Das Spiegelei brutzelt nebst Schinken in der Pfanne, der Kaffee kocht. Den dafür notwendigen Strom erzeugen die Studierenden der TU Eindhoven (TU/e) selbst. Was nach einem Experiment im Physik-Grundstudium klingt, ist tatsächlich viel anspruchsvoller. Anstelle eines Windrads, einer Photovoltaikanlage oder einer Dampfturbine verwenden sie Eisenpulver zur Erzeugung von Dampf und Strom. Das Verfahren haben sie selbst entwickelt, es ist nach eigener Aussage weltweit einzigartig.
Der Energieträger der Zukunft muss mehr können. Er muss viel Energie liefern, weltweit verfügbar sein und an bestehende Infrastruktur anknüpfen. Eisenpulver bietet all das. Tim Spee, Leiter des Forschungsprojekts Metal Power
22 Studierende der niederländischen Universität arbeiten in dem Projekt zusammen, sie bilden das Team SOLID. Der Name leitet sich aus dem gemeinsamen Ziel ab: Feste Energieträger zu erforschen und für die Industrie nutzbar zu machen.
„Wir erforschen Eisenpulver, weil wir unbedingt einen nachhaltigen Energieträger brauchen, der kein CO2 erzeugt“, sagt Wies Ruyters, Studentin im Team SOLID. Ihr Kollege Tim Spee, Leiter des Forschungsprojekts Metal Power, ergänzt: „Der Energieträger der Zukunft muss noch mehr können. Er muss viel Energie liefern, weltweit verfügbar sein und an bestehende Infrastruktur anknüpfen. Eisenpulver bietet all das.“
Die Technologie steckt allerdings noch in den Kinderschuhen: Zurzeit erzeugt sie in einem Durchlauf 20 Kilowatt (kW) Leistung, so viel wie ein Haushaltsboiler. Für industrielle Anwendungen wären mindestens 80 Megawatt (MW) vonnöten – 4.000 Mal so viel. Im Sommer soll das Verfahren immerhin 100 kW leisten.
„Wir wollen zeigen, dass die Energiewende möglich ist und heutige Energieprobleme überwinden“, bekräftigt Ruyters. Von diesem Optimismus haben sich Unternehmen wie beispielsweise Shell und Uniper anstecken lassen. Sie sind zwei von insgesamt zehn Förderern des Projekts. Auch die Region Nordbrabant bezuschusst das Projekt, zudem arbeiten die Wissenschaftler zukünftig am örtlichen Innovations- und Forschungszentrum Metalot.
Das Verfahren der Studierenden funktioniert in einem Kreislauf: Zuerst verbrennt Eisenpulver in einer Flamme und setzt Wärme frei. So erzeugter Wasserdampf kann mittels einer Turbine zur Stromerzeugung genutzt werden. Als Nebenprodukte entstehen Eisenoxid – im Volksmund auch Rost genannt – und nichts weiter. Das Eisenpulver verbrennt vollkommen emissionsfrei und kann fast vollständig weiterverwendet werden, wie Spee erläutert: „Im Labor können wir 100 Prozent der entstehenden Asche filtern und weiterverwenden. In praktischer Anwendung können je nach Filtertechnik zukünftig 99,9 Prozent des Eisens mit jedem Durchlauf recycelt werden.“
Der Rost wird wieder zu Eisenpulver umgewandelt. Dazu wird erneuerbar produzierter Wasserstoff verwendet. Bei der sogenannten Reduktion trennt sich der Sauerstoff vom Eisen und geht eine Bindung mit dem Wasserstoff ein, so entsteht Wasser, das abgetrennt wird. Das frisch aufbereitete Eisenpulver steht für den nächsten Durchlauf bereit. In diesem Schritt steckt zudem großes Potenzial für die Energiewende, denn das Eisen fungiert als Energiespeicher.
Das Eisenoxid hat keine Energie mehr in sich, die durch Verbrennen genutzt werden könnte. Die Reduktion hebt das Energieniveau wieder, sodass wieder Wärmeenergie freigesetzt werden kann. Liefern Erneuerbare die dafür notwendige Energie, ist diese im aufbereiteten Eisenpulver gespeichert.
Wird das Eisenpulver in diesem Kreislauf verwendet, erfüllt es alle Kriterien für den Energieträger der Zukunft: Es ist einfach zu lagern, besser zu transportieren als beispielsweise Wasserstoff und knüpft an bestehende Infrastruktur. So könnte es auch als Brennstoff für Kohlekraftwerke dienen und so langfristig die Kohle ersetzen. Zudem ist es eines der weltweit am leichtesten zu beschaffenden Materialien und wird industriell bereits in großem Maßstab aufbereitet, beispielsweise in der Stahlindustrie.
Hat das System im Labor noch beim Kaffeekochen geholfen, so soll es im Sommer Bier brauen. Eine Brauerei aus Brabant will den Dampf nutzen. Nach der Demonstration wird das Team SOLID mit neuen Studenten besetzt, die mit der gleichen wissenschaftlichen Motivation an die weitere Entwicklungen gehen.
Der nächste Schritt ist eine Anlage mit einer Leistung von einem Megawatt. Der Weg zu einer Leistung von 80 MW ist also noch lang, Spee aber bleibt zuversichtlich: „Es ist unerheblich, in welcher Größe oder in welcher Art die Technologie verwendet wird. Es gibt so viele Möglichkeiten, da bin ich mir sicher, dass Eisenpulver irgendwo dabei helfen wird, CO2-Emissionen zu reduzieren.“