Ölplattformen wie diese vor der Küste Großbritanniens spielen auf der Insel eine immer noch wichtige Rolle. Mit dem Netto-Null-Ziel vor Augen, will der neue "North Sea Transition Deal" nun auch an einer zügigen Senkung der Treibhausgasemissionen arbeiten, die bei der Förderung von Öl und Gas entstehen.
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Im März 2020 legte die britische Regierung einen Plan zur Umstrukturierung des Öl- und Gasareals in der Nordsee vor: Bis 2050 soll das Gebiet sich von einer der Hauptquellen für Treibhausgasemissionen zu einer klimaneutralen Zone entwickeln.
Doch nicht wenige beschreiben dieses Vorhaben als „Mission Impossible“. Schon die schlichte Existenz eines Öl- und Gasgebiets wird von vielen als nicht kompatibel mit einer Zukunft mit Netto-Null-Emissionen gesehen. Ein von Umweltorganisationen unterbreiteter Lösungsvorschlag sieht daher beispielsweise ein sofortiges Ende der Vergabe neuer Öl- und Gaslizenzen vor – ein politischer Schritt, den der neue „North Sea Transition Deal“ bislang noch nicht vorsieht. Was jedoch schon heute feststeht: Die Öl- und Gasproduktion in der Nordsee wird weiter zurückgehen. Ihren Höhepunkt erreichte sie bereits um die Jahrtausendwende.
Aktuelle Prognosen des britischen Komitees für Klimawandel deuten dennoch darauf hin, dass Großbritannien noch jahrzehntelang auf Öl und Gas angewiesen sein wird – jedoch in immer kleiner werdendem Umfang, da die Energiewende auch auf der Insel immer rascher voranschreitet. Der neue „Transition Deal“ berücksichtigt zudem ebenfalls, dass der Lebensunterhalt vieler Menschen heutzutage immer noch maßgeblich von der Öl- und Gasindustrie abhängt und diese nach wie vor viele wertvolle „Assets“ zu bieten hat: spezifisches Fachwissen, technisches Knowhow und eine intakte Infrastruktur – all das könnte sinnvoll umgemünzt und im Sinne der Energiewende genutzt werden.
Ein erster fundamentaler Richtungswechsel hat sich bereits an der Entscheidungsspitze vollzogen: Früher mit der Aufgabe betraut, die wirtschaftliche Erholung der Öl- und Gasressourcen in der Nordsee zu maximieren, legte die „Oil and Gas Authority“ (OGA) im Dezember 2020 eine neue Strategie vor. Diese verpflichtet die Industrie erstmalig dazu, in einer Art und Weise zu arbeiten, die mit dem von der Regierung anvisierten Netto-Null-Ziel bis 2050 übereinstimmt, und für dieses Vorhaben konstruktiv an Lösungen zu arbeiten. Der aktuell vorgelegte „North Sea Transition Deal“ ist ebenfalls in Zusammenarbeit mit der OGA und OGUK (repräsentative Organisation des Öl- und Gassektors) entstanden. Er beschreibt detailliert, wie diese Lösungen aussehen könnten.
Aufgebaut ist der Deal auf Basis dreier wichtiger Säulen: der Dekarbonisierung der Versorgung, dem sogenannten „Carbon, Capture, Utilisation and Storage“-Prozess (CCUS) und dem weiteren Ausbau der Wasserstoffproduktion. Die Weiterentwicklung dieser wichtigen Bausteine würde mindestens zwei wichtige und positive Effekte nach sich ziehen: Eine Transformation der bereits bestehenden Lieferketten und die Schaffung neuer Arbeitsplätze und Möglichkeiten.
Mit dem Netto-Null-Ziel bis 2050 vor Augen, befasst sich der Deal in erster Linie mit der Emissionsreduzierung im Versorgungssektor – also konkret mit einer relativ zügigen Senkung der Treibhausgasemissionen, die bei der Förderung von Öl und Gas entstehen. Ziel ist, die Emissionen aus der vorgelagerten Öl- und Gasförderung bis 2025 um zehn, bis 2027 um 25 und bis 2030 um 50 Prozent im Vergleich zu 2018 zu reduzieren.
Um diese Vorgaben zu erreichen, gibt es eine Reihe von Möglichkeiten: Beispielsweise eine Elektrifizierung von Öl- und Gasplattformen, die technische Aufrüstung von Geräten und Maschinen für eine verbesserte Energieeffizienz und den Betriebsstopp von Anlagen mit zu hohem Emissionsausstoß. Ein gelungenes Beispiel liefert bereits der norwegische Öl- und Gassektor: Dort sollen die beiden Plattformen Snorre und Gullfaks zeitnah mit Erneuerbarer Energie des 88-Megawatt-Offshore-Windparks Hywind Tampen versorgt werden. Laut „Transition Deal“ gibt es sogar eine hohe räumliche Korrelation zwischen zukünftig mit Offshore-Windparks bebauten Zonen und der bereits bestehenden Öl- und Gasinfrastruktur. Eine weitere Chance also, den voranschreitenden Ausbau der Offshore-Windinfrastruktur zunehmend mit der ohnehin vorgesehenen Elektrifizierung des Öl- und Gassektors zu verknüpfen.
Großbritannien verfügt über mehr potenzielle CCUS-Standorte (Carbon Capture and Storage) als der Rest Europas zusammen. Aufgrund ihrer weit von den Küsten entfernten Lage stellen sie einerseits keinerlei Schadenspotenzial für die Bevölkerung dar und eröffnen andererseits den Zugang zu Kohlendioxid, der aus anderen Ländern verschifft oder über Pipelines geleitet wird. Das ließe die so stattfindende Kohlenstoffspeicherung zu einer internationalen Dienstleistung werden.
Laut dem „Transition Deal“ hat CCUS dabei das Potenzial, bis 2030 bis zu 50.000 neue Arbeitsplätze in Großbritannien zu schaffen. Um die Inbetriebnahme von CCUS in vier Industrieclustern bis 2030 zu ermöglichen, hat die Regierung bereits eine Milliarde Dollar zugesagt. Dabei soll der Öl- und Gassektor die Entwicklung besonders vorantreiben: Einerseits, indem die bestehende Infrastruktur zur Bereitstellung von Anlagen für den Transport und die Speicherung von Kohlenstoff genutzt wird. Andererseits kann so sektorübergreifend an der Entwicklung von Technologien zur Kohlenstoffabscheidung gearbeitet werden.
Auch für die dritte wichtige Säule des Plans soll CCUS eine fundamentale Rolle spielen. Bis 2030 will die britische Regierung fünf Gigawatt neue Wasserstoff-Kapazitäten schaffen und zur Unterstützung einer emissionsarmen Wasserstoffproduktion den „Net Zero Hydrogen Fund“ einrichten. Ihre offizielle Wasserstoffstrategie will die Regierung in der ersten Jahreshälfte 2021 veröffentlichen.