Wasserkraftwerk in Georgien
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Unterseekabel soll Georgien und die EU verbinden
Die EU und Deutschland investieren im Kaukasus: Georgien soll grüne Energie aus Wasser- und Windkraft liefern
  • 75 Prozent des georgischen Stroms sind erneuerbar
  • Die Erzeugungskapazität soll sich bis 2033 mehr als verdoppeln
  • EU unterstützt Pläne für eine Übertragungsleitung unter dem Schwarzen Meer
  • Deutschland investiert in den Aufbau der kaukasischen Wasserstoffwirtschaft

Kommt grüner Strom für Europa bald auch aus dem Kaukasus? Wenn es nach der EU-Kommission geht, dann lautet die Antwort: Ja. Zuletzt haben sich Pläne konkretisiert, ein Unterseekabel durch das Schwarze Meer zu verlegen. Es soll in Georgien regenerativ produzierten Strom nach Rumänien und damit ins EU-Netz transportieren. Das Vorhaben ist Teil eines umfangreichen Förderprogramms für die Energiewende in dem ehemaligen Sowjetstaat. Deutschland investiert außerdem in die Wasserstoff-Infrastruktur.

Aktuell ist Georgien Netto-Stromimporteuer: Zuletzt bezog das Land laut Daten der IEA (Link in English) rund 1,5 Terawattstunden (TWh) mehr Strom aus Nachbarstaaten wie Aserbaidschan und Russland, als es exportierte. Das entsprach ungefähr zwölf Prozent des Gesamtverbrauchs von 11,7 TWh.

Massiver Ausbau der Erneuerbaren geplant

Trotzdem ist der selbsternannte „Balkon Europas“ potenzieller Lieferant von grüner Energie. Der inländische Strommix ist bereits von Erneuerbaren dominiert: Wasserkraft hatte 2020 nach IEA-Zahlen einen Anteil von 74 Prozent am Strommix, Erdgas kam auf nur etwa 25 Prozent. Den Rest steuerte der bisher einzige Windpark zu. Und die Ausbaupläne für die kommenden zehn Jahre (Link in Englisch) sind ehrgeizig: Der staatliche Energieversorger GSE (Georgian State Electrosystem JSC) will die Erzeugungskapazitäten bis 2033 auf 9,8 Gigawatt (GW) mehr als verdoppeln. Damit wären alle Voraussetzungen geschaffen, grüne Energie zu exportieren.

Installierte und geplante Erzeugungskapazitäten in Georgien

in MW, Quelle: GSE

Aufgrund der günstigen Geologie soll der Fokus dabei auf der Wasserkraft liegen: 87 Prozent der Fläche Georgiens sind von Gebirgen durchzogen. Die Gletscher des Kaukasus speisen bereits die große Kraftwerksflotte. Diese soll um weitere fast 4 GW wachsen. Außerdem plant GSE, 0,9 GW neue Windkraft- und 0,2 GW Solarenergie-Kapazität zu installieren.

Diese Pläne scheinen auch für Investoren interessant zu sein: Die letzte Auktion des georgischen Wirtschaftsministeriums (Link in Englisch) über 300 Megawatt (MW) Erneuerbaren-Kapazität im März 2023 war stark überzeichnet. Insgesamt gingen 78 Gebote über mehr als 900 MW ein. Am Ende erteilte die Regierung den Zuschlag für 24 Projekte, unter anderem über 150 MW Wasserkraft- und je 70 MW Wind- und Solarenergiekapazität.

EU fördert Ausbau der Netzinfrastruktur

Nur Wasserkraftwerke und Windräder zu bauen, wird aber nicht reichen. Auch die Infrastruktur muss massiv ausgebaut werden, um den größeren Energiemengen gerecht werden zu können. Dabei unterstützt die EU den Schwarzmeerstaat seit 2017 im Rahmen des  Energy Network Improvement Programme (ENIP). Bis 2022 flossen 234 Millionen Euro in Infrastrukturprojekte.

In der zweiten Projektphase bis 2026 sollen weitere 270 Millionen folgen – für 561 Kilometer neuer Übertragungsleitungen und den Bau beziehungsweise Ausbau von fünf Umspannwerken (Link in Englisch). Die KfW und die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE) kofinanzieren das Programm. Mit dem Geld soll Georgien das nationale Netz für die Integration von Erneuerbaren stärken und die Versorgungssicherheit erhöhen. Außerdem sollen Übertragungskapazitäten für den Stromaustausch mit Nachbarländern aufgebaut werden.

Unterseekabel als Direktverbindung zur EU

Davon könnten nicht nur direkte Anrainer wie die Türkei, Armenien oder Aserbaidschan profitieren. Auch die EU möchte künftig Strom aus Georgien importieren – über ein 1.195 Kilometer langes Hochspannungskabel, das die westgeorgische Küstenstadt Anaklia mit Konstanza im Südosten Rumäniens verbinden soll. Im Dezember 2022 besuchte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ein Treffen mit Regierungsvertretern aus beiden Ländern sowie aus Aserbaidschan und Ungarn, bei dem eine Absichtserklärung über die Entwicklung des Schwarmeer-Unterseekabels (Link in Englisch) unterzeichnet wurde.

