Heutzutage ist eigentlich alles „organic“: Milch und Baumwolle sowieso, Kosmetik und natürlich der Lifestyle. „Organic“ bedeutet im Englischen eben nicht nur „organisch“. Es ist auch ein Label für biodynamisch angebaute, nachhaltige Produkte. Bei Lebensmitteln ist das natürlich ebenso eine Tautologie wie „biologisch“ im Deutschen: als ob konventionell angebaute Nahrung nicht biologisch oder organisch wäre.
Bei Batterien ist das jedoch etwas anders. Denn als „organisch“ wird eine chemische Verbindung bezeichnet, wenn sie Kohlenstoff beinhaltet – was bei Energiespeichern eher die Ausnahme ist. Insofern ergibt die Bezeichnung „Organic Flow Battery“ doppelt Sinn: Diese chemischen Energiespeicher arbeiten mit Kohlenstoffverbindungen, außerdem können sie maßgeblich aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen. Aber der Reihe nach.
Das Grundprinzip von Flow-Batterien ist immer gleich: In zwei Behältern befinden sich zwei verschiedene Elektrolyte, die über eine oder mehrere Vorrichtungen – auch Stacks genannt – miteinander verbunden sind. Die Stacks tauschen mit Hilfe von elektrischem Strom Ionen zwischen den beiden Elektrolyten aus. Die eine Seite wird chemisch REDuziert, die andere OXidiert. Durch diese REDOX-Reaktion wird elektrische in chemische Energie umgewandelt. Die Batterie lädt. Lässt man die Reaktion umgekehrt wirken, strömen die Ionen wieder zurück und erzeugen dabei elektrischen Strom.
Wie viel Leistung die Batterie abgeben kann, hängt von Größe und Anzahl der Stacks ab. Wie viel Energie sie speichern kann, von der Größe der Elektrolyt-Tanks. Diese Entkopplung von Leistung und Kapazität ist ein entscheidender Vorteil gegenüber Lithium-Ionen-Batterien und Co., bei denen das nicht oder nur bedingt möglich ist.
Aus der externen Speicherung ergibt sich ein weiterer Vorteil: Eine ungewollte Entladung findet kaum statt. Zudem behalten die Batterien ihr Speichervermögen über Tausende Lade- und Entladezyklen. Jeder, der sein Handy intensiv nutzt, stellt schnell fest, dass dies bei Lithium-Ionen-Akkus nicht unbedingt der Fall ist. Und: Im Gegensatz zu Li-Ion-Akkus sind Flow-Batterien praktisch nicht entflammbar.
Eine Alternative für mobile Anwendungen sind sie trotzdem nicht, denn für dieselbe Leistung und Kapazität müssen sie um ein Vielfaches größer sein: In einem Handy-Flow-Akku müssten allein die Elektrolyt-Tanks etwa so groß sein wie zwei normale Getränkedosen. Da würde es eng in der Hand- oder gar Hosentasche. Die handelsübliche Li-Ion-Ausführung passt dem Volumen nach locker in ein Schnapsglas.
Ihre Stärken spielen Flow-Batterien somit am besten dort aus, wo Platz und Gewicht eine untergeordnete Rolle spielen: in stationären Anwendungen mit Kapazitäten im Kilo- und Megawattbereich. Typische Einsatzbereiche sind das Speichern von Energie aus Wind- und Solarparks, in der Netzreserve und beim „Peak Shaving“. So nennt man es, wenn Großverbraucher kurzfristige Lastspitzen (Peaks) vermeiden. Die nämlich sind für den Verursacher sehr teuer, sodass es sich schnell auszahlen könnte, den Strom bei solchen Peaks aus dem eigenen Energiespeicher zu beziehen. Es gibt aber auch kompakte Redox-Flow-Akkus für die heimische PV-Anlage.
Bisher sind Redox-Flow-Batterien – trotzt ihres hohen Wirkungsgrads – relativ teuer. Doch die Preise sinken, und die Hersteller geben sich optimistisch. Aktuell findet man am Markt vor allem Redox-Flow-Batterien mit dem Metall Vanadium als Basiselement des Elektrolyten.
Auch Öko-Varianten sind bereits auf dem Weg: Organic-Flow-Batterien heißen zunächst einmal so, weil sie das Elektrolyt Kohlenstoff enthalten. Dass es aber auch für Nachhaltigkeit stehen kann, will zum Beispiel das bayrische Forschungsunternehmen CM Blu Energy beweisen – mit Flow-Akkus auf Lignin-Basis.
In Pflanzen bewirkt dieses Bio-Polymer, dass sie verholzen. In der Papier- und Zellstoffindustrie fällt es massenhaft als Reststoff an. In Organic-Flow-Batterien kann es Energie speichern. Das haben die Forscher bereits gezeigt. Mit den Unternehmen Mann+Hummel sowie Schaeffler als Partner wollen die Unterfranken ihr Patent nun industrialisieren: Erste Systeme sollen – möglichst im Netzbetrieb – vom Jahr 2020 an getestet werden. Ab 2021 will CM Blu seine Organic-Flow-Batterien dann kommerziell vermarkten.
Ein Stack mit einer Leistung von 100 Kilowatt (kW) soll auf der Fläche einer Europalette (120 cm x 100 cm) Platz haben und weniger als zwei Meter hoch sein. Die spezifische Energiespeicherdichte des Lignin-Elektrolyts liegt bei 30 kWh pro Kubikmeter. Das wäre nach Angaben des Bundesverbandes Energiespeicher (BVES) das 1,5-Fache einer Vanadium-Lösung. Die zwei Tanks des Organic-Flow-Akkus müssten also mit der Grundfläche einer Europalette etwa 1,40 Meter hoch sein, um 100 Kilowattstunden (kWh) zu speichern. Das wäre aber nur der Anfang: Denkbar sind mit dieser Technologie auch Mega-Speicher im Gigawatt-Bereich.