Der Offshore-Windsektor in den USA scheint seit geraumer Zeit vor dem großen Durchbruch zu stehen, aber wie heißt es doch: „Was lange währt, wird endlich gut“.
In Europa und China sind jeweils mehr als 30 Gigawatt (GW) Offshore-Windkraftkapazität in Betrieb, in den USA ist es ein kleiner Bruchteil davon: 42 Megawatt (MW). Unter Präsident Biden hat sich die Dynamik des Sektors jedoch deutlich erhöht. Die Regierung hat klare Ziele für 2030 gesetzt (Link in Englisch) und die administrativen und rechtlichen Maßnahmen vorangetrieben, die notwendig sind, um den Sektor in Gang zu bringen.
Derzeit befinden sich in den USA 938 MW Offshore-Windkapazität im Bau. Mit dem 806‑MW-Windpark Vineyard in Massachusetts soll noch in diesem Jahr der erste kommerzielle Großwindpark der USA ans Netz gehen. Auch der Windpark South Fork im Staat New York mit 132 MW soll noch 2023 eröffnet werden.
Es wird erwartet, dass die Offshore-Windenergie in den nächsten zehn Jahren zunächst die dicht besiedelte Ostküste des Landes mit grünem Strom versorgen wird, bevor sie sich an den verschiedenen Küsten dieses gewaltigen, industriell geprägten Landes ausbreitet.
Laut dem American Clean Power Offshore Wind Market Report (Link in Englisch) beläuft sich die Projektpipeline inzwischen auf 51,4 GW, von denen 84 Prozent an der Ostküste geplant sind. Davon befinden sich 16,6 GW in einem fortgeschrittenen Entwicklungsstadium. Der Bundesstaat New York liegt derzeit mit 4,6 GW in der Pipeline an der Spitze. An zweiter Stelle folgt New Jersey mit 3,8 GW.
Für zehn Windparks wurden Bau- und Betriebspläne vorgelegt, die nun auf eine abschließende Umweltprüfung warten, anhand der das Bureau of Ocean Energy Management (BOEM) den Baubeginn genehmigen kann. Nach Angaben von Clean Power America hat das BOEM für sieben der zehn Projekte vorläufige Umwelterklärungen herausgegeben.
Die Treiber des Sektors sind die Regierungen der Bundesstaaten. Insgesamt haben zehn US-Bundesstaaten Ausbauziele für Offshore-Windkraftanlagen mit einer Gesamtkapazität von 81 GW ausgegeben. Das wären mehr neue Offshore-Windkraftanlagen als derzeit weltweit installiert sind.
Ausgehend von den Projekten im fortgeschrittenen Stadium dürfte die Offshore-Windkapazität in den USA in diesem Jahr von 42 MW auf knapp über 1 GW und 2026 auf mehr als 9 GW ansteigen. Nach Daten von Clean Power America wird die Kapazität bis 2029 auf 17,6 GW steigen.
Um allerdings das Ziel der US-Regierung von 30 GW Offshore-Windkraft bis 2030 zu erreichen, reicht das nicht. Dafür müssten viele Projekte, die sich in einem früheren Stadium befinden, deutlich schneller vorangetrieben werden als bisher geplant.
Wie überall muss auch in den USA die Infrastruktur der Häfen und anderer Lieferketten an die Anforderungen dieses neuen Sektors angepasst werden. Gemäß dem National Renewable Energy Laboratory (NREL) (Link in Englisch) werden für das Erreichen von 30 GW bis 2030 2.100 Turbinen nebst Fundamenten, knapp 11.000 Kilometer Kabel, 58 Besatzungstransportschiffe und 29 bis 37 andere Spezialschiffe benötigt, wodurch zwischen 12.300 und 49.000 Vollzeitarbeitsplätze entstehen.
Diese Investitionen machen sich bereits bemerkbar. Clean Power America zufolge wurden mehr als 30 neue oder umzurüstende Schiffe in Auftrag gegeben. Manche davon befinden sich bereits in US-Werften im Bau, weitere sind in Planung.
Darüber hinaus wurde der Bau von 14 neuen Produktionsstätten für Kabel und Offshore-Umspannwerke angekündigt. Derzeit sind drei solcher Anlagen in Betrieb.
Insgesamt schätzt das NREL, dass der Aufbau einer inländischen Lieferkette für einen jährlichen Ausbau der Offshore-Windkapazität um 4 bis 5 GW in Höhe von mindestens 22 Milliarden US-Dollar erfordert.