Für menschliche Maßstäbe ist die Energie der Sonne unendlich. In 90 Minuten liefern ihre Strahlen so viel Energie auf die Erde, wie die Menschheit in einem ganzen Jahr verbraucht. Selbst in schattigeren Gefilden wie Nordeuropa liefert die Sonne ein Vielfaches der benötigten Energie. Bisher erzeugen wir daraus vor allem Photovoltaik-Strom. Doch in vielen Fällen ist die Nutzung der Wärmestrahlung effizienter.
In Teil eins unserer Serie „Solarthermie“ haben wir die verschiedenen Bauarten von Sonnenwärmekraftwerken vorgestellt und einige Vor- und Nachteile der Technologie gegenüber anderen Erneuerbaren Energiequellen erläutert. Im zweiten Teil geht es um die Wettbewerbsfähigkeit der Technologie. Und darum, wie Investoren sie in verschiedenen Ländern einsetzen.
Solarthermische Kraftwerke sind nicht gerade die Hipster unter den erneuerbaren Energien. In Mittel- und Nordeuropa mag das daran liegen, dass sie hier kaum anzutreffen sind, weil sie deutlich mehr direkte Sonneneinstrahlung benötigen als Photovoltaik-Anlagen, um effizient Strom zu erzeugen. Aber auch global gesehen, stehe der Ausbau von CSP – verglichen mit anderen Erneuerbare-Energie-Technologien – noch am Anfang, meint die International Renewable Energy Agency IRENA. CSP steht für Concentrated Solar Power (Konzentrierte Solarkraft) und verdeutlicht das Prinzip: Sonnenstrahlen bündeln, um einen Wasserdampfkreislauf wie in Kohlen-, Gas- oder Kernkraftwerken anzuheizen.
Dass Investoren sich zunächst den Wind- und PV-Anlagen gewidmet haben, hat mehrere Gründe: Die hohen Förderungen in reichen Industrieländern wie Deutschland und Großbritannien, die keine Solarthermie-Standorte sind, aber auch der anfangs geringere Anspruch an die Verfügbarkeit erneuerbarer Energie. Fehlschläge wie „Crescent Dunes“ wirken zudem durch die immensen Investitionssummen extrem abschreckend: Fast eine Milliarde US-Dollar soll das Solarturmkraftwerk in der Wüste von Nevada gekostet haben. Nachdem es wegen technischer Probleme deutlicher weniger Strom lieferte als geplant wurde es 2019, nach nur fünf Jahren Betriebszeit, stillgelegt.
Doch seither hat sich einiges getan: Die Technik wurde weiterentwickelt, sodass neuere Kraftwerke zuverlässiger und damit auch preiswerter Strom erzeugen. Laut IRENA sind die mittleren Gestehungskosten für Solarthermie-Strom von 29 US-Cent pro Kilowattstunde (c/kWh) im Jahr 2016 auf 18,2 c/kWh im Jahr 2019 gefallen.
Damit ist er zwar im globalen Durchschnitt immer noch um rund 50 Prozent teurer als Offshore-Wind-Strom und fast dreimal so teuer wie Strom aus Photovoltaik. Allerdings gibt es mittlerweile Investoren, die bereits mit deutlich niedrigeren Kosten kalkulieren: Bei Konzessionsauktionen für Lieferungen ab 2021 waren in Australien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Chile Gebote unter acht US-Cent pro kWh erfolgreich.
Eines dieser Projekte ist Phase 4 des Mohammed bin Rashid Al Maktoum Solar Parks in Dubai. Es beinhaltet ein Parabolrinnenkraftwerk mit 600 Megawatt (MW), ein Solarturmkraftwerk mit 100 MW sowie ein PV-Feld mit 250 MW installierter Leistung. Pro Kilowattstunde, die die Sonnenwärmekraftwerke ins Netz einspeisen, soll das dubaiisch-saudisch-chinesische Konsortium 7,3 US-Cent erhalten. Der PV-Strom soll mit 2,4 c/kWh vergütet werden. Dem staatlichen Stromversorger von Dubai (DEWA) zufolge sind dies die niedrigsten Strompreise für die jeweilige Technologie weltweit.
Die beiden Solarthermie-Kraftwerke haben laut DEWA aber noch andere Superlative vorzuweisen: Mit 260 Metern ist der Solarturm der höchste der Welt. Wichtiger aber: Der Flüssigsalzspeicher kann Wärme für 15 Stunden speichern – damit können die Dampfturbinen auch die längsten Winternächte überbrücken, wenn tagsüber genug Sonne scheint.
