Der Luftverkehr ist in den fünf Jahren vor der Covid-19-Pandemie weltweit stetig gewachsen – um rund sechs Prozent jährlich. Zuletzt stammten fast drei Prozent der durch den Menschen verursachten CO2-Emissionen von Passagier- und Frachtflugzeugen. Und Experten erwarten einen schnellen Anstieg der Fluggastzahlen und damit die Fortsetzung dieses Trends, sobald die Lockdown-Maßnahmen international gelockert werden. Damit die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens, des European Green Deals und des nationalen Klimaschutzgesetzes erreicht werden, müssen die Treibhausgasemissionen in der Luftfahrt aber deutlich zurückgehen. Wie das in Deutschland gelingen soll, hat die Bundesregierung in ihrer kürzlich veröffentlichten „PtL Roadmap“ (PtL: Power-to-Liquid) skizziert. Als PtL werden Verfahren bezeichnet, bei denen mithilfe von Strom flüssige Energieträger wie Benzin, Diesel oder eben Flugbenzin hergestellt werden.
Das Papier nennt verschiedene Lösungsansätze, die helfen sollen, den CO2-Ausstoß des Flugsektors bis 2030 signifikant zu senken: von der Entwicklung und Anschaffung effizienterer Flugzeuge über die Vermeidung von Flügen, zum Beispiel durch verbesserte Bahnverbindungen oder Videokonferenzen, bis hin zu einer stärkeren Bepreisung von CO2. Das zentrale Element ist der Ersatz fossiler Treibstoffe.
Demnach soll nachhaltig produziertes Kerosin kontinuierlich herkömmliche, erdölbasierte Kraftstoffe ablösen. Bei der Herstellung werden Wasser und Kohlendioxid in mehreren Schritten zu flüssigen Kohlenwasserstoffen synthetisiert. Das CO2 kann zum Beispiel aus der Industrie oder aus Biomasse stammen. Alternativ funktioniert die Synthese auch mit Methanol. Die Chemikalie kann in Verbindung mit Kohlenwasserstoffen ebenfalls als Treibstoff genutzt werden. In beiden Fällen sollen die Anlagen mit Strom aus Erneuerbaren Energien betrieben werden, damit das gewonnene Flugzeugbenzin nachhaltig ist.
2030 sollen dem Luftverkehr mindestens 200.000 Tonnen (t) PtL-Kerosin zur Verfügung stehen. Das entspräche etwa zwei Prozent des gesamten Kerosinbedarfs in Deutschland im Jahr 2019. Vor allem in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts soll der Markt rasant wachsen. Dafür müssen schnell die Voraussetzungen für eine großskalierte Produktion geschaffen werden: Neben einem massiven Ausbau der Erneuerbaren und dem Aufbau von PtL-Produktionsanlagen wird eine ganze Reihe von Praxistests erforderlich sein. Denn die Komponenten sind zwar technisch bereits weit ausgereift, in industriellen Anwendungen kamen sie bis jetzt jedoch kaum oder gar nicht zum Einsatz. Eine flankierende Forschung soll zudem helfen, die Technologie auch im Hinblick auf die Klimaziele weiter zu optimieren, die Effizienz zu erhöhen und die aktuell im Vergleich zu fossilem Kerosin recht hohen Kosten zu senken. Als Beispiel dafür nennen die Autoren die direkte CO2-Gewinnung aus der Luft.
Um den Markthochlauf zu unterstützen, haben verschiedene Bundesministerien ihre Hilfe angekündigt: Das Bundesverkehrsministerium plant, eine PtL-Plattform ins Leben zu rufen, um den Austausch der beteiligten Akteure aus Forschung, Wirtschaft und Politik zu fördern und hat zusätzlich Förderprogramme angekündigt. Diese bauen auf der Nationalen Wasserstoffstrategie auf. Allein aus den Energie- und Klimafonds des Verkehrsministeriums stehen 1,3 Milliarden Euro zur Verfügung. Das Wirtschaftsministerium will Forschungsprojekte zur Herstellung und Nutzung von alternativen, strombasierten Kraftstoffen mit rund 87 Millionen Euro fördern. Die Erkenntnisse aus dem Kopernikusprojekt des Forschungsministeriums zur Erforschung der Energiewende können wichtige Hinweise für die Produktion liefern, und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung diskutiert zurzeit eine Möglichkeit, Kerosin in einer Power-to-X-Anlage in Marokko herzustellen.
Bevor die ersten geförderten Anlagen die Produktion aufnehmen, wird aber wohl noch etwas Zeit vergehen. Die Autoren gehen von einer Konzeptions- und Bauphase von drei bis vier Jahren aus. Auf diesen Zeitraum ist zum Beispiel das Projekt „TAKE OFF“ ausgelegt: Am Standort Niederaußem wollen Forscher von RWE Power dabei Flugzeugtreibstoff auf Basis von Wasserstoff herstellen. Das dazu benötigte CO2 soll aus der Luft abgetrennt werden. Die von der EU geförderte Pilotphase soll vier Jahre dauern.
Und auch auf regulatorischer Seite sind noch einige Schritte zu gehen. Zunächst, heißt es in dem Papier, gelte es, auf EU-Ebene einheitliche Nachhaltigkeitsstandards für PtL-Kerosin festzulegen, also zum Beispiel wie hoch der Anteil von Strom aus Erneuerbaren für die Produktion mindestens sein muss. Um den Markthochlauf zu unterstützen, sprechen sich die verantwortlichen Minister für freiwillige Abnahmeverpflichtungen und die Einführung einer Mindestquote für nachhaltige Treibstoffe im Luftverkehr aus.
Der Grundstein für EU-weite Regelungen ist mit dem European Green Deal bereits gelegt und die ReFuelEU Aviation Initiative diskutiert bereits eine PtL-Quote. Über das Europäische Emissionshandelssystem (EU-ETS) könnten darüber hinaus sowohl Abnahmeanreize für Fluggesellschaften geschaffen als auch eine mögliche Benachteiligung im internationalen Wettbewerb vermieden werden. Denn der Emissionsfaktor für PtL-Kraftstoffe ist gleich null.