Trotz vielfältiger Einschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie kann die europäische Offshore-Windbranche auf ein beachtliches Jahr 2020 zurückschauen. 356 Turbinen in neun Windparks sind im vergangenen Jahr ans Netz gegangen, wodurch die Offshore-Kapazität um rund 2,9 Gigawatt (GW) gestiegen ist. Das ist in den vergangenen zehn Jahren der vierthöchste Wert.
Außergewöhnlich ist zudem die Höhe der beschlossenen Investitionen. So wurden Investitionsentscheidungen zu acht neuen Offshore-Projekten final getroffen: Umgerechnet 26,3 Milliarden Euro werden in den kommenden Jahren in den Bau neuer Anlagen mit einer Gesamtleistung von 7,1 GW fließen. Das bedeutet Rekorde sowohl bei der Investitionssumme als auch bei dem damit finanzierten Kapazitätsausbau. Der Höchstwert lag bisher bei 18,2 Milliarden Euro mit fünf GW Zubau im Jahr 2016.
Diese und andere interessante Zahlen liefert der aktuelle Report „Offshore Wind in Europe – Key trends and statistics 2020“ des europäischen Branchenverbandes WindEurope. Sie zeigen deutlich, dass die Offshore-Windindustrie in den kommenden Jahren stark wachsen wird – dank ambitionierter Ausbauplänen in vielen Staaten. Und nicht nur in Europa, sondern weltweit. Laut einer Analyse des international tätigen Beratungsunternehmens Renewables Consulting Group (RCG) haben auch in Asien Entwickler finale Investitionsentscheidungen zu großen Offshore-Projekten getroffen.
Windturbinen mit einer Gesamtleistung von 2.918 Megawatt (MW) sind 2020 in Europa ans Netz gegangen. Damit war der Zubau rund 20 Prozent niedriger als 2019, er lag aber innerhalb langfristiger Prognosen. Trotz Einschränkungen und Herausforderungen aufgrund von Covid-19 konnte die Windindustrie demnach ihre Ausbaupläne einhalten.
Die mit Abstand meisten Windräder gingen vor der niederländischem Küste in Betrieb. Die Niederlande waren mit einer neu installierten Leistung von 1.494 MW für mehr als die Hälfte des europäischen Kapazitätsausbau verantwortlich. Es folgen Belgien (706 MW) und Großbritannien (483 MW). Deutschland, das in den vergangenen Jahren beim Zubau immer unter den Top drei in Europa lag, verzeichnete mit 219 MW den geringsten Zuwachs seit 2012. Außerdem nahm Portugal in einem Pilotprojekt zwei 8,4 MW-Turbinen in Betrieb.
Durch die teilweise Inbetriebnahme der Windparks Borssele 1&2 (752 MW), Borssele 3&4 (732 MW) und Borssele 5 (19 MW) konnten die Niederlande ihre Offshore-Kapazität auf nun 2,6 GW mehr als verdoppeln. Belgien nahm die Windparks Northwester 2 (218 MW) and Seamade (487 MW) in Betrieb und verfügt nun über mehr als 2,2 GW Offshore-Power. Damit überholten die beiden Benelux-Staaten Dänemark (1,7 GW), wo im vergangenem Jahr keine Windturbinen ans Netz gingen.
Auch wenn der Zubau kleiner als in den Jahren 2017 bis 2019 ausfiel, bleibt das Vereinigte Königreich mit insgesamt 10.428 MW klarer Spitzenreiter in Europa. Deutschland liegt mit 7689 MW auf Platz zwei. Diese fünf Länder verfügen zusammen über 99 Prozent aller europäischen Offshore-Kapazitäten – und dort leistet die Offshore-Windkraft einen wichtigen Beitrag zur Stromversorgung. Das restliche ein Prozent der installierten Leistung befindet sich in den Hoheitsgewässern von neun europäischen Ländern wie Schweden, Finnland, Portugal und Frankreich. Häufig handelt es sich dabei um Pilotanlagen und keine kommerziellen Windparks. Doch auch in diesen Ländern – insbesondere in Frankreich – wird die Offshore-Windkraft in Zukunft an Bedeutung gewinnen.
Wenn man sich die Besitzverhältnisse der europäischen Offshore-Windparks anschaut, zeigt sich das Bild eines hart umkämpften und kompetitiven Markts. Laut dem WindEurope-Report verfügte Ende 2020 Ørsted über 17 Prozent, RWE Renewables über zehn Prozent, Vattenfall und Macquarie Capital über jeweils sechs Prozent der installierten Offshore-Leistung – das sind die Top vier. Andere namenhafte Energieunternehmen haben jeweils kleinere Anteile an der Gesamtleistung.
„26 Milliarden Euro an neuen Investitionen im Jahr 2020 sind ein großer Vertrauensbeweis in die Offshore-Windenergie. Die Investoren sehen, dass Offshore-Wind preiswert, zuverlässig und resilient ist – und dass die Regierungen mehr davon wollen“, erklärte Giles Dickson, CEO von WindEurope, anlässlich der Veröffentlichung des Reports.
Wie die Renewables Consulting Group berichtet, sind außerhalb Europas im vergangenen Jahr auch Investitionsentscheidungen zu zwei großen Projekten vor der Küste Taiwans gefallen. Die Windparks Changfang and Xaido sollen zusammen über eine Leistung von 598 MW verfügen. Deutlich weiter entwickelt ist die Offshore-Windkraft in der Volksrepublik China, wo die Branche 2020 ein beispielloses Wachstum mit ambitionierten Ausbauplänen erlebte. Als Folge könnte die VR China bis zum Ende dieses Jahres Großbritannien als weltgrößten Markt – in Bezug auf die installierte Leistung – überholenm, so die Analyse der Renewables Consulting Group. Allerdings sind die Informationen über den chinesischen Markt spärlich, weil er sehr isoliert bleibt – es sind fast ausschließlich chinesische Unternehmen dort tätig – und Projektdetails nicht wie auf anderen Märkten veröffentlicht werden.
Auch wenn das Bild aufgrund Chinas unvollständig bleibt, eine Sache ist klar: 2020 war ein sehr erfolgreiches Jahr für die Offshore-Windindustrie, die angesichts der ambitionierten Ausbauplänen vieler Staaten weiter auf Wachstumskurs ist.
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