Genau dies ist für viele Experten und Investoren ein wichtiger Vorteil der solarthermischen Stromerzeugung gegenüber der Photovoltaik: Wärmespeicher sind wesentlich preiswerter als Stromspeicher. Genau diese brauchen PV-Kraftwerke aber, wenn sie auch nachts Strom liefern sollen.
Nach Abschluss der fünf Bauphasen sollen die Kraftwerke des Mohammed bin Rashid Al Maktoum Solar Park eine installierte Leistung von fünf Gigawatt aufweisen. Versorgen sollen sie laut der deutschen Wirtschaftsförderungsgesellschaft „Germany Trade and Invest“ unter anderem einen Elektrolyseur, der aus Meerwasser Wasserstoff gewinnt. Bei solch kostspieligen Anlagen ist die Auslastung ein wesentlicher Faktor für die Wirtschaftlichkeit. Dank Solarthermie könnte der Elektrolyseur theoretisch durchgehend betrieben werden.
Während die Vereinigten Arabischen Emirate mit der Wasserstoffproduktion mittelfristig wohl eine Exportwirtschaft anstrebt, geht es in anderen Ländern zunächst einmal darum, die Abhängigkeit von Energieimporten zu senken. Marokko etwa deckt seinen Energiebedarf bisher fast vollständig aus Importen fossiler Rohstoffe. Nach der aktuellen Solar-Strategie des Landes soll Sonnenenergie einmal 14 Prozent der Energieversorgung leisten.
Den Auftakt dazu bildet der Solar-Hybrid-Komplex von Noor: 80 MW PV und 500 MW Solarthermie mit Speichern für mindestens fünf Volllaststunden leisten bereits einen wichtigen Beitrag zur marokkanischen Energieversorgung.
Einen ähnlichen Plan verfolgt Israel, das seinen Strom bisher fast ausschließlich aus importierter Kohle (ca. 30 Prozent) und Erdgas (ca. 65 Prozent) erzeugt. Während das Land seinen Gasbedarf künftig wohl aus eigenen Quellen im Mittelmeer decken kann, muss die Kohle importiert werden. Insofern sucht man nicht nur aus klimapolitischen Gründen Alternativen. Eine davon: In der Wüste Negev, im Süden des Landes, erzeugen seit 2019 zwei Sonnenwärmekraftwerke bis zu 242 MW Strom.
Dem National Renewable Energy Laboratory des US Department of Energy zufolge sind bisher rund 120 Solarthermie-Anlagen in 23 Ländern in Betrieb genommen worden – einschließlich Forschungsanlagen und Demonstrationsanlage. Derzeit befinden sich demnach 16 Sonnenwärmekraftwerke mit insgesamt gut 1,5 GW Kapazität im Bau, weitere 14 Kraftwerke sind in der Entwicklungsphase. Das ist ein bescheidenes Wachstum. Nach den Vorstelllungen der Internationalen Energieagentur EIA müsste sich die Stromproduktion aus Solarthermie bis 2030 verzwölffachen. Von diesem Wachstumspfad ist die Technologie bisher weit entfernt.
Doch mit fortschreitendem Ausbau rechnen Experten mit weiteren Kostensenkungen – durch Lerneffekte beim Bau, durch Automatisierung in der Betriebsführung und durch Volumeneffekte – also etwa, weil Parabolspiegel oder Reflektoren in größeren Mengen produziert werden. Das australische Unternehmen „Vast Solar“ schreibt sich genau dies auf die Fahnen: Durch eine modulare Bauweise will man Sonnenwärmekraftwerke mit Speichern zuverlässiger und kostengünstiger bauen als bisher. Erstmals zum Einsatz kommen soll die Bauweise in einem 30-MW-Solarturmkraftwerk in Mount Isa, Queensland, das rund um die Uhr Strom erzeugen soll.
Ein weiterer Ansatzpunkt, die Kosten zu senken, sind die Wärmeträgermedien. Derzeit werden siliziumbasierte Flüssigkeiten und Flüssigsalze sowie dunkle Keramikpartikel erforscht, die wesentlich höhere Temperaturen aufnehmen und transportieren können. Auf diese Weise könnte die Effizienz der Dampfkraftwerke sowie der Wärmespeicher deutlich gesteigert und dadurch die Stromgestehungskosten gesenkt werden.
Ausgereift ist die Solarthermie als Art der Energiegewinnung allerdings noch lange nicht. Am Institut für Solarforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Jülich wird geforscht, damit Sonnenwärme noch effizienter und vielseitiger genutzt werden kann. Welche Innovationen dort in der Mache sind, erfahren Sie schon bald in Teil drei unserer Serie „Solarthermie“.