Um die Energiewende in ihrer Branche macht sich Marie-Luise Wolff, Präsidentin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), keine Sorgen: „Die Wende läuft. Wir haben zum fünften Mal in Folge die CO2-Werte gesenkt“, unterstreicht die Präsidentin des BDEW in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung (Montagsausgabe). Weniger rosig sehe es hingegen in anderen Bereichen aus. Dies gelte sowohl für den Verkehr, die Industrie, den Gebäudesektor und die Landwirtschaft. Das Fazit der ehemaligen E.ON-Managerin: „Die schönste Energiewende nutzt nichts, wenn wir da nicht vorankommen.“
Einen wichtigen Grund für die schleppende Entwicklung sieht Wolff in der Politik. Diese drohe, „die Energiewende zu verzaudern“. So gäbe es immer noch keine konkreten Gesetze, die die Ergebnisse der Kohlekommission umsetzten. Der Windkraft ginge die Puste aus, weil die Politik unbedingt Bürgerwindparks bevorzugen wollte. Diese würden wegen fehlender Genehmigungen aber häufig überhaupt nicht gebaut. In Bayern haben die beschlossenen Abstandsregeln für Windräder den Ausbau nach ihren Worten völlig abgewürgt. Vor ähnlichen Problemen stünde die Photovoltaik: „Die ist hochspannend, weil die Preise immer weiter fallen. Aber von Autobahnen und Gleisen müssen wir Abstände halten, die vieles blockieren.“ Auf die Frage nach dem Hintergrund dieser Regelung antwortet Wolff: „Das fragen wir uns auch. Technisch lässt es sich nicht erklären.“ Es zeige aber, wie viele Steine der Energiewende, die angeblich alle wollten, in den Weg gerollt würden.
Wolff, die den BDEW seit genau einem Jahr leitet, ergreift deutlich Partei für eine CO2-Bepreisung. „Ohne diese wird es uns nicht gelingen, den Klimaschäden einen Preis zu geben, auch im Verkehr und bei der Wärme.“ Sie zeigt sich überzeugt, dass ein wirkliches Umsteuern nur gelingen könne, wenn ökologisch Schädliches verteuert, Sinnvolles aber verbilligt werde. Die BDEW-Chefin gibt zu, dass Klimaschutz nicht billig sei. Aber: „Die andere Frage ist: Was kostet es, wenn wir nichts tun? Denn das wird teuer.“ Wolff, die seit 2013 den Darmstädter Energieanbieter Entega führt, spricht sich offen für Verhaltensänderungen an: „Eine Verkehrswende werden wir nicht schaffen mit SUV, die Strom statt Diesel tanken. Für drei Tonnen schwere Autos brauchen wir so viele Windräder, das macht dann auch ökologisch keinen Sinn mehr.“ Vielmehr brauche es Alternativen. Marie-Luise Wolff schlägt in diesem Zusammenhang besser ausgebauten und günstigeren ÖPNV vor: „Jahrestickets könnten 365 Euro, als einen Euro am Tag, kosten.“ Auch der ländliche Raum müsse, so die Managerin, mit „der Verkettung von sauberen Angeboten“ angebunden werden.
Entwarnung gibt Wolff in Sachen Strombedarf der E-Autos. „Die Energie ist im Prinzip da. Das können wir auch in den Netzen ohne große Zubauten verkraften.“ Und schließlich würden die Batterien der Elektro-Flitzer in Zukunft sogar helfen, die Netze zu stabilisieren: „Virtuelle Kraftwerke verknüpfen viele kleine Erzeugungsstellen, Solarzellen, Blockheizkraftwerke, Speicher von Autos – und vermarkten dann den Strom. Stabilen Strom.“