Nach wie vor wird das globale Energiesystem von Kohle, Erdöl und Erdgas getragen: 70 Prozent der genutzten Energie stammen aus diesen drei Rohstoffen. In ihrem Report „Energy Technology Perspectives 2020“ (dt.: Energietechnologische Perspektiven) hebt die Internationale Energieagentur (IEA) die immensen Veränderungen hervor, die das Energiesystem durchlaufen muss.
Die Wirtschaft alleine, heißt es in dem Papier, werde dies kaum alleine stemmen. Die Regierungen müssten eine „übergroße Rolle“ dabei spielen – insbesondere um neuen Technologien die Basis für eine wettbewerbsfähige Reichweite zu verschaffen.
Damit die Menschheit bis 2070 die Netto-Null erreicht, also nicht mehr Treibhausgase emittiert, als sie der Atmosphäre entzieht, müssten Strom, Wasserstoff, synthetische Treibstoffe und Bioenergie so viel Energie liefern, wie heute fossile Brennstoffe, heißt es bei der IEA. Und zwar durch alle Bereiche hinweg. Selbst eine vollständige Umstellung der Stromerzeugung auf erneuerbare Energien würde die weltweiten Netto-Emissionen lediglich um ein Drittel senken. Mehr Aufmerksamkeit als bisher müsse daher vor allem den drei Sektoren zuteilwerden, die zusammen 55 Prozent aller energiegebundenen CO2-Emissionen verursachen: Verkehr, Industrie und Gebäudesektor.
Die Elektrifizierung dieser Sektoren hätte laut IEA-Annahmen den größten Einfluss auf deren Treibhausgasemissionen. Um die Netto-Emissionen auf Null zu bringen, müsste sich dafür allerdings die nachhaltige Stromerzeugung verdoppeln.
Doch so grundlegend die Elektrifizierung für die Energiewende auch ist – sie kann nicht alles leisten. Chemie-, Stahl-, Zementindustrie und Transportsektor benötigen andere Lösungen.
Eine davon könnte Wasserstoff sein. Das Element soll eine Brücke bilden zwischen dem Stromsektor und den Industrieanwendungen, in denen der direkte Einsatz von Elektrizität ein Problem darstellt. Dafür müsste ein erheblicher Teil des erzeugten Stroms genutzt werden, um Wasserstoff herzustellen. Außerdem, so die IEA, müsste die Kapazität zur Elektrolyse, bei der Wasser mithilfe von Strom in Wasser- und Sauerstoff zerlegt wird, von den heute verfügbaren 0,2 Gigawatt auf 3300 Gigawatt im Jahr 2070 steigen.
Doch auch damit wird es kaum möglich sein, sämtliche Treibhausgasemissionen zu vermeiden. Deshalb gilt der IEA die Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid, kurz CCUS (Carbon Capture Utilisation and Storage) als weiteres Schlüsselelement ihres Nachhaltigkeitsszenarios.
Die heute weitaus bedeutendste Methode, um H2 für industrielle Prozesse zu gewinnen, besteht darin, Erdgas in Wasserstoff und CO2 aufzuspalten. Um diesen Prozess emissionsarm zu gestalten, muss das Kohlendioxid gespeichert, statt in die Atmosphäre entlassen werden. So verfügbar kann es als Grundstoff für die Erzeugung synthetischer Treibstoffe für zum Beispiel Flugbenzin genutzt werden, die unter Einsatz erneuerbarer Energie ebenfalls emissionsarm hergestellt werden können. Eine weitere Überlegung ist, CO2 direkt aus der Atmosphäre zu filtern und zu speichern, um den Gehalt in der Luft zu senken.
Viele dieser Möglichkeiten gibt es bereits. Allerdings sind bisher die wenigsten von ihnen wettbewerbsfähig. Nur gut ein Drittel der Emissionseinsparungen im Nachhaltigkeitsszenario der IEA gehen auf heute kommerziell verfügbare Technologien zurück. Nach Ansicht der IEA ist es Aufgabe der Regierungen, gegen die Emissionen der existierenden Anlagen anzugehen und die Märkte für neue Technologien frühzeitig zu stärken. Zudem müssten sie die erforderlichen Infrastrukturen entwickeln und ausbauen, die Hilfen für Forschung und Entwicklung massiv ausbauen sowie internationale Kooperationen ausweiten.
Das „Szenario für eine nachhaltige Entwicklung“ („Sustainable Development Scenario“) beschreibt die IEA detailliert in ihrem jährlichen „World Energy Outlook„, dessen nächste Ausgabe am 13. Oktober erscheinen soll.
Bildnachweis: IEA