Deutschlands Strommix war im ersten Halbjahr 2023 so grün wie noch nie. Davon gehen das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) und der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) aus.
Sie haben berechnet, dass der Anteil der Erneuerbaren Energien an Bruttostromproduktion und -verbrauch von Januar bis Juni bei rund 52 Prozent lag – der bisher höchste Halbjahreswert. Vor allem der sonnige Frühsommer hat demnach dazu beigetragen, dass der Ökostromanteil deutlich größer war als 2022.
Um den Ökostromanteil zu berechnen, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder wird der Anteil der Erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch eines Landes gemessen oder deren Anteil an der Bruttostromerzeugung. Der Verbrauch bildet das gesamte Stromsystem eines Landes ab. Die Erzeugung umfasst darüber hinaus auch exportierte Strommengen.
Insgesamt 266 Milliarden Kilowattstunden (Mrd. kWh) Strom wurden laut dem Bericht im ersten Halbjahr 2023 in Deutschland erzeugt, davon knapp 138 aus regenerativen Quellen – das entspricht 51,7 Prozent.
Mit einem Anteil an der Gesamterzeugung von knapp 22 Prozent lieferten Windräder an Land den meisten Grünstrom, gefolgt von Solar- (12,4 %) und Biomasse-Anlagen (8,3 %). Aus konventionellen Energieträgern inklusive Kernkraft stammten den vorläufigen Zahlen zufolge noch gut 128 Mrd. kWh.
Der Stromverbrauch lag laut den Berechnungen bei rund 263 Mrd. kWh. Den Erneuerbaren-Anteil daran beziffern die Experten mit 52,3 Prozent etwas höher als den der Erzeugung. Grund dafür ist, dass mehr Strom exportiert als importiert wurde – und exportierter Strom wird in der Statistik als konventionell erzeugt eingestuft. Bilanziell verbleibt bei einem negativen Stromaustauschsaldo also mehr Grünstrom zum Eigenverbrauch im Land.
Dass wir heute mehr als die Hälfte unseres Stroms aus regenerativen Quellen gewinnen, hätte wohl noch vor zwanzig Jahren kaum jemand für möglich gehalten. Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung
Ein Trend, der sich bereits im ersten Quartal abzeichnete, setzt sich dem Bericht nach fort: Sowohl Stromproduktion als auch -verbrauch sind im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gesunken. Die Erzeugung ging demnach um fast elf Prozent zurück. Den prozentual größten Anteil daran hatte die Kernenergie – schließlich war Deutschland im April komplett aus dieser Art der Energiegewinnung ausgestiegen. Für die übrigen konventionellen Energieträger berechnen die Experten ein Minus von gut 15 Prozent.
Die Erneuerbaren hingegen machten Boden gut. Ihre Produktion sank laut den Berechnungen nur um 0,6 Prozent. Die Solarenergie verharrte auf dem gleichen Niveau wie 2022 und erreichte im Juni mit über 10 Mrd. kWh sogar einen Rekordwert. Die Wasserkraft legte um knapp sechs Prozent zu. Das war unter anderem möglich, weil der Verbrauch mit 6,5 Prozent weniger abnahm als die Erzeugung – eine Lücke, die mit nachhaltigem Strom gefüllt werden konnte.
Trotz der positiven Nachrichten müsse die Energiewende weiter mit ganzer Kraft vorangetrieben werden, sagt ZSW-Vorstand Prof. Dr. Frithjof Staiß: „Berücksichtigt man, dass für das Erreichen der Klimaneutralität bis 2045 die Stromerzeugung bereits 2035 vollständig auf Erneuerbaren Energien basieren muss, wird deutlich, dass der weitere Ausbau erheblich schneller erfolgen muss, als in der Vergangenheit.“
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