Die Windindustrie in Deutschland befindet sich nach dem starken Einbruch 2019 und einem schwachen Jahr 2020 auf einem Erholungskurs. Laut einer Auswertung der Fachagentur Windenergie an Land (FA Wind) ist sowohl die Anzahl der neuinstallierten Anlagen als auch die der Genehmigung im ersten Halbjahr 2021 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum deutlich gestiegen. So sind insgesamt 240 neue Windräder mit einer Gesamtleistung von 969 Megawatt (MW) in Betrieb gegangen. 336 weitere mit zusammen 1.560 MW wurden genehmigt. Laut dem Online-Magazin „neue energie“ handelt es sich um die höchste Zahl an neu erteilten Bewilligungen in einem ersten Halbjahr seit 2016. Damals wurde mit 715 genehmigten Anlagen ein Rekord aufgestellt.
„Die aktuelle Entwicklung ist erfreulich, aber bei weitem nicht ausreichend für das, was die Energiewende und der Klimaschutz erfordern“, erklärte FA Wind-Experte Jürgen Quentin gegenüber dem Online-Magazin. So errechnet eine Studie des Thinktanks Agora Energiewende für das Jahr 2030 einen Bedarf an installierter Leistung von 80 Gigawatt Windenergie an Land. „Um dieses erreichen zu können, bräuchten wir Genehmigungen in einer Größenordnung von 6.000 MW pro Jahr, um jährlich wenigstens 5.000 MW Nettozubau gewährleisten zu können“, so Quentin weiter. Aufs ganze Jahr gerechnet, müssten also dreimal mehr Windräder als aktuell gebaut werden.
Auch wenn die Neuinstallationen in den ersten sechs Monaten des Jahres deutlich angestiegen sind (+ 65 Prozent gegenüber 1. Halbjahr 2020), liegen sie noch deutlich unter dem Durchschnitt der vergangenen Jahre (von 2010 bis 2018 gingen durchschnittlich 1.343 MW Leistung im ersten Halbjahr in Betrieb). Im ersten Halbjahr wurden außerdem 112 Windräder stillgelegt. Das bedeutet, dass der Nettozuwachs der Onshore-Windenergie in Deutschland bei 848 MW lag.
In 13 von 16 Bundesländern gingen neue Windräder in Betrieb. Die Zahlen zeigen ein deutliches Nord-Süd-Gefälle. Die meisten Windräder wurden in Niedersachsen (48 WEA, 211 MW), Brandenburg (40 WEA, 164,2 MW), NRW (40 WEA, 154 MW) und Schleswig-Holstein (39 WEA 152,5 MW) installiert. Von den südlichen Bundesländern konnte nur Baden-Württemberg das Ausbautempo beschleunigen. Schlusslicht ist Bayern mit sieben Windrädern mit insgesamt 23,3 MW Leistungen.
Auch bei der Genehmigung von 336 Windrädern (1.560 MW) wurde ein deutlicher Fortschritt im Vergleich zum Vorjahreszeitraum erzielt – damals wurden 295 Windräder bewilligt (1.221 MW). Die mit Abstand meiste Windenergieleistung wurde in Schleswig-Holstein genehmigt (96 WEA, 448 MW), gefolgt von Niedersachsen (67 WEA, 317 MW) und Nordrhein-Westfalen (49 WEA, 210 MW). Zu den Schlusslichtern gehören wiederum Bayern (5 WEA, 20,5 MW), das Saarland (1 WEA, 3,5 MW) und die drei Stadtstaaten, in denen es keine Genehmigungen gab. Das Nord-Süd-Gefälle bei der Windenergie wird sich also in Zukunft noch weiter verschärfen.
Ein weiterer Trend: Die Windräder werden immer leistungsstärker, so steigt die durchschnittliche Leistung der genehmigten Windräder kontinuierlich an. Lag sie 2016 bei drei MW, ist sie im ersten Halbjahr 2021 auf 4,6 MW gestiegen.
In den vergangenen Wochen hat es neue Entwicklungen im Bezug zu Offshore-Wind in Deutschland gegeben. Im August hat der Bund die planungsrechtliche Grundlage für den geplanten weiteren Ausbau der Windenergie auf See geschaffen. Das Bundeskabinett hat dazu eine Verordnung über die Raumordnung in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone in der Nordsee und in der Ostsee beschlossen
Laut Verordnung unterstützt der neue Raumordnungsplan eine „naturverträgliche nachhaltige Entwicklung des Meeresraums“ und ist unverzichtbar für den Klimaschutz, indem er Flächen für den Ausbau der Offshore-Windenergie sichert. Die Bundesregierung will Windenergie auf See sowie an Land deutlich ausbauen, um die Klimaziele zu erreichen. Der Plan koordiniere die verschiedenen Nutzungen und Funktionen der ausschließlichen Wirtschaftszone und reserviere Flächen für die einzelnen Nutzungen und Funktionen. Dadurch sollten Konflikte verringert werden.
Bildquelle: RWE AG