Der Bau eines Offshore-Windparks ist kein leichtes Unterfangen. Ihn zu betreiben, um langfristig saubere und nachhaltige Energie zu erzeugen, stellt eine allerdings ebenfalls große Herausforderung dar.
Laut dem im April 2017 veröffentlichten Bericht Operation and Maintenance Costs of Offshore Wind Farms machen eben jene Instandhaltungskosten zwischen 25 und 30 Prozent des gesamten Lebenszyklus‘ eines Windparks aus. Windparks werden heutzutage immer weiter vom Ufer entfernt, in immer tieferen Gewässern und mit größeren Turbinen gebaut. Die Folge: Schwierigere See- und Witterungsbedingungen, die für die dadurch gefährlich werdenden Offshore-Einsätze ein strengeres Sicherheitskonzept von Nöten machen. Nicht selten ist das Zeitfenster für solche Einsätze jedoch witterungsbedingt nur sehr klein, die Kosten für spezielle Einsatzschiffe, Ausrüstung und Personal aber gleichzeitig hoch – und eine außer Betrieb gesetzte Turbine bedeutet logischerweise geringere Einnahmen und weniger saubere Energie.
Genau deswegen strebt das Projekt Multi-Platform Inspection, Maintenance and Repair in Extreme Environments (MIMRee) nun die Entwicklung des weltweit ersten vollständig autonomen Inspektions- und Reparatursystems an. Das Ziel: Intelligentere und sicherere Wege zu finden, um Reparaturen in immer extremeren Umgebungen durchführen zu können. Das Projekt umfasst dabei eine Reihe von neuen Spitzentechnologien: Von der Robotik, künstlichen Intelligenz, Meeres- und Lufttechnik bis hin zur Planung von Weltraummissionen.
Laut Plan der Entwickler sollen dabei Drohnen zuerst von einem autonomen Mutterschiff gestartet werden und eine visuelle Inspektion der Windturbinenblätter durchführen. Sobald eine Beurteilung erfolgt ist und ein Problem erkannt wurde, transportieren Drohnen die Roboter auf die jeweiligen Windturbinenblätter. Die sechsbeinigen Geräte klammern sich dabei mit Hilfe einer neuartigen, vom Start-up-Unternehmen Bladebug entwickelten Klebetechnik an die Fläche. Diese ermöglicht es den Robotern, sich an der Oberfläche des Windturbinenblatts entlang zu bewegen.
Die Roboter verwenden dabei eine sogenannte Hyperspektralkamera, um die chemische Zusammensetzung der Turbinenblatt-Oberfläche zu analysieren und um festzustellen, ob der Oberflächenverschleiß dabei ein Problem darstellt. Sobald sie eine Schwachstelle identifiziert hat, kann die halb-autonome Wanze die Reparatur mit Hilfe eines speziellen Roboterarms, der vom Robotik-Labor des Royal College of Art entwickelt wurde, selbst durchführen.
Der Roboter-Käfer selbst bewegt sich fort, indem sie jeweils drei der Füße nach vorne hebt, während die anderen drei fest an der Oberfläche haften bleiben. Einmal an der Oberfläche festgesetzt, kann der Roboter, der auch in der Lage ist, verschiedene Arten von Test- und Reparaturgeräten mit sich zu tragen, auch bei extremen Windbedingungen weiterarbeiten. Einer der wichtigsten Vorteile dieser neuartigen Technologie: Sie erlöst das eigentliche technische Personal von ihren teils gefährlichen Einsätzen auf den zu reparierenden Offshore-Anlagen.
All das mag zwar wie Science-Fiction klingen – das Projekt, das in zwei Tranchen von Innovate UK finanziert wurde, befindet sich jedoch bereits in seiner zweiten Phase. In Phase eins entstand ein Roboter, der in der Lage ist, sich an allen Teilen des Windturbinenblattes sicher festhalten zu können. In der zweiten Phase sollen in diesem Jahr die Test- und Reparaturfähigkeiten der Roboter live und vor Ort getestet werden.
In der Zwischenzeit wird die technische Weiterentwicklung auch in anderen Bereichen vorangetrieben. Während das Technologieunternehmen Thales das autonome Schiff Halycon entwickelt hat, arbeitet die Universität von Bristol an spezialisierten Drohnen – kombiniert könnte auch aus diesen beiden technologischen Neuerungen ein vollständig autonomes Test- und Reparatursystem für raue Offshore-Umgebungen entstehen. Diese und ähnliche modernste Technologien sollen dafür sorgen, dass die in den letzten Jahren ohnehin schon stark gesunkenen Kosten für Offshore-Windenergie noch weiter fallen. Somit würden nicht nur die Preise für erneuerbare Energien weiter sinken, sondern auch die Gebiete für potenziell neue Offshore-Windparks weiter wachsen.
Die aufgestellten Berechnungen deuten darauf hin, dass Roboter-Käfer die Wartungskosten der Rotorblätter im Vergleich zu den konventionellen Methoden um 30 Prozent senken könnten. Laut MIMRee könnte diese Technologie einem durchschnittlichen Windpark im Laufe seiner Lebensdauer damit 26 Millionen Pfund ersparen.
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