Nichts im Internet verbraucht so viel Energie wie das Streaming. Egal, ob man Fernsehsendungen in der Mediathek, Musik- und Heimwerkervideos auf Youtube oder Urlaubclips in Sozialen Medien wie Facebook und Instagram guckt: „Zehn Stunden HD-Video umfassen mehr Daten als die gesamte englischsprachige Wikipedia in Text-Format“, heißt es in der Studie „Climate Crisis: The Unsustainable Use of Online Video“. Herausgegeben hat sie der französische Thinktank „The Shift Project“, der sich ausführlich mit den Treibhausgasemissionen der IT-Nutzung beschäftigt.
Laut Shift Project wurden im Jahr 2018 durch das Streaming weltweit mehr als 300 Millionen Tonnen Kohlendioxid-Äquivalente in die Atmosphäre ausgestoßen. Das entspricht einem Prozent aller globalen Treibhausgasemissionen. Gut ein Drittel davon entfielen allein auf Video-on-Demand-Dienste wie Netflix und Amazon-Prime-Video.
Der Thinktank plädiert für mehr „digitale Nüchternheit“ und kritisiert etwa Funktionen mit „Suchtfaktor“ wie das Autoplay, also die automatisierte Wiedergabe immer neuer Videos. Die Analysten gehen davon aus, dass die Emissionen durch das Verhalten der Internetnutzer weiter ansteigen werden.
Angesichts immer höher auflösender Videoformate und der Ausbreitung von Breitbandanschlüssen auf dem Globus überrascht diese Prognose nicht. Ein weiterer Treiber dürfte die wachsende Leistungsfähigkeit der Mobilfunknetze sein. Eine Studie der RWTH Aachen im Auftrag des Energieunternehmens E.ON kommt zu dem Schluss, dass im Jahr 2030 Rechenzentren 13 Prozent des weltweiten Strombedarfs erzeugen könnten.
Der Studie zufolge würde Deutschland allein durch die Einführung des Mobilfunkstandards 5G im Jahr 2025 zusätzlich 3,8 Terawattstunden (TWh) verbrauchen. Das sind 0,74 Prozent des deutschlandweiten Stromverbrauchs 2018. Laut E.ON entspricht das dem Verbrauch von 2,5 Millionen Einwohnern. Für die Rechenzentren rund um den Internetknotenpunkt Frankfurt am Main hat die E.ON-Tochter Syna Mitte 2019 ein Umspannwerk in Betrieb genommen, das geeignet wäre, 160.000 Haushalte mit Strom zu versorgen.
Allein Deutschland wird nach der Einführung im Jahr zusätzliche 3,8 Terrawattstunden verbrauchen, das entspricht dem Verbrauch von 2,5 Millionen Einwohnern.
Steigen würden Datenverkehr und Stromverbrauch nicht nur, weil man mit 5G auch unterwegs Kinofilme streamen kann: „Mit 5G bauen sich Unternehmen eigene Mobilfunknetze auf. In intelligenten Fabriken vernetzen sich selbstfahrende Roboter mit Maschinen und tauschen Informationen aus.“
„Deshalb müssen Rechenzentren zur Wärmeversorgung von Wohnsiedlungen und ganzen Stadtteilen genutzt werden.“ Karsten Wildberger, E.ON-Vorstandsmitglied
Für E.ON-Vorstandsmitglied Karsten Wildberger ist entscheidend, den wachsenden Energiebedarf von Vornherein emissionsarm zu bedienen. Nachhaltige Stromquellen seien dabei nur ein Ansatzpunkt. Sektorkopplung sei ein anderer: „Heute wird die Abwärme von Rechenzentren viel zu oft ungenutzt verschwendet“, sagt Wildberger. „Deshalb müssen Rechenzentren zur Wärmeversorgung von Wohnsiedlungen und ganzen Stadtteilen genutzt werden.“ Laut RWTH-Studie könnten im Jahr 2025 bis zu acht Terawattstunden Abwärme zur Verfügung stehen.
Der größte Teil des Energieverbrauchs der IT-Nutzung – und damit der Emissionen – entsteht also keineswegs beim Aufladen von Handys und Laptops. Das hat Shift Project bereits in einer früheren Studie errechnet: Nur 20 Prozent der IT-Emissionen fallen demnach bei der Nutzung von Endgeräten an, etwa 45 Prozent bei der Herstellung von Smartphones, Computern, Servern, Routern etc. Der Rest entsteht durch den Stromverbrauch von Rechenzentren (19 Prozent) und Netzwerken (16 Prozent).
Insgesamt, so das Shift Project, entfielen heute schon 3,7 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen auf das Arbeiten am Computer, das Chatten mit Freunden und – vor allem – das Schauen von Videos im Internet. Zum Vergleich: Die kommerzielle Luftfahrt emittiert weniger als drei Prozent.
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