Ob Deutschland, die Niederlande, Belgien oder das Vereinigte Königreich – für viele Verbraucher steigen die Stromkosten im Jahr 2019 an. Warum das so ist, steht nicht auf der Rechnung. Kein Wunder: Die Gründe dafür sind kompliziert.
Um sie zu verstehen, hilft es, sich die Zusammensetzung der Verbraucherpreise genauer anzusehen. Diese bestehen grob aus vier Komponenten: Beschaffungs- und Vertriebskosten, Stromnetzkosten, Steuern und Umlagen, die jeder Verbraucher zahlen muss, sowie Abgaben, die Unternehmen sich erstatten lassen können, wie die Umsatzsteuer. Diese vier Kostenbereiche gibt es mehr oder weniger in jedem Land, ihre Gewichtung unterscheidet sich allerdings zum Teil beträchtlich. Sei es, weil der Strommix ein anderer ist, die Vertriebskosten und Netzgebühren variieren oder jeder Staat verschieden hohe Abgaben und Steuern erhebt.
In der zweiteiligen Mini-Serie „1×1 der Strompreise“ zeigt der en:former, welche Faktoren den Strompreis beeinflussen. In Teil 1 geht es um die Anteile, die im Wettbewerb der Energiebranche entstehen.
Viele Menschen sind überrascht, wenn sie erfahren, wie klein der Anteil der tatsächlichen Beschaffungs- und Vertriebskosten am Strompreis ist. In Großbritannien machen diese etwas mehr als die Hälfte des Strompreises aus. Damit haben sie im internationalen Vergleich allerdings schon recht viel Gewicht. In Belgien sind es gerade einmal 29 Prozent, in Deutschland sogar weniger als ein Viertel. Viel größer ist der Einfluss von Steuern und Abgaben bzw. ihrer Höhe. In Deutschland liegt dieser Anteil zum Beispiel bei satten 38 Prozent.
Die Beschaffungskosten sind das, was ein Versorgungsbetrieb bezahlen muss, um Strom zu kaufen. Darin enthalten sind vor allem die Kosten der Stromproduktion. Der finale Preis ergibt sich allerdings aus dem Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage. Ein guter Indikator dafür sind die Großhandelspreise, die sich an Strombörsen bilden oder sich von den Börsenpreisen ableiten.
In den letzten zehn Jahre verliefen die Großhandelspreise für Strom sehr volatil: Der durchschnittliche Preis einer Megawattstunde (MWh) in der Europäischen Union schwankte von 2008 bis 2018 zumeist zwischen 35 und 70 Euro. Doch selbst diese große Bandbreite wurde mehrfach durchbrochen: Ende 2008 schoss der Preis auf über 90 Euro pro MWh, Mitte 2016 fiel er kurzzeitig auf etwa 30 Euro.
Seitdem steigen die Großhandelspreise tendenziell wieder. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) sieht wichtige Gründe dafür in anziehenden Rohstoffkosten für Kohle und Gas, aber auch in steigenden Preisen im EU-Emissionshandel. Mitte Februar 2019 wird die MWh an der Leipziger Energiebörse für etwas unter 50 Euro gehandelt. Von dieser Seite kommt also Druck auf die Preise.
Ein weiterer Faktor macht sich bei den Vertriebskosten stärker bemerkbar als bei den Produktionskosten: das Lohnniveau. In Deutschland, Belgien, den Niederlanden und Großbritannien müssen die Stadtwerke und andere Stromanbieter ihren Mitarbeitern tendenziell höhere Löhne zahlen, als Versorgungsunternehmen in Süd- und Osteuropa.
Auf der anderen Seite gilt: Seit 1996 die EU-Binnenmarktlinie Strom eingeführt wurde, sind die einstigen Monopolisten der Stromversorgung wachsendem Wettbewerbsdruck ausgesetzt. Seither sind etliche Unternehmen in den Markt gekommen. Verbraucher können zwischen einer Vielzahl von Stromtarifen wählen.
In Teil 2 der Mini-Serie „1×1 der Strompreise“ wird der en:former die Anteile, die Regierungen und Behörden festlegen, genauer unter die Lupe nehmen.
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