Elektromobilität boomt – auch im ÖPNV. 2021 waren fast 22 Prozent der zugelassenen Linienbusse auf dem europäischen Markt elektrisch oder teilelektrisch angetrieben, wie aus Zahlen der Zulassungsbehörden hervorgeht. Doch was passiert, wenn die Antriebsbatterien von Bussen das Ende ihrer Laufleistung erreicht haben? Im Rahmen einer Kooperation wollen der niederländische Bushersteller VDL Bus & Coach und das Energieunternehmen RWE eine nachhaltige Antwort auf diese Frage geben: Beim Projekt „Anubis“ sollen ausgediente E-Busbatterien als Energiespeicher fungieren.
Auf dem Gelände eines ehemaligen RWE-Kraftwerks in Moerdijk in den Niederlanden, südlich von Rotterdam, sollen dazu 43 ausgediente Lithium-Ionen-Batterien aus VDL-Bussen zu einem Batteriespeicher zusammengeschlossen werden. Eine Batterie-Einheit besteht aus neun Batterien mit einem Gewicht von je 220 Kilogramm. Die Busbatterien werden in quadratischen Containern untergebracht, die über Wechselrichter und Transformatoren direkt an das Stromnetz angeschlossen werden. Ausgehend von der ursprünglichen Kapazität der Batterien, hat der Speicher eine Kapazität von bis zu 7,6 Megawattstunden (MWh).
Allerdings sind die Akkus bereits seit 2016 in Gebrauch – da lieferte VDL die E-Busse aus – und verfügen nicht mehr über volle Leistungsfähigkeit. „Wir gehen davon aus, dass die verbleibende Kapazität bei etwa 80 Prozent liegen wird“, sagt Karolina van Hulst, Battery Project Developer bei RWE Supply & Trading und Projektleiterin für das Vorhaben.
Mit dem Projekt wollen die Unternehmen weitere Erfahrungen mit dem Betrieb sogenannter „Second-Life-Batteriespeicher“ sammeln. Denn die Technik, die Antriebsbatterien buchstäblich ein „zweites Leben“ gibt, ist vielversprechend: „In einem stark wachsenden Markt wie dem für Batteriespeicher ermöglichen uns Second-Life-Projekte, kostengünstige Ressourcen effizient zu nutzen“, erklärt Marc Salossnick, Project Execution Manager.
Im Zuge der Energiewende wächst die Nachfrage nach Speicherlösungen stetig. Weil die Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien wie Windkraft und Solar natürlichen Schwankungen unterliegt, werden Energiespeicher benötigt, die diese ausgleichen können. Second-Life-Batterien könnten dabei eine besonders nachhaltige Lösung darstellen.
Denn solche innovativen Speicher helfen dabei, den CO2-Fußabdruck der Batterien weiter zu verkleinern, weil diese erst später recycelt werden müssen (wenn verbesserte Methoden dafür zur Verfügung stehen). Hinzu kommt, dass keine neuen Batterien für den Speicher angeschafft werden müssen.
Karolina van Hulst übersetzt das in Zahlen: „Da wir existierende Batterien länger nutzen und keine neuen Batterien für den Energiespeicher anschaffen müssen, sparen wir rund 2.000 Tonnen CO2.“
Die niederländische Regierung unterstützt das Vorhaben im Rahmen der „Demonstration Energy Innovation“-Förderung (DEI+). Damit werden unter anderem Konzepte gefördert, die zu einer nachhaltigen Energieversorgung und Kreislaufwirtschaft beitragen – einem wichtigen Ziel von Anubis. „In dem Projekt testen wir, wie sich die Lebensdauer von Antriebsbatterien verlängern lässt, bevor sie recycelt werden“, sagt Karolina van Hulst.
„In Europa sind wir einer der Vorreiter im Bereich des elektrischen öffentlichen Nahverkehrs. Die Bereitstellung einer nachhaltigen Kreislauflösung für unsere Batterien ist Teil unserer Strategie. Ihr Einsatz erfordert jedoch noch viele neue Erkenntnisse und Entwicklungen“, sagt Paul van Vuuren, CEO von VDL Bus & Coach, zu den Hintergründen des Projekts. Die Busse, aus denen die Batterien für den Speicher stammen, erhalten zurzeit leistungsstärkere Akkus, die bisher eingesetzten Batterien verfügen aber noch über ausreichend Kapazität, um sie weiter zu nutzen.
Die Unternehmen möchten mit dem Wissen aus dem Demonstrationsprojekt die Grundlage für weitere Second-Life-Projekte in kommerziellem Maßstab schaffen. Denn es ist zu erwarten, dass mit dem Ausbau der E-Mobilität in Zukunft große Mengen an Antriebsbatterien zur Verfügung stehen werden, die in Speichern ein zweites Leben bekommen können. VDL steuert dabei das Wissen rund um die Batterien bei, während RWE Erfahrungen aus anderen, ähnlichen Projekten einbringt – das Unternehmen betreibt bereits in Herdecke in Deutschland einen Batteriespeicher mit ausgedienten E-Auto-Batterien (der en:former berichtete).
„Der Forschungs- und Entwicklungsaspekt eines solchen Projekts ist eine großartige Gelegenheit für uns, unseren Horizont für verschiedene Technologien zu erweitern. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir eine Lösung liefern können, auf die wir stolz sein können, so wie wir es bereits bei anderen Projekten, wie dem neu in Betrieb genommenen Herdecke II-Speicherwerk, getan haben“, sagt Marc Salossnick.
Der Second-Life-Speicher in Moerdijk nutzt dabei schon vorhandene Infrastruktur sinnvoll: Die Container mit den Batterien werden in einem ehemaligen Speisewasser-Gebäude des Kraftwerks untergebracht und die vorhandene elektrische Infrastruktur wird, soweit wie möglich, verwendet.