Die Brennstoffzelle liefert als stromerzeugende Heizung gleichzeitig thermische und elektrische Energie. Im nordrhein-westfälischen Bedburg ist ein Neubaugebiet entstanden, in dem diese innovative Technologie das einzige zugelassene Heizsystem ist.
Die Straße in dem Neubaugebiet heißt „Am End“ – dabei sind die Häuslebauer dort in Wirklichkeit ganz vorn: Denn im Bedburger Stadtteil Königshoven, 40 Kilometer nordwestlich von Köln, entsteht zurzeit eine Brennstoffzellensiedlung. Sie ist eine der ersten im Bundesgebiet. Acht Familien werden sich in der Siedlung künftig selbst mit Wärme und Strom versorgen. Die Lage des Baugebiets steht sinnbildlich für die Energiewende: In Sichtweite liegen große Braunkohlenkraftwerke und, nur durch ausgedehnte Rekultivierungsgebiete davon getrennt, der Tagebau Garzweiler.
„Uns gefällt der Gedanke, besonders effizient zu heizen und quasi nebenbei auch Strom erzeugen zu können“, sagt Hausbesitzer Michael Schiffer. Seit November 2017 wohnt der 32-jährige Einkäufer mit seiner Frau Kathrin und den beiden Kindern im Eigenheim. Der Energierohstoff für diese innovative Form der Selbstversorgung kommt aus dem Erdgasnetz. Die Brennstoffzelle verbrennt das Gas jedoch nicht, sondern spaltet das Methan – deutlich effizienter – durch Oxidation mit der Umgebungsluft in Sauerstoff und Wasser auf. Bei dieser „kalten Verbrennung“ entstehen Strom und Wärme. Das Gerät liefert ein Kilowatt Wärme und 750 Watt elektrische Leistung. Sie braucht mit 0,65 Quadratmetern Standfläche kaum mehr Platz als ein Kühlschrank und läuft leise. Außerdem lässt sie sich bequem mit Smartphone und Tablet bedienen. Das System ist mit dem Stromnetz verbunden, sodass die Betreiber überschüssige Leistung abgeben und Minderleistung ausgleichen können.
Die Schiffers vollziehen mit ihrem Neubau ihre private Energiewende. Durch den hohen Gesamtwirkungsgrad der Anlage spart die Familie im Vergleich zur konventionellen Versorgung Heiz- und Stromkosten. Auch die spezifischen CO2-Emissionen sind niedriger: um mindestens fünf Tonnen pro Jahr. Wird zusätzlich eine Batterie installiert, können die CO2-Emissionen der häuslichen Wärme- und Stromerzeugung um bis zu 50 Prozent niedriger liegen als sonst, heißt es beim Anlagenhersteller Viessmann. „Das ist natürlich nur ein kleiner Beitrag“, sagt Michael Schiffer. „Es kommt für den Klimaschutz darauf an, dass sich diese innovative Technologie weiter verbreitet.“
Die Startbedingungen für die acht Bauherren waren attraktiv: Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie förderte den Einsatz der Brennstoffzellen in den Wohngebäuden über das KfW-Anreizprogramm Energieeffizienz (APEE) mit fast 10.000 Euro. Grundeigentümer RWE Power finanzierte die dafür notwendige Energie- und Förderberatung. „Außerdem vergeben wir einen Bauherrenzuschuss. Alles in allem stellen wir rund dreieinhalbtausend Euro zur Verfügung“, berichtet RWE-Fachfrau Britta Strommenger. Der renommierte Anlagenhersteller Viessmann, ein Pionier der klimafreundlichen Brennstoffzellentechnik für Wohngebäude, schießt weitere rund 1.500 Euro hinzu. Unterm Strich steht eine Fördersumme von 14.250 Euro.
„In Anbetracht der Tatsache, dass zirka 70 Prozent aller Heizkessel in Deutschland veraltet sind und ausgetauscht werden müssten, leistet dieses Projekt einen wichtigen Beitrag zur Verbreitung einer nachhaltigen, sauberen und verfügbaren Technologie mit hohem Klimaschutzpotenzial“, schrieb die KlimaExpo.NRW Ende 2016 an die Stadt Bedburg. Das ist eine Initiative der nordrhein-westfälischen Landesregierung, die auf Klimaschutz als Fortschrittsmotor setzt. Ziel ist es, zukunftsweisende Projekte aus der Region einem breiten Publikum näherzubringen und so Engagement und Klimaschutzbewusstsein zu fördern.
Die Stadt Bedburg hatte die Brennstoffzellensiedlung mit RWE Power angestoßen und schuf mit der nötigen Bauleitplanung die Grundvoraussetzungen: Die Häuslebauer dürfen nur Brennstoffzellen-Heizungen einbauen. Klassische Ölfeuerungen oder Gasthermen, aber auch Wärmepumpen waren tabu.
Die KlimaExpo.NRW nahm die Brennstoffzellensiedlung in ihre Referenzliste im Themenfeld „Quartiere entwickeln“ auf – eine Art Ritterschlag für das Projekt. Bei der Auswahl der qualifizierten Projekte legt die KlimaExpo.NRW Wert auf Lösungen, die besonders innovativ und übertragbar sind. „Das zeigt, dass das Rheinische Revier sich zu einem Zentrum für innovative und alternative Energieformen entwickelt hat“, resümiert Sascha Solbach, Bürgermeister der Stadt Bedburg.
Gleiches zeigt die Entscheidung der Innovationsregion Rheinisches Revier (IRR), die Siedlung als Modellprojekt auszuzeichnen für den Strukturwandel in der Tagebau- und Kraftwerksregion. „Die Brennstoffzellen-Siedlung wird erneut zeigen, wie flexibel und erfolgreich wir diese Region mit unseren kommunalen Partnern weiterentwickeln“, sagt Erik Schöddert, Leiter Flächenmanagement der RWE Power. „Das Revier ist der eigentliche Gewinner dieser Auszeichnung. Es bestätigt die Region an Erft und Ruhr eindrucksvoll als Innovationsmotor für Nordrhein-Westfalen.“