Seit nunmehr 70 Jahren veröffentlicht das Mineralölunternehmen BP einmal im Jahr umfangreiche Statistiken über die weltweite Energieversorgung. In der Vergangenheit dokumentierte der „Statistical Review of World Energy“ bereits einige für die Branche turbulente Ereignisse: Von der Suezkrise 1956 über die Ölpreiskrise zu Beginn der 70er-Jahre bis zur Fukushima-Katastrophe 2011. Doch noch nie habe etwas so weitreichende Auswirkungen gehabt wie die Covid-19-Pandemie, sagen die Datenanalysten über die Anfang Juli veröffentlichten Zahlen für das Jahr 2020: Infolge der Krise ist der globale Primärenergieverbrauch um 4,5 Prozent gefallen – so stark wie zuletzt zum Ende des zweiten Weltkriegs. Während die Nachfrage nach Kohle, Öl und Gas im Rekordtempo einbrach, verzeichneten die Erneuerbaren Energien Solar und Wind einen deutlichen Zuwachs, nicht nur bezogen auf ihren Anteil an der Energieversorgung.
Die Daten des aktuellen Berichts unterteilen die Energiebranche 2020 in zwei Lager. Auf der Verliererseite stehen eindeutig die fossilen Energieträger, allen voran Öl: Mit 9,1 Millionen Barrels pro Tag (BPD) ist der Verbrauch um 9,3 Prozent und auf den niedrigsten Stand seit 2011 gefallen. Die USA (-2,3 Millionen BPD) und die EU (-1,5 Millionen BPD) verzeichneten den größten Rückgang, lediglich in China stieg der Verbrauch leicht um 220.000 BPD. Wegen der geringen Nachfrage sank der Ölpreis auf das Niveau von 2004. Die Produktion ging – auch aufgrund von Lockdown-Maßnahmen – um 6,6 Millionen BPD zurück. In der Folge lag die Auslastung der Raffinerien bei nur noch 74,1 Prozent, der niedrigste Wert seit 1985. Der Kohleverbrauch brach infolge der Pandemie ebenfalls ein: um 4,2 Prozent bzw. 6,2 Exajoule (EJ). Den größten Anteil daran hatten die USA und Indien mit einem Minus von 2,1 bzw. 1,1 EJ. In den OECD-Staaten erreichte der Verbrauch den niedrigsten Wert seit Beginn der Datenaufzeichnung im Jahr 1965. Die Produktion schrumpfte sogar um 5,2 Prozent.
Ein ambivalenteres Bild zeichnete der Erdgassektor: Zwar sank der Verbrauch auch hier – insgesamt um 2,3 Prozent – und die Nachfrage ging vor allem in Russland und den USA stark zurück, dafür stieg sie unter anderem in China und dem Iran. Dennoch nahm der gesamte Handel um 5,3 Prozent ab und es gab einen massiven Preissturz, in den USA auf das Niveau von 1995 und in Asien auf den niedrigsten je registrierten Wert. Trotz dieser Entwicklungen stieg der Erdgasanteil des Energiemixes auf knapp 25 Prozent. Der Rekord kam unter anderem dadurch zustande, dass insbesondere der Ölverbrauch noch deutlicher abfiel als der Gesamtenergieverbrauch. Das Defizit, das sich daraus ergab, wurde unter anderem mit Gas ausgeglichen.
Die laut dem Report eindeutigen Gewinner des bewegten zurückliegenden Jahres sind die Erneuerbaren: Der Anteil regenerativer Energien (inklusive Bio-Kraftstoffe, ohne Wasserkraft) am Primärenergieverbrauch hat demnach um 9,7 Prozent zugelegt. Das ist etwas weniger als im Zehn-Jahres Durchschnitt (durchschnittliche Steigerung von 13,4 Prozent). Gemessen an der absoluten Energiemenge von 2,9 EJ aber ein ähnlicher Wert wie in den Jahren zuvor. Bei der Erzeugung verzeichneten die Analysten sogar ein Plus von 12,5 Prozent. Maßgeblich dafür verantwortlich ist der enorme Zuwachs der Solarstromerzeugung von über 20 Prozent. Auch beim EE-Ausbau lag die Photovoltaik vorn: Trotz der globalen Krisensituation wurden Solaranlagen mit einer Kapazität von insgesamt 127 Gigawatt (GW) installiert. Das sind ebenfalls über 20 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Windkraftkapazität stieg um 111 GW bzw. 17,5 Prozent. Die Entwicklungen führten dazu, dass 2,1 Gigatonnen CO2 eingespart werden konnten. Der Ausstoß lag 6,3 Prozent unter dem Niveau von 2019.
Trends, die sich auch durch den Stromsektor ziehen: 2020 wurden 0,9 Prozent weniger Strom erzeugt als im Vorjahr. Das ist der größte Rückgang seit Beginn der Datenerhebung 1985 und das zweite Mal überhaupt, dass die Ökonomen von BP einen negativen Wert gemessen haben. Und auch hier wurde der Energiemix insgesamt „grüner“: Öl, Kohle und Gas lieferten merklich weniger Energie, Wind und Sonne dafür mehr.
Der Report gibt aber nicht nur einen Überblick über Energieerzeugung und Verbrauch. In einem eigenen Kapitel beleuchten die Analysten außerdem ausgewählte Entwicklungen auf dem Rohstoffmarkt. Denn vor allem Lithium, Kobalt, Graphit sowie seltene Erdmetalle werden für EE-Anlagen in großen Mengen benötigt. Und auch hier waren Auswirkungen der Covid-19-Pandemie spürbar: Der Lithiumabbau, der in der vorigen zehn Jahren um durchschnittlich 16,3 Prozent zugelegt hatte, verzeichnete ein Minus von 4,6 Prozent, der Graphitabbau ging um fast 20 Prozent zurück. Gleichzeitig wurden knapp allerdings drei Prozent mehr Kobalt und 23,3 Prozent mehr seltene Erdmetalle gefördert. Das ging vor allem auf den Ausbau des Kobaltabbaus in der Demokratischen Republik Kongo bzw. auf das starke Wachstum des australischen und US-amerikanisches Marktes für seltene Erden zurück.