Viele Europäer verbrachten das zurückliegende Osterwochenende im Freien. Doch noch in anderer Hinsicht gab das Wetter dem Kontinent viel Energie: Zeitweise konnte der komplette Strombedarf in Deutschland und Großbritannien theoretisch aus regenerativen Quellen gedeckt werden.
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Viele Europäer (vor allem die, die nördlich der Alpen leben) verbrachten das zurückliegende Osterwochenende im Freien: ein Ausflug mit dem Mountainbike, ein erster Sprung in den Badesee, ein Kurztrip an die Küste. Hoch „Katharina“ schenkte den Daheimgebliebenen Sonne pur und eine angenehm kühlende Brise. Doch noch in anderer Hinsicht gab das Wetter dem Kontinent viel Energie: In Deutschland wurde zum Beispiel am Ostermontag nach Berechnungen des Versorgers E.ON so viel Strom aus erneuerbaren Quellen produziert, dass zwischen elf und 16 Uhr der komplette Strombedarf theoretisch aus regenerativen Quellen gedeckt werden konnte. Der maximalen Stromlast von 49,5 Gigawattstunden (GWh) stand laut des Unternehmens eine Produktion von bis zu 52 GWh aus grünen Quellen gegenüber.
Guido Hommelsheim, der mit seinen Kollegen auf dem Trading Floor der RWE Supply & Trading den Einsatz der RWE-Kraftwerksflotte steuert, hat die Zahlen noch genauer für Gesamt-Deutschland aufgeschlüsselt. „Am Ostermontag beispielsweise um 12.45 Uhr ging es auch trotz der Wetterlage nicht ohne konventionelle Kraftwerke“, so Hommelsheim. Zwar kamen 33 GW aus Solar- und rund 15 GW aus Windkraftwerken sowie etwa 5 GW aus Biomasse und 3 GW aus Wasserkraft, aber auch die Braunkohle (4,2 GW), die Steinkohle (1,6 GW) sowie die Kernenergie (3,6 GW) und Gas (1,4 GW) steuerten ihren Anteil zum Energiemix bei.
Insgesamt setzte sich der Trend am Osterdienstag fort – allerdings mit einem großen Unterschied. Zwar machten die Erneuerbaren auch hier über viele Stunden hinweg den Löwenanteil der Stromerzeugung aus. Da es sich jedoch um einen normalen Werktag (in den Ferien) handelte, lag der Verbrauch deutlich höher, so dass die konventionellen Kraftwerke ebenfalls gefordert waren.
Ähnlich sah die Situation in Großbritannien aus. Der Bedarf war feiertagsbedingt niedrig, die Produktion von Solaranlagen dank des schönen Wetters hoch. Laut des UK-Netzbetreibers National Grid musste daher über das lange Wochenende mehr als 90 Stunden kein Strom von Kohlekraftwerken eingespeist werden. So lange hatte das Königreich noch nie zuvor auf Kohlestrom verzichten können. Der bisherige Rekord lag bei 76 Stunden und zehn Minuten im April des vergangenen Jahres. Aus Klimaschutzgründen will die britische Regierung bereits bis 2025 alle Kohle-Anlagen abschalten. Aktuell steuert der Rohstoff in UK im Schnitt noch knapp zehn Prozent zur Stromversorgung bei.
An der deutschen Strombörse sorgte das gute Wetter ebenfalls für Abwechslung – besonders am Spotmarkt, wo kurzfristig lieferbare Strommengen gehandelt werden. Hier kam es zu negativen Preisen. Diese entstehen immer dann, wenn viel mehr Strom erzeugt als gebraucht wird. Im Klartext: Wer in einer solchen Situation Energie kauft, bekommt sogar noch Geld dafür. Am Nachmittag des Ostermontags lag der Preis zeitweise zwischen – 83 und – 155 Euro pro Megawattstunde. Wichtig dabei ist zu beachten: Dieser negative Preis galt nicht für den gesamten produzierten Strom, sondern nur den Teil, der über den Intraday-Spotmarkt gehandelt wurde.
Marktbeobachter sehen neben dem ausgesprochen guten Wetter noch einem weiteren Grund für die hohen Preisausschläge: Einige Stromproduzenten haben offenbar am Gründonnerstag, bevor sie in das lange freie Wochenende gingen, ihre Einsatzplanung über die Osterfeiertage nicht mehr angepasst. „Das Power Dispatch-Centre der RWE ist rund um die Uhr auf dem Trading Floor besetzt und hat auch eine entsprechende Vorplanung“, betont Hommelsheim. „Deshalb ist bei uns bezüglich des Kraftwerkeinsatzes und der Marktpreise alles im Rahmen der Erwartungen geblieben.“
Dabei sind negative Preise zwar eine Umkehr des Normalfalls – aber nicht unbedingt etwas Schädliches. „Vielmehr sind sie ein Zeichen beziehungsweise ein Anreiz dafür, dass unser gesamtes Stromsystem im Zuge der Umstellung unserer Energieversorgung auf Erneuerbare noch flexibler werden muss“, heißt es beispielsweise im Bundeswirtschaftsministerium. „Indem Erzeuger und Verbraucher auf die schwankende Stromproduktion aus Erneuerbaren reagieren; indem die Kopplung von Stromnetz und –märkten zwischen Deutschland und seinen Nachbarländern weiter verstärkt wird; indem überschüssiger Strom gespeichert und später verbraucht wird.“
Das sieht auch Gerben Hieminga, Energie-Experte der niederländischen ING Bank so: „Negative Preise können dazu beitragen, die Entwicklung hin zu mehr Energie-Speicherung zu beschleunigen. Stellen Sie sich vor, es hätte am vergangenen Wochenende ein gut funktionierendes Speichersystem gegeben. Das hätte die Volatilität deutlich gebremst.“