Auf den ersten Blick ist alles bestens: In den ersten vier Monaten des Jahres (ganz exakt: bis zum 7. Mai) haben die Erneuerbaren Energien fast die Hälfte des Stroms in Deutschland produziert. Diese 46,8 Prozent sind absoluter Rekord, noch mal deutlich mehr als 2018, als erstmals die Schwelle von 40 Prozent leicht überschritten wurde.
Den größten Anteil unter den verschiedenen Energieträgern lieferte der Windstrom an Land und auf See mit 27 Prozent. Tausende Rotoren zwischen Flensburg und Füssen drehten sich so kräftig wie noch nie. Alles wirklich bestens also, könnte man meinen. Ist es aber nicht – wie ein Artikel der Deutschen Presse-Agentur (dpa) zeigt, den viele Medien übernommen haben.
Denn während die Produktion von Windstrom einen vorläufigen Höhepunkt erreicht hat, ist der Ausbau der Windenergie an Land fast zum Erliegen gekommen. Zwischen Januar und März gingen nur ganze 41 Windräder ans Netz. Wohlgemerkt bundesweit, nicht in einem Bundesland. Das waren fast 90 Prozent weniger als im gleichen Vorjahreszeitraum.
Damit setzt sich ein Trend aus 2018 fort: Vergangenes Jahr hat sich der Windkraftausbau mehr als halbiert. Statt der im Durchschnitt der letzten Jahre üblichen 4000 Megawatt Onshore-Wind kamen 2018 nur 2400 Megawatt dazu – nicht einmal die Hälfte des Vorjahres, als neue Windparks mit einer Kapazität von 5300 Megawatt aufgestellt wurden. „Der Grund dafür ist eindeutig der Mangel an genehmigten Flächen“, so Jochen Homann, Chef der Bundesnetzagentur zur Börsen-Zeitung. Der Mangel an Nachfrage liege nicht darin begründet, dass die Einspeisevergütungen zu niedrig seien.
Die Flächenverfügbarkeit ist laut der Bonner Behörde zum Flaschenhals der Windkraftbranche geworden. Bundesländer wie Bayern oder Sachsen-Anhalt weisen kaum noch Flächen für neue Windräder aus. In Schleswig-Holstein sind die ausgewiesenen Windvorranggebiete schon 2015 vom Oberverwaltungsgericht gestrichen worden. Obwohl die Landesregierung umgehend nach der Entscheidung mit der Neuaufstellung begann, ist nicht vor 2020 mit neuen Flächen zu rechnen.
Doch es herrscht nicht nur Neubau-Flaute. Die Technik kämpft zudem mit kräftigem Gegenwind. Denn obwohl die Zustimmung für den weiteren Ausbau Erneuerbarer Energien in Deutschland laut einer Umfrage der Agentur für erneuerbare Energien bei 93 Prozent liegt, wird die Zahl der Windkraftgegner immer größer. Laut eines Berichts des Handelsblatts engagieren sich über 1000 Bürgerinitiativen in ganz Deutschland mittlerweile gegen den Bau neuer Anlagen.
Gegner der Windenergie haben Erfahrung gesammelt, wie sich neue Windräder vereiteln lassen. Die Fachagentur Windenergie zählt laut Süddeutsche Zeitung derzeit mindestens 200 Anlagen, die beklagt werden. Die Klagen richten sich dabei regelmäßig gegen behördliche Entscheidungen. „Dadurch wächst die Zurückhaltung bei den Behörden“, zitiert die SZ den Branchenverband BWE. „Mit dem Ergebnis, dass alles doppelt und dreifach geprüft wird.“
Tatsächlich gibt es mittlerweile Fälle, bei denen für einen kleinen Windpark mehr als 20 Gutachten nötig sind – vom Artenschutz bis zur Denkmalpflege. Die durchschnittliche Verfahrensdauer für die nötigen Genehmigungen hat sich nach Informationen des Handelsblatts im Laufe der vergangenen Jahre so fast verdreifacht – auf inzwischen 700 bis 800 Tage.
Die dpa-Geschichte beleuchtet noch einen weiteren Hintergrund: Viele Windparks sind Bürger-Windprojekte, die sich dank einer Sonderregelung an den Ausschreibungen beteiligen konnten, ohne eine Genehmigung vorweisen zu müssen. Nur ein Bruchteil davon ist bis heute genehmigt, geschweige denn gebaut. Von 730 Anlagen, die im Jahre 2017 einen Zuschlag erhielten, sind erst 37 (!) am Netz. Tatsächlich kommen nicht mehr nur keine neuen Rotoren hinzu. Viele alte fallen auch schon bald aus der Förderung und werden unwirtschaftlich. Sie müssen also dringend ersetzt werden.
Alles sehr schlechte Nachrichten von der Stromquelle, die der Energiewende eigentlich kräftig Rückenwind geben soll.
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