Im ersten Halbjahr 2019 ist der Marktanteil von elektrischen PKW und leichten Nutzfahrzeugen in Europa auf 2,7 Prozent gestiegen, wobei Deutschland erstmalig der größte Absatzmarkt vor Norwegen war. So die Zahlen der auf Elektromobilität spezialisierten Analysten EV-Volumes. Bisher beschränkte sich der europäische Markt für Elektromobile vor allem auf PKW, deren Modellangebot sich Jahr für Jahr vergrößerte. Elektrisch betriebene Schwerlastfahrzeuge, von denen der en:former bereits exemplarisch einige vorstellte, spielen dagegen so gut wie keine Rolle. Mit einer wichtigen Ausnahme: E-Busse.
Das Beratungsunternehmen CME Solutions schätzt, dass alleine im vergangenen Jahr 562 E-Busse über 8 Tonnen in Westeuropa und Polen zugelassen wurden. Das ist ein Anstieg von 48 Prozent im Vergleich zum Jahr 2017 und ergibt einen Marktanteil von rund 5 Prozent, der somit höher als der bei PKW liegt. Diese Daten beziehen sich auf Busse der Klasse 1 (Fahrzeuge mit Stehplätzen, die die Beförderung von Fahrgästen auf Strecken mit zahlreichen Haltestellen ermöglichen) und beinhalten keine Oberleitungsbusse.
Laut dem Marktforschungsinstitut Interact Analysis wurden im vergangenen Jahr europaweit 650 E-Busse (wiederum ohne elektrische Oberleitungsbusse) an Kunden ausgeliefert, womit zum Jahresende 2018 die Gesamtzahl auf 2.200 stieg. Angesichts der Rekordzahl bei den Neubestellungen im Jahr 2017 (1.516 Busse) dürfte die Zahl der eingesetzten Busse auf europäischen Straßen stark ansteigen. Im vergangenen Jahr wurden rund 1.200 der Fahrzeuge in Auftrag gegeben.
Der Rekord könnte in diesem Jahr gebrochen werden. Allein der E-Bus-Hersteller Solaris erhielt in der ersten Jahreshälfte Aufträge für 560 E-Busse, darunter auch einige Großaufträge für städtische Verkehrsgesellschaften in Berlin, Mailand und Warschau. Laut Solaris machen diese Umsätze rund 25 Prozent der europäischen Ausschreibungen für E-Busse im Jahr 2019 aus. Demzufolge könnten mehr als 2.000 Bestellungen für E-Busse in diesem Jahr möglich sein.
Der deutliche Anstieg beim Einsatz von E-Bussen spiegelt die Bemühung von nationalen Regierungen zur Elektrifizierung des Verkehrs auf städtischer und kommunaler Ebene wider, da nahezu alle Käufer öffentliche Verkehrsunternehmen sind.
Die Gründe dafür sind simpel: weniger Luftverschmutzung auf stark befahrenen Straßen in den Städten, geringere Gesundheitskosten, weniger Lärmbelastung und eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen. Nach Angaben der Nicht-Regierungsorganisation Transport & Environment sind die Gesamtbetriebskosten (inklusive aller externen Kosten und Ladeinfrastruktur) über einen Zeitraum von acht Jahren jetzt schon niedriger als für einen vergleichbaren Dieselbus.
Wenn nur die Faktoren Luftqualität und Lärm berücksichtigt werden, liegen E-Busse und Dieselbusse gleichauf. Zwar sind die Investitionskosten eines E-Busses höher, doch Strom als Treibstoff ist günstiger ist als Diesel und Elektromotoren haben niedrigere Betriebs- und Wartungskosten
Die Elektrifizierung von Schwerlastfahrzeugen ist ein wichtiger Schritt im Kampf gegen den Klimawandel, da pro Fahrzeug deutlich mehr fossile Kraftstoffe eingespart werden können als bei einem E-Auto. Ein Beispiel: Laut Statistiken des Verkehrsministeriums fährt in Großbritannien das durchschnittliche Familienauto nur rund 32 Kilometer pro Tag und verbraucht als Neuwagen rund 5,5 Liter pro 100 Kilometer. Dementsprechend würde ein E-Auto jährlich die Emissionen, die bei der Verbrennung von 664 Litern fossilem Kraftstoff entstehen, vermeiden.
E-Busse werden in Europa für Strecken mit einer durchschnittlichen Entfernung von 179,3 km pro Tag bestellt. Die Dieselbusse, die sie ersetzen, habe eine viel geringere Kraftstoffausnutzung als ein neuer PKW. Aufs Jahr gerechnet (bei einer Woche Instandhaltung) könnte ein E-Bus die Emissionen einsparen, die beim Verbrauch von 30.192 Litern Dieselkraftstoff in die Luft gepustet werden. Das wäre eine Emissionsreduktion von mehr als dem 50-fachen dessen, was ein E-Auto erzielen kann.
E-Busse im Nahverkehr gehören zu den ersten elektrifizierten Schwerlastfahrzeugen. Sie sind besonders dafür geeignet, weil sie auf festgelegten Routen mit begrenzten Entfernungen unterwegs sind. Damit wird eine Ladung über Nacht an Ladestationen in Betriebshöfen oder eine “Zwischenladung” über Dachstromabnehmern an Bushaltestellen und Endhaltestellen möglich.
