Heizungen, die sich per App von unterwegs aus- und einschalten lassen. Eine intelligente Verkehrssteuerung über Sensoren auf der Straße. Skype-Konferenzen statt Dienstreisen: Doch digitale Technologien sind mehr als praktische Alltagshelfer, sie können außerdem dabei helfen, Energie zu sparen und so die CO2-Emissionen senken. Wie groß das Potenzial der Digitalisierung dabei ist, zeigt eine aktuelle Studie im Auftrag des Bundesverbands Informationswirtschaft, Telekommunikation, neue Medien (bitkom).
Durch den gezielten Einsatz digitaler Lösungen könnten demnach in Deutschland bis zum Jahr 2030 jährlich bis zu 120 Megatonnen (Mt) Treibhausgasen eingespart werden – das entspricht fast der Hälfte dessen, was nötig ist, um das Klimaziel zu erreichen. Insgesamt müssten 262 Mt weniger produziert werden.
Der deutsche IT-Branchenverband hat das irische Beratungsunternehmen Accenture beauftragt, die Klimaeffekte der Digitalisierung für sieben Anwendungsbereiche genauer zu untersuchen. Dazu verglichen die Experten zwei Szenarien: Eine eher moderate Entwicklung und eine beschleunigte. Anlässlich des Digitalgipfels der Bundesregierung Anfang Dezember 2020 stellte bitkom ein Zwischenergebnis für die Sektoren industrielle Fertigung, Mobilität, Gebäude sowie Arbeit und Business vor, die Auswertung für Agrar, Energie und Gesundheit folgt im Frühjahr 2021. Die Analyse zeigt, dass in den ersten vier Bereichen 78 Mt weniger CO2-Emissionen anfallen, wenn die Digitalisierung im bisherigen Tempo voranschreitet. Das sind 30 Prozent der notwendigen Einsparungen. Wird der Prozess gezielt beschleunigt, sind 46 Prozent möglich.
Das größte Potenzial entfaltet der Studie zufolge die industrielle Fertigung. Hier ist vor allem die Automatisierung von Produktionen entscheidend. Gelingt es Unternehmen, ihre Anlagen und Maschinen so zu vernetzen, dass Prozesse selbstständig ablaufen, benötigen sie weniger Material und Energie. Auch der Einsatz von sogenannten digitalen Zwillingen kann Ressourcen sparen. Dabei bilden Daten und Algorithmen reale Objekte und Verfahren virtuell ab. In der Industrie lassen sich damit komplette Betriebszyklen zunächst rein digital testen. Wenn möglichst viele Fabriken auf solche Innovationen zurückgreifen, könnte der CO2-Ausstoß bis 2030 um bis zu 61 Mt sinken. In einem moderaten Szenario wären es 35 Mt.
Im Bereich Mobilität könnten mithilfe von smarten Technologien bis zu 28 Mt Kohlenstoffdioxid vermieden werden. Intelligente Systeme ermöglichen es zum Beispiel, Verkehrsströme flüssiger zu leiten, die Sharing Mobility zu verbessern und mit optimierten Routen in der Logistik Leerfahrten zu verhindern.
Ähnlich clevere Lösungen gibt es für Gebäude. Sogenannte Smart-Homes sind so vernetzt sind, dass sie Ressourcen optimal nutzen. Dazu regeln sie etwa Heizung, Klimaanlage und Beleuchtung automatisch so, dass diese möglichst wenig Energie verbrauchen. Nutzen mehr Menschen solche Systeme, kann das der Accenture-Studie zufolge mit einer CO2-Einsparung von bis zu 19 Mt zu Buche schlagen.
Im Büroalltag kann die Digitalisierung ebenfalls nicht nur Arbeitsabläufe erleichtern, sondern auch den ökologischen Fußabdruck verkleinern. Da neue Technologien mehr Flexibilität ermöglichen, können Mitarbeitende etwa im Homeoffice arbeiten. Das spart den Arbeitsweg. Moderne Telekommunition ersetzt außerdem Business-Trips durch Videokonferenzen. Sollten sich diese Trends, die im Zuge der Covid-19-Pandemie bereits für viele alltäglich geworden sind, dauerhaft etablieren, beträgt das Einsparpotenzial 12 Mt.
Doch die Tools selbst verursachen ebenfalls Treibhausgasemissionen. Die entstehen vor allem bei der Herstellung und beim Betrieb. Die Studie beleuchtet deshalb auch die Gesamtbilanz der Digitalisierung. Das Ergebnis: Im Szenario mit einer moderaten Entwicklung entstehen in den vier untersuchten Bereichen 16 Mt Kohlenstoffdioxid, bei einem beschleunigten Wandel sind es 22. Mit digitalen Technologien kann also in Deutschland rund fünfmal mehr CO2 gespart werden, als diese selbst ausstoßen. Mit Strom aus Erneuerbaren fällt die Bilanz noch positiver aus.