollen beispielsweise die Leitlinien, anhand derer die Kommission nationale Zuschüsse nach dem EU-Beihilfenrecht prüfen wird. In den Strommarkt-Bestimmungen fehlt es bislang an klaren Vorschriften für grenzübergreifende Projekte. Besonders wichtig ist dabei der Ausbau der Netzinfrastruktur, der nach Einschätzung der Kommission für rund Zweidrittel aller Kosten verantwortlich sein wird. Zunächst regional und im nächsten Schritt europäisch soll ein Netz von Seeleitungen entstehen, das wie das Verbundnetz auf Land einen kosteneffizienten Einsatz der Anlagen und eine sichere Versorgung ermöglichen soll.
Finanziert werden müssen diese gewaltigen Investitionen in erster Linie von der Privatwirtschaft, aber gezielte Zuschüsse aus der EU-Kasse sollen dabei für den Anschub konkreter Projekte sorgen. Genutzt werden soll dafür das aktuell wegen der Corona-Krise entwickelte Sonder-Konjunkturprogramm sowie viele weitere EU-Finanzierungsinstrumente wie “InvestEU“, das speziell für die Netzinfrastruktur ausgelegte Programm „Connecting Europe“, der EU-Innovationsfonds, der Modernisierungsfonds des Emissionshandelssystems sowie das 2021 beginnende neue EU-Forschungsrahmenprogramm „Horizont Europa“.
Europäische Medien wie Reuters und das Handelsblatt haben über die ambitionierten Ausbaupläne ausführlich berichtet. Während die internationale Nachrichtenagentur die angestrebte Expansion als „Mammut-Vorhaben“ beschreibt, stellt die deutsche Tageszeitung in einer übersichtlichen Grafik die europäischen Potenziale für den Ausbau der Offshore-Windenergie dar. Laut Zahlen des Branchenverbandes „WindEurope“ besitzt Spitzenreiter Niederlande das Potenzial von rund 60 GW Offshore-Kapazität, Schlusslicht mit lediglich 1 GW ist Estland. Das gesamte Potenzial für Ausbau der Offshore-Windenergie in der Nord- und Ostsee sowie im Atlantik wird auf insgesamt 380 GW geschätzt, in südeuropäischen Gewässern auf rund 70 GW.
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