Allerdings verursachen Elektrofahrzeuge Treibhausgasemissionen – nur nicht beim Fahren auf der Straße. Schon bei der Herstellung der E-Fahrzeuge entstehen ein nicht zu verachtendes Maß an Emissionen, besonders viel Energie wird für die Herstellung der Lithium-Ionen-Batterien benötigt. Laut dem International Council on Clean Transportation (ICCT) verursacht die Produktion eines durchschnittlichen E-Autos immerhin weniger CO2 als die eines gewöhnlichen Autos mit Verbrennungsmotor.
Die meisten Emissionseinsparungen resultieren aus der Nutzung von Strom an Stelle von Benzin oder Diesel. Doch auch dieser Fall ist nicht so einfach: Denn es hängt von der Art der Stromerzeugung ab.
Laut ICGT spart ein E-Auto in der EU im Vergleich zu einem Auto mit Verbrennungsmotor durchschnittlich 50 Prozent an CO2-Emissionen. Die ICCT-Daten beziffern die gesamten CO2-Emissionen eines durchschnittlichen EU-Autos im Jahr 2017 bei 258 Gramm pro Kilometer (g/km), verglichen mit einer Spanne von 73-185 g/km bei E-Autos. Das untere Ende der Spanne, 73 g/km, ist in Norwegen zu erreichen, wo der Strom dank vieler Wasserkraftwerke fast vollständig aus Erneuerbaren Energien erzeugt wird. Das obere Ende der Spanne, 185 g/km, wird beispielsweise in Deutschland erreicht, wo noch ein relativ hoher Anteil des Strommix aus Kohlekraftwerken stammt.
Wenn der Strom-Mix klimafreundlicher wird, etwa durch den Ausbau von Erneuerbaren Energien oder dem Wechsel von Kohle- zu Gaskraftwerken, werden auch die Vorteile der Elektromobilität größer. Zum Beispiel wird der Wert für Großbritannien von 125 g/km im Jahr 2017 auf Grund der geringeren Kohleverstromung mit ziemlicher Sicherheit sinken. Im letzten Jahr ging der Anteil der Stromerzeugung aus Kohle um rund ein Viertel zurück, was vor allem auf den wachsenden Anteil der Erneuerbaren Energien (plus 13 Prozent) zurückzuführen ist. Der steigende EE-Anteil resultierte vor allem aus Zuwächsen in der Offshore-Wind-Erzeugung.
Zweifellos werden durch E-Fahrzeuge Emissionen aus fossilen Kraftstoffen reduziert, es steigt aber auch der Strombedarf. Eine Flotte von 5.000 oberleitungsunabhängigen E-Bussen in ganz Europa, die bis zum Jahr 2021 zu erwarten sind, würde jährlich rund 377 Gigawattstunden (GWh) Strom verbrauchen. Im Grunde wird der Energieverbrauch von einer Energiequelle auf eine andere übertragen.
Doch das kann zu Problemen führen, wie ein Beispiel zeigt. Die Volksrepublik China hat mehr elektrische PKW und leichte Nutzfahrzeuge als die gesamte restliche Welt zusammen, mit über 400.000 E-Bussen sind 99 Prozent aller E-Busse weltweit dort im Einsatz. Dadurch wird der Verkehr und Transport zu einem wichtigen Stromverbraucher. Doch trotz eines schnellen Ausbaus der Erneuerbaren Energien basiert der Großteil der Stromerzeugung in China auf Kohle. Die geplante Elektrifizierung des Verkehrs macht also nur Sinn bei einer Dekarbonisierung des Stromsektors.
Viele EU-Länder, einschließlich großer Volkswirtschaften wie Frankreich und Großbritannien, haben das Ziel bis zum Jahr 2050 CO2-neutral zu werden. Das beinhaltet auch eine Dekarbonisierung des Verkehrs. Durch die Elektromobilität wird die Stromversorgung noch bedeutsamer für das Funktionieren einer modernen emissionsarmen Wirtschaft.
Folgende Zahlen veranschaulichen das Ausmaß der notwendigen Veränderung: Im Jahr 2016 hatte Strom einen Anteil von 21,6 Prozent am Endenergieverbrauch in der EU, 30,2 Prozent dieses Stroms stammte aus erneuerbaren Energieträgern. Der Verkehrssektor hatte dagegen einen Anteil von 33,2 Prozent am Endenergieverbrauch, wobei lediglich 4 Prozent durch Biokraftstoffe und 2 bis 3 Prozent durch Elektrifizierung – vor allem im Schienenverkehr – gedeckt wurden. Der restliche Bedarf stammte aus fossilen Kraftstoffen, was auch eine hohe Abhängigkeit von Importen bedeutet: 89,7 Prozent von Erdöl und Erdölerzeugnissen in der EU wurden importiert.
Die Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien müsste sich also mehr als verdreifachen, um eine Versorgung ausschließlich mit Ökostrom zu sichern. Und dann müsste sie sich nochmal mehr als verdoppeln, um allein den neuen Strombedarf des Verkehrssektors zu decken, wenn man die Zahlen des Endenergieverbrauchs aus dem Jahr 2016 zugrunde legt.
Allerdings wird der Verkehr weiter wachsen. Nach Schätzungen des Weltdachverbands der Straßentransportwirtschaft IRU wird der Personenverkehr bis zum Jahr 2050 um 42 Prozent und der Güterverkehr um mehr als 60 Prozent zunehmen.
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