Die deutsche Bundesregierung hat ihre Erwartungen über den Bruttostromverbrauch bis 2030 nach oben hin korrigiert. Sie rechnet jetzt mit 750 Terawattstunden (TWh), also rund 155 TWh mehr als bisher angenommen. Gleichzeitig hat sie an dem Ziel des Anteils der Erneuerbaren am Bruttostromverbrauch bis 2030 nachjustiert – von 65 Prozent auf 80 Prozent. Lag der Anteil für das Jahr 2021 noch bei 243 TWh, so soll er sich zum Ende des Jahrzehnts auf 600 TWh also mehr als verdoppeln. Damit muss der Ausbau der Erneuerbaren Energien enorm an Tempo gewinnen.
Eine Mammutaufgabe, die die Forscher des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität zu Köln (EWI) genauer unter die Lupe genommen haben. In ihrer aktuellen Publikation vom Dezember 2022 analysieren sie, wie sich der Ausbau der Erneuerbaren in diesem Jahrzehnt entwickeln muss, damit das im Osterpaket 2022 definierte 80 Prozent-Ziel der Bundesregierung erreicht werden kann. Sie zeigen, dass die Ausbauquoten für Solar- und Onshore-Windenergie stark steigen und sogar ihre historischen Höchstwerte deutlich übertreffen müssen.
In ihrer Analyse legen die Experten einen besonderen Fokus auf den Ausbau der Onshore-Windenergie und kommen zu dem Ergebnis, dass von 2023 bis Ende 2029 täglich 5,8 neue Windkraftanlagen mit einer durchschnittlichen Nennleistung von je 4,2 Megawatt (MW) errichtet werden müssten, um die Zielvorgaben zu erreichen. Zum Vergleich: Zwischen 2010 und 2021 wurden im Mittel täglich nur 3,5 Windräder mit durchschnittlich gerade einmal 2,8 MW Kapazität installiert.
Mit diesem verschärften Ausbaupfad ließen sich bis 2029 insgesamt 66 GW an Onshore-Wind-Kapazitäten errichten und schließlich die von der Bundesregierung angestrebte Gesamtkapazität von 115 GW brutto erreichen. Das wäre eine Verdoppelung der rund 56 GW, die im Jahr 2021 realisiert wurden.
Ebenso ambitioniert ist das Ziel für den Ausbau der Solarenergie. Hier sieht die Bundesregierung sogar mehr als eine Verdoppelung vor: Um das Ziel von einer installierten Gesamtleistung von 215 GW bis 2030 zu erreichen, müssen laut der EWI-Studie zwischen 2022 und 2029 Anlagen mit einer Kapazität von 135 GW brutto zugebaut werden.
Wie kommt es aber zur Korrektur der Prognose zum Bruttostromverbrauch und des Ausbauziels für Erneuerbare seitens der Bundesregierung? Aktuelle Entwicklungen in den Bereichen Verkehr, Elektrolyse sowie Gebäude und Industrie werden bis 2030 laut den Forschern des EWI zu einer Vervielfachung des Stromverbrauchs führen.
Die Experten rechnen im Verkehrssektor durch die steigende Zahl an Elektroautos mit einem Anstieg des Strombedarfs von 12 TWh in 2019 auf 60 TWh bis 2030. Durch die Elektrifizierung von Industrieprozessen und die Beheizung von Gebäuden gehen die Experten mit einem Anstieg von weiteren 73 TWh zu dem Zeitpunkt aus. Hinzu kommt das Ziel der Bundesregierung, Elektrolysekapazitäten von 10 GW bis 2030 zu errichten, wodurch zusätzliche 29 TWh verbraucht würden.
Das Fazit der Studie: Nur durch einen ambitionierten Ausbau von Windkraftanlagen mit stärkerer Nennleistung sowie von Photovoltaikanlagen kann dieser Mehrbedarf gedeckt und das Ziel des Erneuerbaren-Anteils von 80 Prozent erreicht werden.