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Interview Energiehandel
„Bei uns ist Algo-Trading nicht Zukunft, sondern Gegenwart“
Pioniergeist ist Trumpf bei den Energiehändlern von RWE Supply & Trading. Roman Steden und Hendrik Vollrath vom Automated Trading Desk im Interview

An Finanzbörsen gehören Algorithmen längst zum Alltag. Mittlerweile etablieren sie sich auch an Energie- und Rohstoffbörsen. Roman Steden und Hendrik Vollrath haben bereits 2015 den automatisierten und systematisierten Handel bei RWE Supply & Trading aufgebaut. Sie gehörten damals zu den ersten Händlern an der EPEX Spot Börse, die Strom mithilfe eigener Programme an- und verkauft haben, kontinuierlich und 24 Stunden täglich. Im Interview mit dem en:former erklären die Algorithmic Power Trader, wie Unternehmergeist bei RWE gelebt wird, wem das Algo-Trading nützt und warum es Menschen nicht überflüssig macht.

en:former: Beim Algo-Trading handeln Computerprogramme selbständig mit Wertpapieren, Devisen oder Gütern. Bei RWE Supply & Trading lassen Sie Algorithmen Strom an Intraday-Spotmärkten handeln. Was haben Sie selbst dann noch zu tun?

Antwort

Roman Steden: Die Algorithmen machen das Trading einfacher, sicherer und vor allem deutlich effizienter. Die Flexibilität unserer Kraftwerke oder auch Ausfälle bewirtschaften wir systematisch und marktrational, ebenso unsere zahlreichen Kundenpositionen. Unter Beschäftigungsmangel leiden wir nicht. Wir arbeiten jeden Tag daran, die Algorithmen zu verbessern und an sich schnell ändernde Marktbedingungen anzupassen. Wir analysieren kontinuierlich das Marktgeschehen sowie unsere eigene Handelsperformance und leiten daraus Ideen ab. Gemeinsam entwickeln wir immer wieder neue Analysetools und Handelsstrategien, mit denen die Software dann bestückt werden muss.

Hendrik Vollrath: Algorithmen können Unmengen von Daten auswerten in einer Geschwindigkeit, von der Menschen nur träumen können. Das kennen wir aus vielen Bereichen, aber im Trading ist das besonders hilfreich, weil die Datensätze sich in Sekundenbruchteilen ändern. Dennoch müssen Menschen die Performance der Software überprüfen, um die Programme gegebenenfalls anzupassen.

Das klingt ein wenig, als stecke die Technologie noch in den Kinderschuhen. Ist das nicht riskant?

Antwort

Vollrath: Tatsächlich hat die Automatisierung von Anfang an nicht nur unser Handelsergebnis verbessert, sondern unseren Handel insgesamt sicherer gemacht. Algo-Trading ist an den großen Finanzhandelsplätzen bereits seit vielen Jahren etabliert. Und als wir Ende 2014 von unseren IT-Kollegen das Signal bekamen, dass dies nun auch an Strombörsen technisch möglich sei, haben wir unser Management vom Potenzial der neuen Technologie für den Kurzfristhandel überzeugt. Inzwischen sind wir seit fünf Jahren im Geschäft und gehören sicherlich zu den erfahrensten Algo-Tradern im Energiesektor. Im Zeitalter der Digitalisierung und insbesondere in effizienten Märkten mit hochprofessionellen Marktteilnehmern ist jedoch wichtiger denn je, unsere eigenen Ansätze kontinuierlich zu hinterfragen.

Steden: Wahrscheinlich ist es auch kein Zufall, dass wir beide vorher als Analysten im Risikomanagement gearbeitet haben. Insofern sind wir recht gut in der Lage, die Risiken einzuschätzen und auch die Potenziale zu erkennen, Risiken mithilfe von Algorithmen zu minimieren. Gleichzeitig wollen wir mögliche Ineffizienzen und Verbesserungspotenziale aufspüren – dafür betreiben wir spezielle Mechanismen, die die Algorithmen fortlaufend bewerten.

Haben Sie mit diesem Argument Ihre Chefs überzeugt?

Antwort

Vollrath: Natürlich muss man die Chancen einer neuen Entwicklung aufzeigen, um seine Chefs zu überzeugen. Aber wir pflegen bei RWE Supply & Trading traditionell einen ausgeprägten Unternehmergeist – nicht nur in der Geschäftsführung, sondern auch innerhalb der Abteilungen.

