Kerstin Andreae sagt, was Sache ist: „Die Energiebranche weiß um ihre Verantwortung als Versorger. Derzeit sehen wir kein Risiko für die Versorgungssicherheit“, betont die Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Die Energiewirtschaft hat im Rahmen ihres Krisen- und Notfallmanagements Prozesse aufgesetzt, die regelmäßig getestet, geprüft, evaluiert werden. Und funktionieren.
Die Energieversorgung ist ein Bereich, der funktionieren muss. Ampeln und Telefone, Supermärkte und Krankenhäuser – ohne ausreichend Strom sowie Gas würde das öffentliche Leben (und dessen Schutz) zusammenbrechen. Deshalb gibt es Notfallpläne. Pläne, die gewährleisten, dass die Stromproduktion, aber auch der Betrieb von Strom- oder Gasnetzen, durchgängig aufrechterhalten werden – egal ob es technische Probleme, Katastrophen oder auch Terroranschläge gibt. Genauso wichtig: Diese Pläne, die nach den Erfahrungen wie dem Ausbruch der Vogelgrippe auch auf eine Ausbreitung eines Virus ausgelegt sind, müssen die Mitarbeiter insgesamt und die in den Kraftwerken im Besonderen schützen.
Beispiel RWE: Das Unternehmen hat die erprobte Krisenorganisation aktiviert und steht in engem Kontakt mit den zuständigen Behörden, die Pandemiepläne werden regelmäßig überprüft und angepasst. Die Regelungen für Mitarbeiter sind eindeutig. Bestimmte Arbeitsbereiche wie Leitstellen, Entstörungsdienste sowie die dazugehörige Unterstützungsprozesse finden besondere Beachtung. Um die Erzeugung in den Kraftwerken zu gewährleisten und betriebliche Risiken zu minimieren, sind wichtige Funktionen örtlich und personell redundant aufgestellt. Teams und Schichten wurden aufgesplittet und arbeiten rollierend.
Die anderen Energieversorgungsunternehmen verhalten sich ganz ähnlich. So hat EnBW etwa bereits Anfang Februar eine „Task-Force“ mit Vertretern aus allen relevanten Unternehmensbereichen eingerichtet, die sich mehrfach täglich zur Lage austauschen. Zu den Notfallplänen der EnBW gehören ebenfalls Rotationspläne für Schichten, die Einrichtung von Reserve-Leitwarten und eines Ausweich-Tradingfloors für den Energiehandel. „Zum jetzigen Zeitpunkt“, heißt es im Südwesten, „haben wir keine Anhaltspunkte dafür, dass es durch die Pandemie in unserem Verantwortungsbereich zu Störungen in der Energieversorgung kommt.“
Ohne Übertragungsnetze fließt kein Strom, geht nirgendwo das Licht oder das Radio an. Deshalb gelten ähnliche Regeln wie bei RWE und Co. auch bei den Übertragungsnetzbetreibern. Diese unterhalten beispielsweise ohnehin stets ein sofort betriebsbereites, sogenanntes Reserve Control Center als Ergänzung zur eigentlichen Leitwarte. „Nach unserer Einschätzung sind die Übertragungsnetzbetreiber bestmöglich auf mögliche Fälle vorbereitet“, teilt die Bundesnetzagentur mit, die für die Strom- und Gasnetze zuständig ist.
Ähnlich – siehe zum Beispiel Großbritannien und die Niederlande. Dort beobachtet der Netzbetreiber TenneT die Situation genau. Die derzeitige Lage sei insgesamt noch vergleichbar mit der an „normalen“ Tagen. „TenneT nimmt als Unternehmen die Risiken des Coronavirus sehr ernst. Die Sicherheit und Gesundheit unserer Mitarbeiter ist für uns von größter Bedeutung“, so ein Sprecher. „Wir haben bereits vor Wochen Präventivmaßnahmen ergriffen, um die Beschäftigten vor Infektionen zu schützen und den Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten.“ Besondere Vorkehrungen gälten für Mitarbeiter, die in sensiblen Bereichen, wie etwa den System-Kontrollräumen, arbeiten.
„Wir haben gut entwickelte Verfahren zur Bewältigung der Auswirkungen einer Pandemie. Gleichzeitig haben wir die voraussichtlichen Auswirkungen auf die Stromnachfrage analysiert, wenn mehr Menschen zu Hause bleiben“, unterstreicht auch der britische Netzbetreiber National Grid. Und fügt hinzu: „Die Lichter werden nicht ausgehen.“
Was sich in der Theorie gut anhört, muss in der Praxis nicht unbedingt funktionieren. Doch das tut es – wie das Beispiel Heinsberg zeigt. Als dort die erste Infektion bestätigt wurde, reagierte der zuständige Stromnetzbetreiber sofort und umsichtig. Ein Krisenstab wurde zusammengestellt, der vorbereitete Notfallplan aktiviert. Der Stab gab das Go für lange, genau für diesen Fall festgelegte Maßnahmen: Teams wurden ausgedünnt und räumlich separiert, Mitarbeiter ins Homeoffice geschickt, Dienstreisen untersagt, Handlungsempfehlungen verteilt, Arbeitszeiten werden flexibel gehandhabt. Nach fast vier Wochen im Krisenmodus ist es Zeit für ein erstes Fazit. Und das fällt positiv aus: „Die Corona-Krise“, so das Unternehmen im Gespräch mit der Tageszeitung Welt, „hat unsere Arbeit bis zum heutigen Tag nicht beeinträchtigt.“ Eine Aussage glaubt der Stromnetz-Betreiber nach zahlreichen Gesprächen für die gesamte Branche treffen zu können: „Die Energiewirtschaft ist insgesamt auf jede Krise gut vorbereitet: Uns droht kein Stromausfall.“