Noch in diesem Jahr will China seinen größten Batteriespeicher ans Netz bringen. Er soll aus zehn Einheiten mit jeweils 20 Megawatt (MW) Leistung und einer Speicherkapazität von insgesamt 800 Megawattstunden (MWh) bestehen. Insgesamt wird er also bis zu vier Stunden lang die Höchstleistung von 200 MW bereitstellen können. Die erste Hälfte der Kapazität soll noch 2021 zur Verfügung stehen, die zweite im Laufe des kommenden Jahres.
Zum Vergleich: Europas größtes Batteriespeicherkraftwerk steht in Schleswig-Holstein und kann etwa 50 MWh elektrische Energie speichern und sie mit 48 MW bereitstellen. Den seinerzeit größten Batteriespeicher hatte Tesla 2017 in Australien mit 100 MW und 125 MWh gebaut. Inzwischen wurde er auf 150 MW/194 MWh ausgebaut. In New York soll ein ähnlich großer Speicher nun auf 316 MW und mehr als 2500 MWh vergrößert werden.
Doch im Gegensatz zu den anderen Rekordhaltern werden in Dalian im Nordosten Chinas keine Lithium-Ionen-, sondern Redox-Flow-Batterien mit Vanadium-Elektrolyt installiert. „Redox-Flow-Batterien haben zwei entscheidende Vorteile gegenüber Lithium-Ionen-Akkus“, erklärt Roelof Platenkamp, Mitgründer der niederländischen Vanadis Power, einem Partnerunternehmen von Bolong New Materials und Rongke Power, die den Mega-Speicher in Dalian bauen: „Erstens weisen sie auch nach Tausenden von Lade- und Entladezyklen keinen Kapazitätsverlust auf. Und zweitens sind sie nicht entflammbar.“ Der Speicher in Dalian sei so sicher, dass um ihn herum Büroräume gebaut werden, sagt Platenkamp.
Diese Räume können mit der Wärme, die sich vor allem beim Laden der Redox-Flow-Batterien entwickelt, beheizt werden. Aber nicht nur sie: Das Kühlsystem des Stromspeichers soll gleichzeitig als Wärmepumpe für das Fernwärmenetz dienen. Denn Kältemaschinen und Wärmepumpen sind im Grunde die beiden Seiten derselben Medaille, beziehungsweise desselben Aggregats.
Am Stromspeicher in Dalian sollen beide Seiten genutzt werden. „Das Konzept ist wirklich interessant“, sagt Lukas Ibing von der strategischen Entwicklung bei RWE: Die Temperatur von rund 40 Grad, die Redox-Flow-Batterien beim Aufladen erreichen, dürfte zwar zu niedrig für das Fernwärmenetz sein, aber: „Je höher die Vorlauftemperatur ist, desto weniger Energie brauchen die Wärmepumpen, um die Luft auf die Temperatur zu erwärmen, mit der sie ins Fernwärmenetz eingespeist wird.“
Das dürfte sich gerade im Winter auszahlen, wenn die Außentemperatur besonders niedrig und der Wärmebedarf besonders groß ist. „Ob das Ganze aber tatsächlich wirtschaftlich ist“, sagt Ibing, „kann sich erst bei genauer Betrachtung herausstellen.“
Dass der wirtschaftliche Betrieb von Stromspeichern keine Selbstläufer ist, weiß Ibing nur zu gut: Als Leiter des RWE-Projektes „Panta.rhei“ ist es nämlich sein Job, genau dies zu erforschen. Die Pilotanlage befindet sich derzeit im Bau und wird aus drei Reihen Redox-Flow-Batterien mit insgesamt 130 Kilowatt (kW) Leistung und einer Kapazität von 390 Kilowattstunden (kWh) bestehen. „Es geht uns darum, zu verstehen, wie wir Redox-Flow-Batterien am besten errichten und betreiben können und welche Chancen und Potenziale in der Technologie stecken, bevor wir in größere Speicher investieren“, erklärt Ibing.
Über die Ergebnisse tauscht er sich regelmäßig mit dem Team der Kavernenbatterie der RWE Gas Storage West GmbH (RGSW) aus, das ebenfalls die Redox-Flow-Technologie erforscht – allerdings in einer ganz anderen Größenordnung: „Unser Ziel ist es, Salzkavernen als Elektrolyttanks für Redox-Flow-Batterien zu nutzen“, sagt Teamleiter Kai Rittinghaus.
Die RGSW betreibt mehrere Kavernen zur Erdgasspeicherung in Salzlagerstätten in Deutschland. Einige der unterirdischen Hohlräume haben ein geometrisches Volumen von mehreren 100.000 Kubikmetern. Als Elektrolyttanks böten sie genug Platz für Redox-Flow-Batterien mit einer Stromspeicher-Kapazität im Gigawattstunden-Bereich. Die Leistung einer Kavernenbatterie ist nahezu beliebig skalierbar: Wie bei allen Redox-Flow-Batterien kommt es dabei auf die Größe und Anzahl der verwendeten Stacks an, also der Teile, in denen der Strom aufgenommen und abgegeben wird.
Anders als bei Pantha.rei, dessen marktreife Redox-Flow-Batterien mit Vanadium-Elektrolyt arbeiten, testen Kai Rittinghaus und sein Team verschiedene Elektrolyte im Labormaßstab bei der CMBlu Energy AG. Dank der Kooperation mit dem bayrischen Startup sei man auf einem guten Weg, sagt Rittinghaus: „Wir haben nicht-toxische, nicht-brennbare Elektrolyte auf organischer Basis gefunden, die im Labor ähnliche Speichereigenschaften wie Vanadium-Elektrolyte gezeigt haben.“
Im nächsten Schritt gelte es, in einer Demonstrationsanlage zu zeigen, dass die Technologie in der Praxis funktioniert. Hierfür hat das Konsortium rund um CMBlu und RGSW eine Projektskizze im 7. Energieforschungsprogramm der Bundesregierung eingereicht. „Sollten wir mit unserem Vorhaben berücksichtigt werden, könnten wir 2022 mit dem nächsten Projektschritt beginnen“, so Rittinghaus.
Primäres Ziel von Großspeichern ist es, die Schwankungen von Erneuerbaren Energiequellen auszugleichen: Während Produktionsspitzen werden die Akkus aufgeladen. Wenn Wind und Sonne zu wenig Strom erzeugen, speisen die Batterien den Strom zurück ins Netz. Das hat nicht nur den Zweck, Erzeugungslücken zu schließen, und die Auslastung von Wind- und Solarparks zu erhöhen. Solange auch konventionelle Kraftwerke am Netz sind, können diese umso konstanter laufen, je besser die Netzspannung reguliert werden kann. Und je seltener die Leistung von Kohle- und Gaskraftwerken verändert werden muss, umso effizienter erzeugen sie Strom. Sprich: Sie benötigen weniger Brennstoff, um dieselbe Energie bereitzustellen.