Die Europäische Union hat sich das Ziel gesetzt, bis 2050 klimaneutral zu sein. Dabei ist es von großer Bedeutung, dass der Energiebedarf zukünftig emissionsfrei und aus regenerativen Quellen gedeckt wird. Die Nutzung von Wasserstoff anstelle von fossilen Brennstoffen bietet ein enormes Potenzial, auch die CO2-Emissionen in schwer zu dekarbonisierenden Bereichen wie der Industrie zu verringern. Deutschland und andere europäische Länder verfolgen deshalb Wasserstoff-Strategien, um insbesondere die Produktion von grünem Wasserstoff, also Wasserstoff, der mit Strom aus Erneuerbaren hergestellt wird, anzukurbeln. Schon jetzt zeichnet sich jedoch ab, dass der Bedarf an dem Brennstoff gerade zu Beginn des Markthochlaufs so groß sein wird, dass er kaum aus inländischen Quellen gedeckt werden kann. Das Fraunhofer Institut hat deshalb in einer aktuellen Studie Regionen außerhalb der EU ermittelt, die sich als Standorte für Windräder sowie Solaranlagen eignen würden und für die Wasserstoffproduktion genutzt werden könnten. Die Ergebnisse präsentieren die Forscher in einem interaktiven Atlas.
In einer Metastudie hat das Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung ISI die zukünftige potenzielle Nachfrage nach Wasserstoff und Syntheseprodukten auf Wasserstoffbasis wie Methanol und Methan bis 2050 analysiert. Dafür haben die Forscher insgesamt zwölf unterschiedliche Studien verglichen, die mögliche Nachfrage-Szenarien für Wasserstoff in den nächsten Jahrzehnten simulieren. Dabei kommen sie zu dem Ergebnis, dass in Deutschland in den Bereichen Verkehr, insbesondere im internationalen Flug- und Schiffsverkehr, sowie der Industrie der Bedarf dauerhaft am größten sein wird.
In Deutschland könnten bereits ab 2030 bis zu 80 Terrawattstunden (TWh) des Brennstoffs benötigt werden. Die meisten Studien gehen allerdings noch von einem Wert von unter 50 TWh aus. Bis zum Jahr 2050 wird dieser Bedarf jedoch auf zwischen 400 und 800 TWh ansteigen.
Dazu werden große Mengen nachhaltig erzeugten Stroms benötigt. Obwohl der Ausbau der Erneuerbaren in Europa mit großen Schritten vorangeht, wird die Menge der produzierten Energie laut den Wissenschaftlern auch zukünftig nicht ausreichen, um zusätzlich zur Stromversorgung die erforderlichen Mengen Wasserstoff herstellen zu können. Um den Wasserstoffbedarf abzudecken, wird die EU deshalb 2040 – laut einiger Studien bereits ab 2030 – auf Importe aus dem EU-Ausland angewiesen sein.
Deshalb schauen Experten nun außerhalb von Europa auf Regionen, die aufgrund von Flächenkapazitäten und klimatischen Bedingungen ein natürlich hohes Potenzial für Erneuerbare Energien haben. Das Fraunhofer Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE hat Länder auf der ganzen Welt betrachtet und untersucht, welche Standorte gute natürliche Bedingungen für eine nachhaltige Stromproduktion bieten. Diese Regionen sind potenziell auch gute Power-to-X-Standorte, sie könnten also – zumindest theoretisch – für die Herstellung von Wasserstoff genutzt werden.
Der globale und interaktive „Power-to-X-Atlas“ zeigt die Orte mit den besten Voraussetzungen. Neben Simulationen für außereuropäische Power-to-X-Szenarien, bietet das interaktive Tool länderspezifische Standortanalysen und Vergleiche in den Bereichen Wind-, Solar- und Hybridenergie, also einer Kombination aus Wind- und Solarenergie.
Die größten Flächenpotenziale liegen demnach in großen Flächenstaaten, insbesondere an Binnengewässern. Gerade die sonnenintensiven Länder der Südhalbkugel bieten sich für die Installation von Photovoltaikanlagen und die Nutzung von Solarenergie an. Allein in Australien ließen sich potenziell Flächen von über 50.000 Quadratkilometern (km²) an Küstengewässern sowie mehr als 250.000 km² an Binnengewässern für Solaranlagen nutzen. Würde man die gesamte potenzielle Kapazität ausnutzen, könnten laut Simulation des „Power-to-X-Atlas“ bis zu 10.000 TWh Wasserstoffs produziert werden.
Für die Windkraft sind insbesondere die Vereinigten Staaten und Russland im Vorteil. Gerade die USA verfügen über große Flächen, die sowohl für die Nutzung von Solar- als auch Wind- und Hybridenergie geeignet sind. Und auch Länder in Südamerika haben ein großes Flächenpotenzial. Hier könnten insbesondere Hybridstandorte entstehen.