Mithilfe von Wasserdämmen wird in Kanada regenerativer Strom aus Wasserkraft erzeugt
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Der Energieriese Kanada heute und morgen
Ein Land der Gegensätze – massive Ölforderung und zugleich eines der grünsten Energiesysteme der Welt

Während Kanada im Jahr 2021 knapp ein Gigawatt (GW) an neuen Wind- und Solarkapazitäten installierte, könnte in diesem Jahr der Ausbau der Erneuerbaren Energien einen neuen Rekordwert erreichen: Es wird ein Anstieg auf 5,6 GW erwartet. Damit würde das Land zum ersten Mal das Ziel von 5 GW pro Jahr erreichen. Diese Marke ist laut der Canadian Renewable Energy Association notwendig, damit das Land der Verpflichtung nachzukommt, bis 2050 emissionsfrei zu sein (Link in Englisch).

Dabei hat sich Kanada sehr ehrgeizige Klimaziele gesetzt, darunter die vollständige Dekarbonisierung des Stromsektors bis 2035. Allerdings ist die Energiewende in Kanada sowohl einfacher als auch komplexer als in anderen Ländern, was auf das enorme Potenzial an regenerativer Energie, die Rolle des Landes als großer Kohlenwasserstoffproduzent und die Energiebeziehungen zu den USA zurückzuführen ist.

Eines der größten Förderländer von Öl, Gas und Kohle

Kanada gehört zu den weltweit größten Produzenten und Exporteuren fossiler Brennstoffe: Im Jahr 2020 lag die Rohölproduktion bei 4,04 Millionen Barrel pro Tag (b/d), wovon 2,84 Millionen aus Ölsanden stammten. Die Gesamtproduktion an flüssigen Kohlenwasserstoffen lag bei über 5 Millionen b/d täglich. Das Land produzierte außerdem 165,2 Milliarden Kubikmeter Gas und fast 40 Millionen Tonnen Kohle.

Kanadas Ölsand ist nach Angaben des kanadischen Verbands der Erdölproduzenten das größte Rohölvorkommen der Welt (Link in Englisch). Der Nachteil daran: Der Abbau und die Verarbeitung von Ölsand gehören zu den aufwändigsten Formen der Ölförderung, die mit einem hohen Energieverbrauch und hohen Treibhausgasemissionen einhergehen.

Dabei produziert das Land Öl und Gas über dem Eigenbedarf hinaus. Der Großteil der Überschüsse wird derzeit in die USA exportiert und steht dort in Konkurrenz mit amerikanischem Schiefergas und -öl.

Sauberer Strom dank viel Wasserkraft

Der kanadische Stromsektor ist jedoch viel umweltfreundlicher, als die Produktion fossiler Brennstoffe vermuten lässt. Das Land verfügt mit seinen zahlreichen Flüssen über riesige Ressourcen an Erneuerbaren Energien, dabei ist Wasserkraft die bei weitem größte Quelle für die Stromerzeugung.

Im Jahr 2020 war Kanada hinter Brasilien und China weltweit der drittgrößte Erzeuger von Wasserkraft und verfügte es über fast 81 GW an Wasserkraftkapazität. Dabei ist das Potenzial noch nicht einmal vollständig ausgeschöpft. Der Statusbericht der International Hydropower Association für das Jahr 2021 (Link in Englisch) berichtet von im Bau befindlichen Projekten mit einer Kapazität von mehr als 4 GW. Das technische Potenzial neuer Wasserkraftwerke in Kanada liegt bei etwa 160 GW – das ist das Doppelte der derzeit installierten Kapazität.

Wasserkraft dominiert die kanadische Stromerzeugung

in Terawattstunden (TWh), Quelle: BP Statistical Review of World Energy

Eines der grünsten Stromsysteme der Welt

Der Ausstieg aus der Kohleverstromung ist zudem schon in vollem Gange: mit 35,6 Terawattstunden (TWh) war die Kohleverstromung im Jahr 2020 weniger als halb so groß wie noch im Jahr 2011. Auch der Ausbau von Wind- und Solarenergie beschleunigt sich. Ende 2021 betrug die installierte Windkapazität 14.304 Megawatt (MW) und die Solarstromkapazität 2.399 MW.

Mit einem hohen Anteil an Wasserkraft, Kernenergie und einem wachsenden Wind- und Solarsektor ist Kanadas Stromerzeugung zu mehr als 80 Prozent kohlenstoffarm. Damit gehört sie laut der Internationalen Energieagentur „zu den saubersten der Welt“ (Link in Englisch).

Export von CO2-armen Strom in die USA

So wie Kanada einen Großteil seiner Öl- und Gasüberschüsse in die USA liefert, sind auch die Möglichkeiten für den Export von kohlenstoffarmem Strom groß. Kanadas Stromexporte an die USA verringern wiederum die Kohlenstoffintensität des Nachbarlandes, in dem der Anteil CO2-armen Stroms mit knapp 40 Prozent deutlich geringer ist.

