Ein deutlicher Startschuss für die Offshore-Windindustrie hat US-Präsident Joe Biden gegeben, indem er ein Gesamtausbauziel für die Vereinigten Staaten festgelegt hat: 30 Gigawatt (GW) Kapazität bis zum Jahr 2030. Dieses Vorgabe soll dazu beitragen, dass ein Industriesektor entsteht, der bis 2050 mindestens 110 GW liefern kann.
Diese Ziele sind überaus ambitioniert angesichts der aktuell installierten Leistung. Denn bislang drehen sich nur wenige Windräder vor der US-Küste, zusammen verfügen sie lediglich über eine Kapazität von 42 Megawatt. Der neue Präsident strebt demnach einen schnellen Ausbau des Sektors in den kommenden zehn Jahren an.
Diese Zielsetzung spiegelt nicht nur das Bekenntnis zu erneuerbaren Energien und reduzierten Treibhausgasemissionen wider, sondern kann auch auf bisherige Pläne aufbauen. So wartet eine Vielzahl von Offshore-Windpark-Projekten an der US-Atlantikküste auf den Startschuss der US-Aufsichtsbehörden.
Eine Reihe von US-Bundesstaaten wie New Jersey, Massachusetts oder Virginia – um nur einige zu nennen – haben bereits Ziele in beträchtlicher Größenordnung für Offshore-Windparks beschlossen, von denen das vom Staat New York mit 9 GW bis 2035 das größte ist.
Insgesamt befinden sich 11 Windparkprojekten mit einer Gesamtleistung von 8,2 GW in der Genehmigungsphase bezüglich Bau- und Betriebsplan durch das US Bureau of Ocean Energy Management (BOEM), das zum Bundesinnenministerium gehört. Die Behörde, deren erklärtes Ziel es ist, Offshore-Ressourcen der Nation in einer ökologisch und ökonomisch verantwortlichen Weise zu entwickeln, hat bereits 16 kommerzielle Windenergie-Pachtverträge vor der Atlantikküste mit Projektentwicklern unterzeichnet. Noch deutlich größer ist die Projektpipeline, wenn man alle Entwicklungsstadien dazuzählt: So existieren Überlegungen zum Bau von Windparks mit einer Gesamtleistung von 27,6 GW. Das käme dem erklärten Ausbauziel bis 2030 schon ziemlich nahe.
Im März kündigte das BOEM Pläne an, die Verhandlungen über Pachtverträgen voranzutreiben und die Prüfung von Projekten mit einer Gesamtleistung von 19 GW bis zum Jahr 2025 abzuschließen. Es hat außerdem fast 800.000 Hektar zwischen Long Island und der Küste von New Jersey, bekannt als New Yorker Bucht, als Windenergiegebiete ausgewiesen. Die Behörde wird nun eine Umweltprüfung und eine öffentliche Konsultation im Hinblick auf die Vergabe von Offshore-Windenergie-Lizenzen durchführen.
Bidens Plan für den Offshore-Sektor geht jedoch weit über die Festlegung eines Kapazitätsziels hinaus. Das Vorhaben sieht die Entwicklung einer umfassenden Lieferkette vor, um eine Industrie zu unterstützen, die in den kommenden Jahren Zehntausende von direkten und indirekten Arbeitsplätzen schaffen wird.
Der Verband American Wind Energy Association – der mittlerweile in der Vereinigung American Clean Power Association aufgegangen ist – schätzte im vergangenen November, dass die Entwicklung einer Offshore-Wind-Lieferkette bis zum Jahr 2025 rund 45.000 und bis 2030 etwa 83.000 Arbeitsplätze schaffen könnte. Das könnte maßgeblich zur Wiederbelebung der Häfen und Küstengemeinden des Landes beitragen. Der Ausbau von bis zu 30 GW installierter Leistung bis 2030 könnte eine jährliche Wirtschaftsleistung von 25 Mrd. US-Dollar erbringen, so das Fazit des Berichts US Offshore Wind Power Economic Impact Assessment.
Der Biden-Plan sieht vor, eine oder zwei Fabriken für jede wichtige Windparkkomponente zu unterstützen. Dazu gehören Gondeln, Blätter, Türme, Fundamente und Kabel. Es gibt auch einen großen Spielraum für den Bau von Schiffen für die Installation, für den Transfer von Besatzungen und für unterstützende Arbeiten sowie für die Entwicklung von Offshore-Wind-Hubs in US-Häfen, um die wachsende Industrie zu bedienen. 500 Millionen Dollar sollen für die Aufrüstung der Häfen bereitgestellt werden.
Das Energieministerium hat 3 Mrd. Dollar Förderung für Entwickler von Offshore-Windkraftanlagen, Partner in der Lieferkette und Investoren vorgesehen. Außerdem stellt das Ministerium 8 Mio. Dollar für 15 Forschungs- und Entwicklungsprojekte bereit, um Innovationen in diesem Sektor voranzutreiben.
Der relativ späte Einstieg in die Technologie – im Vergleich zu Großbritannien, Deutschland oder Dänemark – hat auch Vorteile: Die in der gesamten Branche erzielten Kostensenkungen können von erfahrenen europäischen Offshore-Entwicklern direkt in den US-Sektor eingebracht werden, der mit viel größeren Turbinen als in den frühen Tagen der Branche auf der anderen Seite des Atlantiks beginnen wird.
Darüber hinaus würden die USA selbst mit einem Ausbau von 110 GW bis 2050 nur an der Oberfläche einer Offshore-Windressource kratzen, die auf über 2.000 GW geschätzt wird und die perfekt gelegen ist, um die Nachfrage zu decken. Die Küstengebiete und das Gebiet der Großen Seen gehören zu den windreichsten Regionen der USA und sind zudem für mehr als 80 Prozent des Stromverbrauchs verantwortlich.