Im Kraftwerk Amer direkt an der Amer hat sich einiges verändert: Nicht nur Steinkohle wird hier angeliefert. Seit ein paar Monaten legen auch Frachtschiffe mit Holzpellets an. Mit einer Art überdimensioniertem Staubsauger wird das zu Stücken gepresste Sägemehl von den Schiffen auf Förderbänder und dann in große Silos transportiert. Zusammen mit Kohle werden die Pellets verheizt, um Strom und Wärme zu erzeugen. Nach einem neunmonatigen Probelauf wird das Kraftwerk in Geertruidenberg im Süden der Niederlande nun dauerhaft mit Biomasse und Steinkohle betrieben: Gut 40 Prozent der eingesetzten Brennstoffe sind Holzreste. 60 Prozent sind Steinkohle.
Der bisherige Umstieg ist erst der Anfang. Vier der fünf niederländischen Kohlekraftwerke planen, im Jahr 2019 neben Steinkohle auch Holzreste und andere Arten von Biomasse zu verbrennen. Und auch die Entwicklung im Kraftwerk Amer wird noch weitergehen. Betreiber RWE beabsichtigt den Holzreste-Anteil auf 80 Prozent im Jahr 2020 zu erhöhen. Bis 2025 soll das Kraftwerk sogar ausschließlich mit Biomasse betrieben werden – nach Regierungsplänen dürfen Kraftwerke dann keine Kohle mehr verfeuern. „Biomasse spielt eine wichtige Rolle bei der Energiewende in den Niederlanden“, erklärt Chris Scheerder, Leiter des Kraftwerkes. „Es ist CO2-neutral und daher unerlässlich, um die ehrgeizigen Klimaziele zu erreichen.“
Durch den Einsatz der Holzpellets in Geertruidenberg werden schon heute jährlich rund 1,4 Millionen Tonnen Kohlendioxid-Emissionen eingespart. Die Biomasse allein produziert Ökostrom für rund 360.000 Haushalte. Das entspricht der Produktion von 200 großen Windkraftanlagen. Zusätzlich versorgt der Block die umliegenden Städte mit Fernwärme.
Die Niederlande setzen verstärkt auf Biomasse, um ihre Klima- und Energieziele zu erreichen. Der Staat hat sich verpflichtet, den CO2-Ausstoß bis zum Jahr 2030 um die Hälfte zu reduzieren, im Vergleich zu 1990. Und bereits bis 2020 verlangt die EU, dass 14 Prozent der Energie von Erneuerbaren stammen. Diese Vorgabe erreichen die Niederlande bisher bei weitem nicht, da der Ausbau regenerativer Energien zu langsam vorangeht.
Biomasse gilt als nachhaltiger – weil nachwachsender – und klimaneutraler Energieträger. Denn bei der Verfeuerung wird genau die Menge CO2 freigesetzt, die die Pflanzen vorher aus der Atmosphäre aufgenommen haben. Wichtig dabei: Biomasse zur Stromerzeugung, die auch aus Mais, Raps und anderen Nahrungspflanzen gewonnen wird, darf nicht in Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion stehen. Und auch der Naturschutz soll nicht darunter leiden. Auch aus diesen Gründen werden Verfahren erforscht, um pflanzliche Stoffe möglichst effizient zu nutzen.
Rund 2.500 Tonnen Pellets werden täglich in dem Kraftwerk in Geertruidenberg verfeuert. Die zusammengepressten Holzreste stammen ursprünglich aus Wäldern in den baltischen Staaten. „Diese Wälder werden zum Beispiel für die Möbelindustrie genutzt, aber wir verwenden nur die Späne. Täten wird das nicht, würden diese Reste einfach auf dem Boden liegen bleiben“, erklärt Kraftwerksleiter Scheerder. Was bei der Herstellung von Möbeln übrigbleibt oder nicht gebraucht wird, wird also zu Pellets gepresst und später verfeuert: Äste, Zweige, zu schiefe Bäume oder einfach Sägespäne. Das Restholz stammt aus einer nachhaltigen Forstwirtschaft, die sich auch um Neupflanzungen kümmert.
Gemessen am Brennwert sind Holzpellets allerdings gut doppelt so teuer wie Steinkohle, obwohl es sich um Holzreste handelt. Der Einsatz von Biomasse in Kraftwerken ist daher nur mithilfe von staatlichen Beihilfen wirtschaftlich. Insgesamt 3,6 Milliarden Euro erhalten die Betreiber der Kraftwerke, verteilt auf die kommenden acht Jahre.
Der Staat fördert die Biomasse, weil sie neben dem Klimaschutz einen weiteren erheblichen Vorteil bietet: Anders als andere regenerative Energieträger kann sie Versorgungssicherheit gewährleisten. „Das Schöne an Biomasse ist, dass man damit immer Energie erzeugen kann“, sagt Taco Douma, Leiter der Sparte Steinkohle-, Gas- und Biomassekraftwerke bei RWE. „Auch wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint.“
Bildnachweis: © RWE AG