Stromausfälle in Rechenzentren können dramatische Folgen haben: Datenverluste können Millionenschäden verursachen oder im Extremfall ganze Volkswirtschaften lahmlegen. In Krankenhäusern kann ein Blackout sogar Menschenleben gefährden, wenn beispielsweise während einer Operation das Beatmungsgerät ausfällt.
Deshalb verfügen solche Einrichtungen über Anlagen zur Notstromversorgung. Wenn das öffentliche Stromnetz ausfällt, liefern sie innerhalb von wenigen Millisekunden den benötigten Strom. Erfreulicherweise ist das in Deutschland überaus selten der Fall: Durchschnittlich ist jeder Stromkunde seltener als alle vier Jahre vor eine solche Situation gestellt und die dauert dann im Mittel weniger als eine Stunde.
Die Notstromversorgung wird in der Regel durch eine Kombination aus einer Batterieanlage zur unterbrechungsfreien Stromversorgung (USV) und einem Diesel-Notstromaggregat gesichert. Die USV-Batterie übernimmt solange die Stromversorgung, bis der Generator angelaufen ist. Die Batterie wird anschließend automatisch wieder aufgeladen.
Die in Anschaffung und Unterhalt teuren Anlagen zur Notstromversorgung werden jedoch fast nie benötigt, sodass hier eine erhebliche Stromerzeugungskapazität brachliegt. Erst allmählich gehen die Betreiber solcher Anlagen dazu über, dieses Potenzial zu nutzen. Mit der Bereitstellung sogenannter Regelleistung verdienen sie Geld: Netzbetreiber vergüten sie dafür, dass die Anlagen das Stromnetz stabilisieren.
Die Spannung des Stromnetzes ist sensibel. Um die in Europa geltende Netzfrequenz von 50 Hertz aufrechtzuerhalten, müssen Produktion und Nachfrage stets aufeinander abgestimmt sein. In den letzten Jahren wurden erhebliche Kapazitäten an Windkraft- und Photovoltaik zugebaut. Deren zukünftige Produktion wird mittels Prognosemodellen abgeschätzt. Dabei kann es zu Prognoseabweichungen kommen. Ein Beispiel: Wird die Stromproduktion aus Windkraft zu hoch eingeschätzt, dann übersteigt der aktuelle Stromverbrauch die Stromproduktion. Dies muss dann durch Kapazitätsreserven – sogenannte positive Regelenergie – ausgeglichen werden. Geeignete Anlagen müssen binnen Sekunden oder Minuten zusätzlichen Strom ins Netz einspeisen, um die Netzstabilität zu gewährleisten.
Hier kommen nun Anlagen zur Notstromversorgung ins Spiel, die über Fernzugriff aktiviert werden und in ein „virtuelles Kraftwerk“ eingebunden sind: Batterieanlagen geben gespeicherten Strom ins Netz ab. Dieselaggregate können plötzliche Produktionsrückgänge ausgleichen. Die Anlagen zur Notstromversorgung stellen Regelleistung bereit und erhöhen so die Stabilität des Stromnetzes. Dafür erhalten die Betreiber eine Vergütung.
Das Potential der Vermarktung ist groß. Notstromsysteme finden sich in zahlreichen Einrichtungen wie Krankenhäusern, Flughäfen, Wasser- und Klärwerken, IT-Firmen, Kühlhäusern, Telekommunikationsunternehmen oder Rechenzentren. Insgesamt existieren nach Expertenschätzungen in Deutschland zwischen 4.000 und 6.000 Diesel-Notstromaggregate in relevanter Größenordnung, berichtet das Fachportal für Rechenzentren Datacenter-Insider. Die Stromerzeugungskapazitäten dieser Anlagen werden auf rund 4.000 Megawatt (MW) geschätzt. Allein in größeren Rechenzentren stehen nach Berechnungen des Forschungsinstitutes Borderstep Institut mehr als 800 MW zur Verfügung.
Für Rechenzentren haben RWE Supply & Trading und das Partnerunternehmen Riello Power Systems gemeinsam eine multifunktionale Batterieanlage entwickelt, das neue USV-Batteriesystem Master+. Die kürzlich in Betrieb genommene Pilotanlage hat zwei Master+-Systeme mit jeweils 200 Kilowatt (kW) Leistung sowie zwei Hochleistungsbatterien mit 192 Kilowattstunden (kWh) Nennkapazität von der Firma Hoppecke.
RWE vermarktet die Speicherkapazität der Batterien am Regelleistungsmarkt. Dadurch wird die Batterie permanent eingesetzt und überwacht. Die Batteriekapazität wird zum Beispiel genutzt, um Schwankungen durch erneuerbare Energien im öffentlichen Stromnetz abzufedern. „Mit der Master+-USV-Anlage lassen sich die Betriebs- und Kapitalkosten von Betreibern kritischer Infrastruktur wie Rechenzentren senken, während gleichzeitig die Versorgungssicherheit erhöht wird“, erklärt Hans-Günter Schwarz, bei RWE Supply & Trading zuständig für neue Geschäftsideen. Der Verkaufsstart von Master+ ist ab Anfang 2019 geplant.
Parallel dazu bietet RWE Supply & Trading einen optimierten Probebetrieb von Diesel-Notstromaggregaten an. Allerdings hat nicht nur RWE Supply & Trading das Potential der „schlafenden“ Notstromaggregate erkannt. Unter dem Überbegriff „virtuelles Kraftwerk“ schließen viele meist regional tätige Stromversorger Kapazitäten zusammen, um daraus Regelenergie zu vermarkten.
Das Angebot der RWE Supply & Trading geht aber weit darüber hinaus: Im Multi-use-Konzept der RWE werden die Probebetriebe der Notstromaggregate flexibel umgesetzt, so dass neben der bereits erwähnten Sekundärregelleistung auch noch sogenannte dezentrale Einspeisevergütung erzielt und Einsparungen bei der Netznutzung des Kunden realisiert werden können. Erst durch diese Kombination mehrerer Erlösmöglichkeiten wird die Vermarktung der Notstromaggregate wirtschaftlich richtig attraktiv.
Die originäre Notstromfunktion und die Anlagensicherheit bleiben dabei vollkommen unbeeinträchtigt. Soweit es im Rahmen der Optimierung zu einer Ausweitung der Probebetriebsstunden kommen sollte, fällt diese jedenfalls so gering aus, dass zusätzliche Wartungs- und Instandhaltungskosten ausgeschlossen sind. Vielmehr werden durch den optimierten Probebetrieb in Hoch- oder Volllastbetrieb anlagenschädliche Teillast-Testfahrten mit den damit verbundenen technischen Problemen („wet stacking“) nachhaltig vermieden.
Laut Datacenter-Insider können größere Rechenzentren so Einnahmen im sechsstelligen Bereich generieren. Dabei hat die Notfallvorsorge stets Vorrang. Die Anlange wird nur so weit beansprucht, dass die unterbrechungsfreie Stromversorgung im Notfall stets gewährleistet bleibt.
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