Die Globalplayer der Autoindustrie haben sich auf den Weg gemacht, etwas für den Klimaschutz zu tun. Elektroautos und neue Batteriemodelle werden entwickelt und hergestellt. Doch es geht um mehr als E-Mobilität. Die Autobauer brauchen selbst viel Energie für ihre Produktionsstätten. Im Zuge der Coronakrise ist der Energiebedarf zwar gesunken, weil vielerorts die Produktion gestoppt wurde. Langsam laufen die Bänder aber wieder an. Im vierten Teil der Serie „Wirtschaft & Erneuerbare“ schaut der en:former, wie Autokonzerne ihre Produktion klimafreundlicher gestalten und welche Rolle Erneuerbare Energien spielen.
Das Volkswagenwerk in Wolfsburg ist die größte Fabrik der Welt auf schwer vorstellbaren 6,5 Millionen Quadratmetern. Allein die bebaute Hallenfläche ist so groß wie das gesamte Fürstentum Monaco. Für den Betrieb dieser riesigen Anlage braucht es – wenig überraschend – sehr viel Strom und Wärme. 2019 lag der Energieverbrauch bei knapp 1,9 Millionen Megawattstunden – das ist so viel wie eine Stadt mit 250.000 Einwohnern wie Wiesbaden oder Mönchengladbach im Jahr verbraucht.
Zur Energieversorgung betreibt der Konzern in Wolfsburg gleich zwei eigene Kraftwerke. Bislang verfeuern sie Kohle, werden aber zurzeit auf Erdgas umgestellt. Mit den neuen Gasturbinen können ab 2022 die CO2-Emissionen dauerhaft um rund 1,5 Millionen Tonnen pro Jahr reduziert werden. Dies entspricht dem jährlichen CO2-Ausstoß von etwa 870.000 Fahrzeugen und ist ein Rückgang von fast 60 Prozent im Vergleich zu den bisherigen Emissionen. Das ist eine Möglichkeit, um übergangsweise klimafreundlicher zu werden. Langfristig werden aber andere Maßnahmen gebraucht. Denn bis zum Jahr 2050 will VW genauso wie die anderen großen Automobilkonzerne eine CO2-neutrale Produktion aufbauen. Doch wie wollen sie das bei dem hohen Energiebedarf schaffen? Der en:former hat sich in der Branche umgeschaut.
Bereits heute ist die Stromversorgung der 16 Werke der Marke Volkswagen weltweit zu 70 Prozent auf Strom aus regenerativen Quellen umgestellt. Es handelt sich in der Regel um Strom, der über das Stromnetz bezogen wird, von einem Versorger. Innerhalb eines Jahres soll dieser Wert auf 90 Prozent gesteigert werden.
Ein immer beliebteres Mittel, um Strom aus Erneuerbaren zu beziehen, sind langfristige Stromlieferverträge, sogenannte PPAs – Power Purchase Agreements. So hat VW in Mexiko im Jahr 2014 einen Vertrag mit 20 Jahren Laufzeit abgeschlossen, mit dem sich der Konzern die Stromerzeugung eines 130 Megawatt großen Windparks gesichert hat. Solche langfristigen Vereinbarungen plant der VW auch verstärkt in Europa. Und auch in den Produktionsstätten selbst wird grüner Strom erzeugt. Im VW-Werk in Emden existiert beispielsweise seit dem Jahr 2008 eine Energiegenossenschaft: Mitarbeitende haben sich finanziell an einer Photovoltaikanlage beteiligt, die sich auf dem Dach einer Werkshalle befindet. Die 6.500 Quadratmeter große PV-Anlage liefert pro Jahr so viel Strom wie 70 typische Drei-Personen-Haushalte jährlich verbrauchen.
Auch bei Daimler sind an einer Vielzahl der Werksstandorte Photovoltaikanlagen installiert. So wie in der sogenannten Factory 56, einer Fabrik in Sindelfingen, die demnächst eröffnet werden soll. Auf dem Dach befindet sich eine Photovoltaikanlage, die jährlich 5.000 Megawattstunden Strom in das Werk einspeisen wird. Das ist zwar weniger als ein Prozent der insgesamt benötigten Energie am Standort Sindelfingen, aber ein Anfang. Dank Vereinbarungen mit Versorgern wird die Factory 56 bereits bei Inbetriebnahme CO2 -neutral mit Energie versorgt.
Ab dem Jahr 2022 sollen alle Standorte der Daimler AG in Deutschland ihren Strombedarf zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen decken. In dieser Hinsicht wäre Daimler Vorreiter in Europa. Ein standortübergreifender Stromvertrag mit Stromanbietern soll die vollständige Deckung des Bedarfs zu jeder Zeit aus Wind-, Solar- und Wasserkraft decken. Dabei setzt der Konzern auch auf PPAs. In Polen versorgt der Dresdner Windpark-Entwickler VSB ein Daimler-Motorenwerk, 22 Windräder erzeugen Strom ausschließlich für die Produktionsanlage. Der PPA zwischen Daimler und VBS war einer der ersten in der europäischen Autoindustrie. Und in Deutschland wird die Mercedes-Benz AG zudem künftig Strom aus deutschen Windkraftanlagen beziehen, deren Förderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) nach 2020 ausläuft. Die Mercedes-Benz AG ist der erste industrielle Großkunde, der so den langfristigen Weiterbetrieb von sechs norddeutschen Windparks sichert.
Schaut man in die USA, gehört General Motors (GM) zu den größten Abnehmern Erneuerbaren Stroms. GM hat sich ebenfalls verpflichtet, seine weltweit 350 Standorte bis zum Jahr 2050 vollständig mit Strom aus Sonne, Wind oder Deponiegas zu betreiben.
Zu diesem Zweck sichert sich der US-Automobilkonzern erneuerbaren Strom mittels PPAs und erzeugt an 22 Betriebsstätten eigenen Solarstrom. So setzt das GM-Werk in Saragossa, Spanien bereits seit dem Jahr 2008 auf Solarenergie. Die Dächer der Autofabrik sind mit etwa 85.000 Solarmodulen bestückt, 2012 kam ein Photovoltaik-Dachkraftwerk auf der Opel-Fabrik in Rüsselsheim dazu. Gemeinsam produzieren die beiden PV-Anlagen jährlich 19.000 Megawattstunden Solarstrom. Andere GM-Standorte nutzen Deponiegas oder Windenergie.
Der japanische Hersteller Honda baut in seinen Fertigungsstätten in mehr als 30 Ländern nicht nur Autos und Motorräder, sondern auch Roboter und Flugzeuge. Für seine nordamerikanischen Produktionsstätten plant der Konzern die Treibhausgasemissionen um 60 Prozent reduzieren können und jährlich 800.000 Tonnen CO2-Emissionen ausgleichen.
Zu diesem Zweck hat Honda PPAs in großen Umfang abgeschlossen. Laut Medienberichten handelt es sich um den „größten“ Deal für Strom aus Wind- und Solarenergieanlagen mit einer Leistung von insgesamt 320 MW in der gesamten Industrie. Dazu gehört auch ein Stromliefervertrag mit RWE Renewables. Honda sichert sich so den Strom aus einem Windpark, den RWE Renewables gerade in Oklahoma baut.
Die Beispiele zeigen, dass Automobilhersteller aktiv ihre Klimaziele vorantreiben. Durch die Umstellung auf Erneuerbare Energien können die Autokonzerne doppelt profitieren: Durch die aktive Unterstützung der Energiewende können sie ihr Image verbessern und zudem eine Menge Kosten sparen.
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