Dieses Projekt könnte Georgien große Vorteile bringen. Es könnte das Land zu einem Stromdrehkreuz machen und es in den EU-Binnenmarkt für Strom integrieren. Schließlich könnte das Schwarzmeerkabel auch dazu beitragen, unsere Nachbarn in der Republik Moldau und auf dem westlichen Balkan und natürlich die Ukraine mit Strom zu versorgen. Ursula von der Leyen, EU-Kommissionspräsidentin

Bereits im April 2022 hat das italienische Beratungsunternehmen CESI (Centro Elettrotecnico Sperimentale Italiano) den Auftrag für eine Machbarkeitsstudie erhalten (Link in Englisch). Ende 2023 sollen erste Ergebnisse vorliegen. „Wir haben bereits die Route und den Standort der Konverterstationen ausgewählt. In Zukunft werden im Rahmen des Projekts auch Umwelt- und Sozialverträglichkeitsprüfungen sowie geophysikalische und geotechnische Untersuchungen des Schwarzmeerbodens durchgeführt“, sagt Stefano Malgarotti, CESI Engineering Consulting Director.

Hohe Kosten und riskante Route werfen Fragen auf

Das Kabel wäre nicht nur deutlich länger als das bisher längste Unterseekabel – den Rekord hält bisher der 724 Kilometer lange North Sea Link zwischen Dänemark und dem Vereinigten Königreich. Mit Kosten in Höhe von schätzungsweise 2,3 Milliarden Euro wäre es auch deutlich teurer. Geld, das ebenfalls aus EU-Töpfen kommen könnte: Im Rahmen der Östlichen Partnerschaft (Eastern Partnership, EaP) könnten laut Europarat bis zu 17 Milliarden Euro für die sechs Partnerländer, zu denen auch Georgien gehört, bereitgestellt werden.

Neben der Finanzierung wirft die Route der Verbindung Fragen auf. Diese verliefe weniger als 150 Kilometer von der südlichen Spitze des derzeit von Russland besetzten Halbinsel Krim entfernt. Beispielsweise das Middle East Institute in Washington warnte zuletzt vor Gefahren für Datenkabel, die unter dem Schwarzen Meer verlaufen (Link in Englisch). Verstärkte Marineaktivitäten während des Krieges in der Ukraine erhöhen demnach das Unfallrisiko und auch gezielte Angriffe auf die kritische Infrastruktur seien denkbar. Erkenntnisse, die sich auf das geplante Stromkabel übertragen lassen.

Eine Alternative wäre der Transfer durch die Türkei. Georgien gehört allerdings noch dem russischen Stromverbund an, die Türkei dem europäischen. Beide nutzen eine andere Netzspannung. Der Strom müsste also Umspannstationen durchlaufen. In der Grenzstadt Akhalzikhe gibt es bereits eine solche Station. Für größere Strommengen müsste die Infrastruktur jedoch deutlich ausgebaut werden.

Deutschland unterstützt Aufbau der Wasserstoffwirtschaft

Grünstrom könnte auch direkt vor Ort in grünen Wasserstoff umgewandelt werden. Ende Juni 2023 hat das deutsche Entwicklungsministerium Georgien 23 Millionen Euro für den Bau einer Elektrolyseanlage mit einem Wasserstoff-Speicher und Windanlagen zugesagt. Laut Ministerium handelt es sich um das erste konkrete Investitionsprojekt für grünen Wasserstoff in der Region. Theoretisch könnte überschüssiges H2 in Zukunft exportiert werden – und zwar in Tanks statt über Leitungssysteme.

Klimawandel beeinträchtigt Wasserkraft

Wie viel Strom am Ende wirklich nach Europa fließen würde, ist noch spekulativ. Zwar hat die überzeichnete Auktion ein positives Signal gesetzt. Die Stromproduktion aus Wasserkraft war aber zuletzt rückläufig. Denn die Gletscher des Kaukasus, aus denen sich die Kraftwerke speisen, schmelzen in Folge des Klimawandels. Schon heute werden Sedimente in die Wasserreservoirs gespült, die die Funktion der Turbinen beeinträchtigen.

Auf die georgische Wirtschaft dürften sich die Investitionen hingegen in jedem Fall positiv auswirken. Mit den Geldern kann das Land unabhängiger von russischen Energieimporten werden. Eine stabile Marktwirtschaft ist außerdem Voraussetzung dafür, dass das Land den Status als EU-Beitrittskandidat erhält. Auch hierauf zahlen die EU und Deutschland also ein.

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