Erneuerbare Energie haben in den vergangenen Jahren in Mexiko einen Boom erlebt: Die Windenergie verzeichnete im Zeitraum von 2018 bis 2020 den bisher größten jährlichen Zuwachs. Dabei stieg die Kapazität von 4,2 Gigawatt (GW) im Jahr 2017 auf 8,1 GW 2020, was fast einer Verdopplung entspricht. Und auch die Solarenergie erlebte einen Aufschwung. Ihre Kapazität wuchs im gleichen Zeitraum von 674 Megawatt (MW) auf 5,6 GW.
Nicht zuletzt wegen seiner großen erneuerbaren Energieressourcen zeichnet sich Mexiko durch einige der bisher in der Stromproduktion kostengünstigsten Onshore-Windparks aus – Strom kostet teilweise nur 18 US-Dollar pro Megawattstunde ($/MWh). Eine Studie der Internationalen Agentur für Erneuerbare Energien IRENA (auf Englisch) schätzte die möglichen Onshore-Windressourcen des Landes auf 50 GW. Einige spätere Studien gehen sogar von bis zu 70 GW aus. Das Solarpotenzial fällt mit beeindruckenden 5.000 GW deutlich höher aus.
Aber auch die Offshore-Windenergie bietet enorme Möglichkeiten. Die Weltbank beziffert das technische Potenzial Mexikos für die Windkraft auf See auf 869 GW, wovon 402 GW auf traditionelle, fest installierte Anlagen und weitere 457 GW auf schwimmende Windräder entfallen würden.
Dies ist zwar mehr als genug, um den Strombedarf des Landes um ein Vielfaches zu decken, doch IRENA schätzt, dass Mexiko darüber hinaus 27 GW Wasserkraft wirtschaftlich installieren könnte. Das technische Potential liegt demnach bei 49 GW. Derzeit liegt die Wasserkapazität bei 12,6 GW. Auch Geothermie und Biomasse könnten einen kleineren, aber bedeutenden Beitrag zum nationalen Stromerzeugungsmix leisten, wenn sie ausgebaut würden.
Wie der sprunghafte Anstieg der Wind- und Solarkapazitäten in den Jahren 2018 bis 2020 zeigt, kann mit der richtigen Unterstützung ein hohes Ausbautempo erreicht werden. Allerdings sind die weiteren Aussichten mit Unsicherheiten behaftet. Laut dem mexikanischen Windenergieverband AMDEE könnte das Land seine Windenergiekapazität zwar innerhalb von fünf Jahren verdoppeln, ist aber derzeit mit zu viel regulatorischer Unsicherheit konfrontiert.
Die Gründe dafür liegen auch in der Vergangenheit: Mexiko ist schon lange ein wichtiger Ölproduzent, der Energiesektor wird traditionell von großen staatlichen Monopolen mit Schwerpunkt auf Öl und Gas beherrscht. Allerdings fiel die mexikanische Ölproduktion 2019 zum ersten Mal seit 1979 unter zwei Millionen Barrel pro Tag. Der Überschuss, also das Gleichgewicht zwischen Produktion und Verbrauch, sank auf nur 220.000 Barrel pro Tag.
Die Gasproduktion befindet sich ebenfalls in einem langfristigen Abwärtstrend und ist von 52,5 Milliarden (Mrd.) Kubikmetern im Jahr 2013 auf 30,1 Mrd. im Jahr 2020 gesunken. Im Gegensatz dazu steigt der Gasverbrauch. 2019 erreichte er 88 Mrd. Kubikmeter und blieb 2020 mit 86,3 Mrd. Kubikmetern stabil. Die Gaskraft ist damit das Rückgrat des mexikanischen Elektrizitätssystems und machte 2020 fast 60 Prozent der Stromerzeugung aus.
Mexiko gleicht die Defizite bei der eigenen Gasproduktion durch den Import von Pipeline-Gas aus den USA und LNG aus. Das Land war einer der Hauptnutznießer des US-Schiefergasbooms. Die US-Erdgasexporte sind in den letzten zehn Jahren sprunghaft angestiegen und erreichten im Juni 2021 an einigen Tagen einen Rekord (Link auf Englisch) von über sieben Mrd. Kubikfuß pro Tag (entspricht etwa 200 Millionen Kubikmetern).
Der enorme Anstieg der US-Pipeline-Gasexporte hat LNG aus Nord- und Zentralmexiko so stark verdrängt, dass Entwickler den Bau von Verflüssigungsanlagen anstreben, um US-Gas als LNG von Mexikos Pazifikküste aus zu exportieren.
Mexiko ist zwar ein eifriger Erdgasverbraucher, verwendet aber auch immer noch Heizöl für die Stromerzeugung – ein weiteres Element seiner Öl- und Gasvergangenheit. Da die internationale Nachfrage nach schwefelreichem Heizöl gering ist, scheinen die jüngsten Reformen der mexikanischen Regierung darauf abzuzielen, die Inlandsnachfrage nach diesem Brennstoff im Elektrizitätssektor zu steigern und damit die Raffinerieaktivitäten der staatlichen Ölgesellschaft Pemex zu unterstützen.
Dies ist eine deutliche Abkehr von der Politik der früheren Regierungen: Mexiko hat im vergangenen Jahrzehnt umfangreiche Reformen im Energiesektor durchgeführt, um den Einfluss des Staates zu verringern und Investitionen des Privatsektors zu fördern. Das 2015 verabschiedete Energiewendegesetz war der letzte Teil der Reformen, der die Dekarbonisierung und die Einführung Erneuerbarer Energien förderte.
Mit dem Gesetz wurde das Ziel gesetzt, bis 2024 35 Prozent des Stroms emissionsfrei zu erzeugen (einschließlich Kernenergie). Dazu wurden Stromauktionen und Zertifikate für saubere Energie eingeführt, die zusammen eine Flut von überwiegend privatwirtschaftlichen Investitionen in Wind- und Solarenergie auslösten. Die Früchte davon zeigten sich im jüngsten Anstieg der Wind- und Solarkapazitäten.
Mit dem Regierungswechsel im Jahr 2018 hat die Politik jedoch wieder den Kurs zu einem stärker staatlich geprägten Sektor eingeschlagen. Das bedroht nun die Pipeline neuer Projekte im Bereich Erneuerbare Energien. So verabschiedete der mexikanische Kongress im April 2021 ein geändertes Gesetz zur Elektrizitätswirtschaft. Zu den Maßnahmen, die die Position der staatlichen Stromerzeuger stärken sollen, gehört die Umstellung von einer preisbasierten Einspeisung – die die Erneuerbaren begünstigte – auf eine preisunabhängige Bevorzugung der staatlichen Stromerzeuger. Dies hat zur Folge, dass die Heizöl- und Kohleverstromung der staatlichen Unternehmen auf Kosten der Erneuerbaren Energien und der Gaskraftwerke gefördert wird.
Das neue Elektrizitätswirtschaftsgesetz wurde im Inland angefochten und könnte auch gegen bilaterale Investitionsabkommen mit anderen Ländern verstoßen, deren Unternehmen in den mexikanischen Elektrizitätssektor investiert haben. Doch selbst wenn das Gesetz gekippt werden sollte, hat der Kurs der Regierung eine große Unsicherheit für neue Investitionen im Bereich der Erneuerbaren Energien geschaffen. Und da die Dynamik ins Stocken geraten ist, scheint das im Energiewendegesetz von 2015 festgelegte Ziel nun stark gefährdet zu sein.