Langfristige Stromlieferverträge – nach dem englischen Begriff „Power Purchase Agreement“ meist PPAs genannt – gelten als potenzieller Turbo für die Investitionstätigkeit auf dem Markt für Stromerzeugung. Denn solche Vereinbarungen geben beiden Seiten Planungssicherheit: Erzeuger erhalten eine Absatzgarantie und Verbraucher Gewissheit über ihre Stromkosten. Soweit die betriebswirtschaftliche Theorie. Doch sehen die Marktteilnehmer das genauso?
Genau diese Frage hat die Deutsche Energieagentur (dena) 128 Energieexperten aus verschiedenen Teilen des Strommarktes gestellt. Darunter Vertreter von Erzeugern und Versorgern, Investoren und Projektentwicklern, aber auch Branchenverbänden und – ganz wichtig – Verbrauchern.
Das Ergebnis fällt recht klar aus: Mehr als die Hälfte halten PPAs für „wichtig“, ein weiteres Drittel sogar für „sehr wichtig“. Nur 14 Prozent der Befragten räumen PPAs kaum oder wenig Relevanz als „zukunftsweisendes Marktmodell für Deutschland“ ein.
Klar ist: Der Stromsektor in Deutschland braucht Investitionen. Und das nicht nur wegen der Umstellung auf Erneuerbare Energien – im Jahr 2030 soll ihr Anteil 65 Prozent betragen –, sondern auch weil die Nachfrage deutschlandweit tendenziell steigen dürfte: von 515 Terawattstunden (TWh) im Jahr 2015 auf bei 699 TWh oder 840 TWh im Jahr 2030 – „je nach Technologieentwicklung, wie es bei der dena heißt.
Unabhängigkeit von Subventionen
Als besonders relevant gelten PPAs für die Vermarktung sogenannter Ü20-Anlagen, für die nach 20 Jahren Betriebszeit keine Umlagen aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) mehr gezahlt werden. Laut dena wird davon bis 2030 eine Erzeugungskapazität von rund 51 Gigawatt (GW) betroffen sein. Das ist mehr als 40 Prozent der gesamten Erneuerbaren Erzeugungskapazität Anfang September 2019 in Deutschland. In ihrem Bericht aber, betont die dena, „sehen 72 Prozent der befragten Energiemarktakteure in PPAs bereits heute einen Finanzierungsmodus für Neuanlagen“.
Langfristige Lieferverträge sind kein neues Vermarktungsmodell. Doch für Wind- und Solarstromerzeuger sind sie noch wichtiger, als für Betreiber Brennstoff getriebener Kraftwerke. Das hat zwei Hauptgründe: Zum einen haben sie mit der Abhängigkeit vom Wetter einen Unsicherheitsfaktor. Sie können also nur begrenzt auf die aktuelle Nachfrage reagieren und tendenziell nur dann produzieren, wenn auch die Konkurrenz das tut – also dann, wenn die Strompreise eher niedrig sind. Fest Abnahmepreise geben Planungssicherheit. Brennstoff getriebene Kraftwerke laufen dann auf Hochtouren, wenn die Erneuerbaren Pause machen – also bei relativer Knappheit und bei höheren kurzfristigen Strompreisen.
Hinzu kommt: Brennstoff getriebene Kraftwerke haben gemessen an der installierten Leistung niedrigere Investitionskosten. Dafür kostet die Erzeugung einer zusätzlichen Kilowattstunde relativ viel. Ökonomen sprechen von hohen Grenzkosten. Stehen solche Kraftwerke still, sinken die Betriebskosten deutlich. Sie werden in der Regel früher profitabel, allerdings bleibt der Gewinn immer abhängig von Rohstoffpreisen.
Bei Wind- und Solarpark oder auch Wasserkraftwerke dagegen fallen vor allem die anfänglichen Investitionskosten ins Gewicht. Daneben entstehen vor allem Wartungs- und Instandhaltungskosten, deren Höhe niedrig und weitgehend unabhängig von der Produktionsmenge ist. Ökonomen sprechen von niedrigen Grenzkosten. Solche Anlagen werden tendenziell später profitabel. Doch sind die Investitionskosten einmal eingespielt, ist nahezu jeder weitere eingenommene Euro Profit.
"Kartellrechtliche sowie steuerrechtliche Fragen, die zukünftige Rolle von Herkunftsnachweisen für Grünstrom und die Strompreiskompensation müssen bewertet und gezielt für den Markt angepasst werden." Andreas Kuhlmann, Vorsitzender der dena-Geschäftsführung
Die betriebswirtschaftliche Rechnung geht für die meisten Experten also auf. Gleichwohl herrscht bisher eine gewisse Unsicherheit: „Neben den fehlenden Erfahrungswerten sehen potenzielle Anbieter und Abnehmer von grüner Energie weitere Hemmnisse im bestehenden Rechtsrahmen.“ In seinem Vorwort zur Studie fordert Andreas Kuhlmann, Vorsitzender der dena-Geschäftsführung, die Politik zum Handeln auf: „Kartellrechtliche sowie steuerrechtliche Fragen, die zukünftige Rolle von Herkunftsnachweisen für Grünstrom und die Strompreiskompensation müssen bewertet und gezielt für den Markt angepasst werden“.
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