Steden: Ein Faktor war sicher auch, dass wir beide schon lange dafür brannten, systematische und algorithmische Handelsstrategien zu entwickeln. Deshalb haben wir wohl auch als Team zusammengefunden und waren in der Lage, das Management mit unserem Pioniergeist zu überzeugen. Der Vertrauensvorschuss durch unsere Vorgesetzten war ein echter Glücksfall für uns. Und wir besitzen auch heute noch den Mut, Veränderungsprozesse aktiv anzugehen und gleichzeitig mögliche Risiken im Blick zu behalten. Uns ist bewusst, dass nicht immer alles sofort funktioniert. In unserem agilen Umfeld werden Lösungen schrittweise erreicht.

Ein Glücksfall für Sie und für RWE Supply & Trading. Denn mittlerweile ist Ihr Geschäftsbereich, das Automated Trading, gut etabliert. Was haben Sie noch vor?

Antwort

Steden: Wie gesagt, wir arbeiten weiterhin aktiv an Verbesserungen, haben nach wie vor den Mut, Neuland zu betreten und aus Fehlern zu lernen. Wir folgen deshalb nicht jedem High-Tech-Start-up, das mit neuen Algorithmen das schnelle Geld verspricht, sondern nutzen unseren Erfahrungsschatz, den wir uns erarbeitet haben: Wir gehen gewissenhaft mit dem Risikokapital um, das man uns anvertraut hat. Wir führen unseren pragmatischen Ansatz fort, mit dem wir uns – gemeinsam mit unserer IT – bis heute ein ideales Umfeld geschaffen haben. So haben wir uns im Markt einen spürbaren Vorsprung erarbeitet. Den wollen wir halten und unsere Expansion in neue Märkte und Produkte weiter vorantreiben.

Stichwort „Fehler machen“: Welche Fehler begehen Algorithmen denn?

Antwort

Vollrath: Die Algorithmen arbeiten tatsächlich fehlerfrei. Das liegt in erster Linie daran, dass sie mit einem besonderen Fokus auf Sicherheit und Stabilität programmiert sind. Vor allem können sie nicht die vielen menschlichen Fehler begehen: vom schnöden Zahlendreher bis hin zu psychologisch komplexen Fehlentscheidungen, die sich bei klassischen Händlern aus Fleisch und Blut trotz aller Expertise nicht gänzlich vermeiden lassen. Wir gehen sogar einen Schritt weiter und arbeiten mit ausgefeilten Sicherheitssystemen, die die Entscheidungen der Algorithmen kontinuierlich überwachen und einer Reihe von Sicherheitschecks unterziehen. Nur wenn diese Checks erfolgreich durchlaufen sind, werden die algorithmischen Gebote an die Handelsplattform der Strombörse übermittelt.

Angenommen alles läuft rund: Commodity-Trading ist kein Selbstzweck. Sie werden dafür bezahlt, dass Sie Erzeuger und Kunden zusammenzubringen, damit Energie dort landet, wo sie gebraucht wird. Inwiefern können Algorithmen helfen, diese Aufgabe besser zu erfüllen?

Antwort

Steden: Algorithmen können viel schneller auf neue Marktgegebenheiten reagieren als Menschen. Das ist heute wichtiger denn je, weil sich die Angebotssituation durch die volatilen Stromquellen Wind und Sonne ständig ändert. Das Algo-Trading ist also vor allem im Kurzfristhandel ein entscheidender Vorteil für alle Beteiligten: Effiziente Märkte bieten einerseits natürlich gute Liquidität zum Handeln, anderseits ist die eigentliche Optimierung deutlich anspruchsvoller geworden als noch vor einigen Jahren. Kleine wie größere Volumina optimal zu bewirtschaften und die sich kontinuierlich ändernde Position korrekt beziffern zu können, ist unsere Kernkompetenz. Davon profitieren unsere konventionellen Kraftwerke ebenso wie die stetig steigende Vermarktung von Erneuerbarer Energie.

Vollrath: Besonders freuen wir uns über die innovativen Services, die wir dank unseres hohen Automatisierungsgrades für Drittkunden anbieten können. Das Angebot an Liquidität ist an den Kurzfristmärkten durch den allgemeinen Trend zum Algo-Trading inzwischen sehr groß. Wir haben eine breites Angebot an automatisierten Lösungen für Kunden entwickelt, mit denen diese einfach und effizient auf diese Liquidität zugreifen können. Mit anderen Worten: Produzenten bekommen mehr Geld, Verbraucher wie Groß- und Industriekunden sowie Direktvermarkter zahlen weniger für ihren Strom.

Expertenvortrag auf der e-world

Auch auf der diesjährigen Ausgabe der e-world sind Roman Steden und Hendrik Vollrath anzutreffen. Im Rahmen des Expertenforums „It’s all about Precision, Automation and Predictions for Energy Trading”, referieren die Power Trader am Donnerstag, den 13.02.2020 um 12 Uhr zum Thema „Automated Trading @ RWE – Five years into our journey“ im Trading and Finance Forum in Halle 1.

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