Immer mehr Kohlekraftwerke werden in Zukunft in Europa vom Netz gehen, und dieser Trend wird sich nach der internationalen Klimakonferenz COP26 in Glasgow wahrscheinlich weiter verstärken. Das hat nicht nur Auswirkung auf die Stromerzeugung, sondern vielerorts auch auf die Wärmeversorgung. Denn Kohlekraftwerke versorgen umliegende Städte, Gewerbegebiete und große Industriekunden mit Fernwärme. Um diese Lücke zu schließen, setzen viele innovative Projekte auf Erneuerbare Energie. Der en:former hat bereits ein Projekt zur Wärmeversorgung in der schwedischen Stadt Malmö vorgestellt. Jetzt geht es etwas weiter westlich in die dänische Stadt Esbjerg.
Esbjerg hat traditionell den Ruf einer ‚Energiemetropole‘ – die Öl- und Gasindustrie ist hier stark verwurzelt. Und im Hafen der Stadt, die etwa 80.000 Einwohnern zählt, erzeugt ein Kraftwerk aus Steinkohle Strom und Wärme. Die Wärme wird über unterirdische Leitungen in die Gebäude transportiert. Damit deckt das Kraftwerk etwa die Hälfte des Fernwärmebedarfs der Stadt und näheren Umgebung ab, die andere Hälfte liefert eine Abfallverbrennungsanlage.
Da die Hafenstadt bis 2030 klimaneutral werden will, muss die Energieversorgung in Zukunft von Grund auf umgebaut werden. Bereits 2023 soll das Kohlekraftwerk stillgelegt werden. Anstatt Kohle soll dann grüner Strom aus Windkraft genutzt werden, um die benötige Fernwärme zu erzeugen.
Wie das gelingen kann? Das Kohlekraftwerk soll durch eine gewaltige Wärmepumpenanlage ersetzt werden. Die Pumpe, die derzeit im Auftrag des Trinkwasser- und Fernwärme-Versorgungsunternehmen DIN Forsyning durch die Firma MAN Energy Solutions gebaut wird, verfügt über beeindruckende Leistungsdaten. Mit einer Gesamtleistung von 50 Megawatt (MW) ist sie eine der größten Anlagen dieser Art weltweit. Was neben der Größe besonders ist: Die Anlage benutzt Kohlenstoffdioxid als Kältemittel, wodurch höhere Temperaturen als bei herkömmlichen Trägern erreicht werden. Anders als andere Kältemittel ist CO2 außerdem nicht toxisch und nicht entflammbar, was die Sicherheit der Anlage erhöht.
Das neue Fernwärmekraftwerk soll zukünftig rund 235 Gigawattstunden (GWh) Wärme für etwa 100.000 Einwohner produzieren. Also genug, um die Stadt und nähere Umgebung zu versorgen. Da der Strom aus Windparks nahe der Hafenstadt stammt, ist die Anlage klimaneutral.
Das Grundprinzip einer Wärmepumpe funktioniert immer gleich: Dabei durchläuft ein Kältemittel einen Kreisprozess, der aus insgesamt vier Schritten besteht – Verdampfen, Verdichten, Kondensieren und Ausdehnen. Im ersten Schritt verdampft das Kältemittel, indem ihm Wärmeenergie zugeführt wird. Diese Energie wird aus der Umgebung gewonnen – im Fall der Pumpe in Esbjerg beispielsweise aus dem Meerwasser. Das daraus entstandene Gas wird im nächsten Schritt unter hohen Druck verdichtet. Ein Vorgang, bei dem sich automatisch auch die Temperatur des Gases erhöht. Der hier genutzte Kompressor benötigt Strom, um zu arbeiten – wird dieser wie in Esbjerg aus Erneuerbaren bezogen, ist die Wärmepumpe klimaneutral. Anschließend durchläuft das Gas einen Kondensator und wird wieder in einen flüssigen Zustand gebracht. Dabei gibt der Kondensator die Wärme des Kältemittels an das Heizsystem ab. Diese wird über das Fernwärmenetz verteilt. Abschließend senkt das System den Druck, der auf der Flüssigkeit liegt, wieder ab: die Flüssigkeit kühlt stark ab, und der Prozess beginnt von neuem.
Mit knapp 220 bar arbeiten die Kompressoren in Esbjerg mit einem deutlich höheren Druck als viele andere Wärmepumpen. Das ermöglicht den Einsatz von Kohlenstoffdioxid. Der Vorteil: Mit dem Kältemittel erreicht das Verfahren Temperaturen von bis zu 150 Grad Celsius. Industrielle Wärmepumpen mit anderen Kältemitteln kommen dagegen auf deutlich niedrigere Temperaturen und eignen sich daher nicht für die Produktion von Fernwärme.
Die von MAN ES genutzte Technologie des elektrothermischen Energiespeicher -Systems (ETES) bietet theoretisch einen weiteren Vorteil: Die Anlage kann die erzeugte Wärmeenergie lagern und dadurch mehr Energie umwandeln als für die Wärmeversorgung benötigt wird. Überschüssiger Strom aus Erneuerbaren kann so gespeichert werden und bei einer hohen Nachfrage wieder ins Netz gespeist werden.
Und das funktioniert so: Der Prozess läuft in die entgegengesetzte Richtung. Das unter Druck stehende verflüssigte CO2 wird mithilfe der gespeicherten Wärmeenergie erhitzt und verdampft. Dabei dehnt es sich stark aus und treibt eine Turbine an, die mittels Generator Strom erzeugt. Auf diese Weise ist die Wärmepumpe in der Lage, kurzfristig Nachfragespitzen im Stromnetz auszugleichen. Die geplante Anlage in Esbjerg wird allerdings nur auf die Produktion von Wärmeenergie ausgelegt sein und das nicht können.
Auch in Deutschland könnten diese gewaltigen Wärmepumpen in Zukunft zum Einsatz kommen. Im Rahmen des Förderprogramms progres.nrw will MAN ES zusammen mit der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule und den Stadtwerken Aachen eine Studie durchführen, in der die notwendigen Voraussetzungen für den Bau in der Region Aachen geprüft werden.