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Bedarf an fossilen Brennstoffen erreicht Höchststand wohl 2027
Dynamik der Energiewende nach Covid-19: Gastkommentar von Ole Rolser und Raffael Winter zur McKinsey-Studie „Global Energy Perspective 2021“

Der globale Bedarf an fossilen Brennstoffen wird voraussichtlich im Jahr 2027 seinen Höchststand erreichen – bei Öl in 2029, bei Gas im Jahr 2037. Das Nachfrage-Niveau wird dabei einer aktuellen McKinsey-Studie zufolge auch von Covid-19 beeinflusst.

Die Global Energy Perspective 2021 zeigt: Die Nachfrage nach Kohle hat bereits ihren Höchststand erreicht; Öl und Gas werden bald folgen – ein Rückgang ist jeweils ab etwa 2029 und 2037 zu erwarten. Die Pandemie hat zu einer deutlichen Reduzierung der Energienachfrage geführt. Die Erholung wird ein bis vier Jahre dauern – wobei Strom- und Gasnachfrage schneller wieder auf das ursprüngliche Niveau zurückkehren als die Nachfrage nach Öl.

Keine dauerhaften Effekte von Covid-19

Der Bedarf an fossilen Brennstoffen wird allerdings nicht wieder zur Wachstumskurve aus der Zeit vor der Pandemie aufschließen – es gibt keinen echten „Nachholeffekt“ für den größten Teil der Energienachfrage. Auf lange Sicht ist der Effekt von Covid-19-bezogenen Verhaltensänderungen verglichen mit bereits laufenden, langfristigen Veränderungen wie dem zurückgehenden Besitz eigener Autos, höherer Kraftstoffeffizienz von Motoren oder dem Trend zu Elektrofahrzeugen eher gering. Unseren Berechnungen zufolge wird der Effekt dieser Veränderungen bis 2050 drei- bis neunmal höher sein als die Auswirkungen der Pandemie.

Zweifellos hat die Pandemie den Energiesektor erschüttert – die maßgebliche Entwicklung, die das gesamte Jahrhundert prägt, bleibt aber weiterhin die fortschreitende Umstellung auf CO2-ärmere Energiesysteme.

Erneuerbare dominieren Stromproduktion

Der Anteil von Strom im Energiemix wird bis 2050 signifikant steigen und damit wohl allein das gesamte Nachfragewachstum der nächsten 30 Jahre versorgen, während sich fossile Brennstoffe etwa auf heutigem Niveau halten. Dieses Wachstum entspricht einer Verdopplung der Stromerzeugung in den kommenden 30 Jahren. In unserem Reference Case spielen fossile Brennstoffe allerdings auch in absehbarer Zukunft eine wesentliche Rolle.

Energiesysteme auf der ganzen Welt werden immer schneller auf Erneuerbare Energien umsteigen. Dank der immensen Verbesserungen und Kostenrückgänge, angeschoben auch von der Energiewende in Deutschland, können Erneuerbare in vielen Ländern schon heute mit fossilen Brennstoffen konkurrieren. Konkret heißt das vielerorts, dass der Neubau von Wind- oder Solar-Anlagen günstiger ist als der Betrieb bestehender fossiler Kraftwerke.

Als Folge dessen erwarten wir in unserem Reference Case den Bau von etwa 4.000 Gigawatt (GW) Solarkapazität bis 2035 – grob dem achtfachen der heutigen Kapazität. Die Stromerzeugung im Jahr 2050 in einem solchen Szenario würde zu rund 75 Prozent aus Erneuerbaren Energien stammen. Zu diesem Zeitpunkt würden dann bereits etwa 15 Prozent der gesamten globalen Stromproduktion für die Herstellung grünen Wasserstoffs genutzt. Gleichzeitig würden in diesem Reference Case fossile Brennstoffe jedoch noch mehr als die Hälfte des gesamten globalen Energiebedarfs abdecken.

Das Ergebnis: Obwohl der frühere Peak fossiler Brennstoffe in 2027 eine deutliche Reduktion der bisher erwarteten CO2-Emissionen einer wachsenden Weltwirtschaft bringt, wird das 1,5-Grad-Ziel weit verfehlt und das entsprechende CO2-Budget bis zum Jahr 2100 schon Anfang der 2030er Jahre aufgebraucht sein.

Staatliche Eingriffe sind nötig

Um einen gravierenden Klimawandel zu verhindern, müsste also noch sehr viel mehr getan werden als sich bisher abzeichnet. Laut unseren Schätzungen müssten die jährlichen Emissionen im Jahr 2030 circa 50 Prozent und bis 2050 etwa 85 Prozent niedriger sein, als die aktuelle Dynamik im Reference Case erwarten lässt.

Die Bedeutung von Regulierung und Richtlinien hat im vergangenen Jahr zugenommen. Trotz eines zunehmenden Trends Richtung Dekarbonisierung ist der Schritt, anspruchsvolle Ziele mit konkreten Maßnahmen zu untermauern, für viele Länder noch zu gehen. Zusätzlich dazu wird auch die konkrete Ausgestaltung der Covid-19 Rettungspakete angesichts ihres beispiellosen Umfangs eine richtungsweisende Bedeutung für die Entwicklung der Energisysteme der kommenden Jahrzehnte haben.

Die Erkenntnisse basieren auf vier Szenarios, die von McKinsey entwickelt wurden:

1,5ºC-Scenario

McKinseys Top-down-Entwurf eines konkreten Pfades, der die globale Erwärmung auf 1,5ºC begrenzt.  Sicht auf alle wesentlichen Sektoren und Energieträger unter Berücksichtigung der ökonomischen und technischen Machbarkeit.

Accelerated Transition

Progressive Perspektive, wie eine „etwas schnellere Energiewende“ als im Reference Case zum Ergebnis hat; beispielsweise getrieben von der Reaktion von Regierungen auf Covid-19 und von Verhaltensänderungen im „Next Normal“. Dieses Szenario modelliert den Effekt von 10 Veränderungen, deren Beschleunigung am ehesten erwartbar ist, z.B. eine noch schneller wachsende Nutzung von Elektrofahrzeugen, Recycling, Erneuerbaren Energien und Wasserstoff.

Reference Case

McKinseys Referenz-Szenario. Eine Konsens-Sicht basierend auf einer Fortschreibung bestehender Trends und sich abzeichnender Entwicklungen. Dieses Szenario spiegelt unsere Erwartungen hinsichtlich der möglichen Entwicklung derzeitiger Technologien wider und berücksichtigt die aktuellen Richtlinien und eine Hochrechnung der wichtigsten Trends in diesem Bereich.

Delayed Transition

Nach der Pandemie wird der gesellschaftliche Fokus auf wirtschaftlicher Erholung liegen, die Energiewende verläuft langsamer als bisher, es gibt weniger finanzielle Anreize für Dekarbonisierungstechnologien, Kosten sinken weniger schnell und niedrige Preise für fossile Brennstoffe verzögern die Kostenparität.

Die Publikation Global Energy Perspective 2021 liefert konkrete Ausblicke je Energieträger, z.B. Erdgas, Öl, Kohle und Wasserstoff. Daneben finden sich auch eine Sicht zu CO2-Emissionen und Details zu McKinseys 1,5ºC-Scenario sowie einen Ausblick zu Investitionen und Geldströmen für den Energiesektor. Damit bietet die Global Energy Perspective 2021 beine gute Basis für die Diskussion von Implikationen für Wirtschaft, Investoren und Gesetzgeber.

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