Weltweit zieht die Stromnachfrage nach einem vorübergehenden Rückgang während der Covid-19 Pandemie wieder an. Die Internationale Energieagentur (IEA) hat für 2021 eine Steigerung des weltweiten Kohlestromverbrauchs von rund neun Prozent auf 10.350 Terrawattstunden (TWh) berechnet. Das ist ein neues Allzeithoch und es zerschlägt die Hoffnungen, dass die globale Kohlenutzung bereits ihren Höhepunkt überschritten habe. Gleichzeitig unterstreichen die Zahlen, wie wichtig der beschleunigte Ausbau von Erneuerbaren Energien ist, um die Netto-Null-Ziele beim CO2-Verbrauch zu erreichen, so die Agentur.
Dabei ging der weltweite Kohleverbrauch zuletzt zurück: Nach der Finanzkrise 2008 und in den Jahren 2019 und 2020, beide Male vor allem als Folge der starken Verlangsamung der Weltwirtschaft. Allerdings sank der Kohleverbrauch auch in den Jahren von 2014 bis 2016, eine Entwicklung, die darauf zurückzuführen ist, Kohle durch weniger umweltbelastende Formen der Stromerzeugung, insbesondere Erneuerbare Energien, zu ersetzen.
Blickt man genauer auf den globalen Kohleverbrauch wird deutlich, dass Strukturwandel und Energiewende nicht überall gleichermaßen gelebt werden: So hat die EU ihren Verbrauch von Kohlestrom von 17,4 Exajouls (EJ) im Jahr 2007 nahezu halbiert: 2020 waren es lediglich noch 9,4 EJ. Eine Entwicklung, die sich auch nicht durch die wirtschaftliche Erholung nach der Finanzkrise wieder geändert hat. Haupttreiber für diesen Rückgang waren der von der EU politisch gesteuerte Kohleausstieg, die Unterstützung für Erneuerbare Energien und die in letzter Zeit hohen CO2-Preise.
Ungünstige Wetterbedingungen, die Begrenzung der erneuerbaren Energieerzeugung und die steigende Nachfrage nach Strom und Wärme in Verbindung mit hohen Gaspreisen führten jedoch 2021 zum ersten Mal seit Jahren wieder zu einem Anstieg der Kohlenutzung.
Auch der Kohleverbrauch in Nordamerika hat eine ähnliche Entwicklung durchlaufen und fiel von 24,6 EJ im Jahr 2007 auf 9,9 EJ im Jahr 2020. Die Ursachen: Die zunehmende Nutzung von Erneuerbaren Energien und eine umfassende Umstellung von alten Kohlekraftwerken auf Anlagen, die mit günstigerem Erdgas betrieben werden. Allerdings steigerte sich auch Nordamerika der Kohleverbrauch im vergangenen Jahr, als die Stromnachfrage die Kapazitäten des wachsenden kohlenstoffarmen Teils des US-Energiesystems überforderte.
In beiden Regionen, Europa und Nordamerika, wird allerdings damit gerechnet, dass diese Erhöhung des Kohleverbrauchs nur von kurzer Dauer sein wird. Die Prognosen der IEA berechnen einen Rückgang von 30 beziehungsweise 21 Prozent für den Zeitraum von 2021 bis 2024.
Ganz anders sieht es in Asien aus: China und Indien, die beiden bevölkerungsreichsten Länder der Welt, haben deutlich jüngere Kohlekraftwerksflotten und sind deutlich abhängiger von Kohle als primären Energieträger. Selbst mit einem schnellen Ausbau regenerativer Energiekapazitäten haben diese Länder kaum Alternativen zur Kohle, um den steigenden Energiebedarf ihrer Bevölkerung zu decken – obwohl der Verbrauch pro Kopf viel niedriger ist als beispielsweise in den USA oder in Europa.
Darüber hinaus wächst die Nachfrage nach Strom in den Entwicklungsländern schneller als in den Industrieländern. Das führt zu einer doppelten Herausforderung: Das bestehende Energiesystem zu dekarbonisieren und gleichzeitig die zusätzliche Nachfrage mit kohlenstoffarmen Energiequellen zu decken.
Deshalb prognostiziert die IEA für die asiatische Welt einen Anstieg des Kohleverbrauchs: in China um 4,1 Prozent, in Indien um elf und in Südostasien um zwölf im Zeitraum von 2021 bis 2024. Das wird den Rückgang in anderen Regionen nicht nur ausgleichen, sondern den weltweiten Kohleverbrauch zu neuen Allzeithochs treiben, so die IEA.
Im Stromsektor wird allerdings erwartet, dass kohlenstoffarme Energiequellen den größten, aber nicht den gesamten zusätzlichen Strombedarf decken werden. Die Lücken werden dann mit Kohle und Gas gefüllt werden müssen.
Der Anstieg des Kohleverbrauchs wird zu einem wachsenden Risiko, sagt die IEA. Investitionen in fossile Brennstoffe verlangsamen sich, während saubere Energietechnologien nicht schnell genug expandieren. Probleme für die Energiesicherheit nehmen deshalb zu. Im Jahr 2021 bedeutete das auf der ganzen Welt einen Rückgriff auf Kohle, um die Lichter an, die Menschen warm und die Industrie am Laufen zu halten.
Doch das habe das Erreichen der globalen Klimaziele in weite Ferne gerückt, so die Agentur, und zeige, dass die Anstrengungen intensiviert werden müssen, Kapazität für kohlenstoffarme Energien auszubauen. Der Anstieg im Kohleverbrauch über die nächsten drei Jahre bedeute, „eine wachsende Kluft zwischen den politischen Ambitionen auf der einen und der Realität der derzeitigen Energiesysteme auf der anderen Seite“, zeigt sich die IEA besorgt.