Die Stromnetze der USA und Kanadas sind mit rund drei Dutzend größeren, in beide Richtungen verlaufenden Interkonnektoren bereits außerordentlich gut miteinander vernetzt. Diese Verbindungsleitungen transportierten im Jahr 2020 77,3 Millionen Megawattstunden (MWh) Strom, wobei der Strom hauptsächlich von Norden nach Süden, also von Kanada in die USA, floss.

Stromhandel nimmt zu

Diese Vernetzung bringt enorme Vorteile mit sich. Kanada verwaltet seine Wasserreservoire mit Vorsicht, um sicherzustellen, dass genügend Reserven für niederschlagsarme Jahre vorhanden sind. Das bedeutet auch, dass überschüssige Energie zur Verfügung steht, wenn es mehr regnet als die Versorgungsunternehmen prognostiziert haben. Die Kombination aus Speicher und Netzintegration bedeutet, dass beispielsweise die schwankende Windenergieerzeugung in den USA durch die kanadische Wasserkraft ausgeglichen werden kann.

Dieser Handel mit grünem Strom nimmt zu. Zwei Beispiele: Die Appalachen-Maine-Verbindungsleitung, die 2023 fertiggestellt werden soll, wird beispielsweise rund 10 TWh/Jahr kanadischen Strom aus Wasserkraft nach Massachusetts und Maine liefern. Die 1,2-GW-Übertragungsleitung New England Clean Energy Connect steht kurz vor der Fertigstellung und wird weiteren Strom aus Wasserkraft von Quebec nach Neuengland bringen.

Wind- und Solar könnte Strombedarf um ein Vielfaches decken

Trotz der niedrigen Kosten für Wind- und Solarenergie ist die installierte Kapazität in Kanada vergleichsweise gering. Der Grund: Kanada hat sich nur langsam auf neue Technologien für erneuerbare Energien eingelassen.

Die Provinz Neufundland und Labrador beispielsweise hatte 15 Jahre lang ein Moratorium, also ein Stillhalteabkommen, für die Entwicklung von Onshore-Windkraftanlagen. Erst im April dieses Jahres hob sie dieses auf. Auch Ontario verhängte 2011 ein Moratorium für die Entwicklung von Offshore-Windkraftanlagen. Dieses war hauptsächlich auf Sorgen über die Auswirkungen von Offshore-Windkraftprojekten im Gebiet der Großen Seen zurückzuführen.

Dabei ist Kanadas Potenzial für erneuerbare Wind- und Solarenergie beachtlich. Das wird im Vergleich zu Deutschland deutlich: Trotz seiner nördlichen Lage hat Kanada eine höhere Sonneneinstrahlung als Deutschland und eine 28-mal größere Landmasse. In Deutschland ist jedoch bisher 15-mal mehr Solarenergie installiert.

Für die Offshore-Windenergie schätzt das Global Wind Energy Council das technische Potenzial des Landes (Link in Englisch) auf 9.321 GW, wovon 2.0139 GW auf Anlagen mit festem Fundament entfallen. An Land könnte das Potenzial laut Windkarten des US National Renewable Energy Laboratory (Link in Englisch) noch größer sein. Diese Zahlen zeigen, dass Kanada seinen Strombedarf und ein Vielfaches davon mit grüner Energie abdecken könnte.

Darüber hinaus kann die flexible Erzeugung von Wind- und Sonnenenergie relativ einfach in das kanadische Energiesystem integriert werden. Das liegt vor allem an den vorhandenen Speicherkapazitäten, die durch eine effiziente Steuerung des Wasserreservoirs und der starken Vernetzung mit den US-Strommärkten zur Verfügung stehen.

Chancen: Mit Wind, Solar und Wasser das Klimaziel erreichen

Eine Dekarbonisierung des Stromsektors bis 2035 ist ein erreichbares Ziel, das auf dem beschleunigten Ausbau von Wind-, Solar- und Wasserkapazitäten beruht. Im Gegensatz dazu scheint allerdings das Ziel, die Öl- und Gasproduktion des Landes bis 2050 auf Null zu bringen, eine viel härtere Herausforderung.

Darüber hinaus haben die USA nun stark mit der Entwicklung von Offshore-Windkraftanlagen begonnen. Dadurch besteht die Möglichkeit, dass die Menge an Erneuerbarer Energie, die an der Nordküste der USA erzeugt wird, eine Konkurrenz zu Kanadas Wasserstoffexporten in die nördlichen US-Küstenstaaten darstellen wird (Link in Englisch).

Kanadas Abhängigkeit von den USA als Absatzmarkt für seine Energieexporte hat sich bereits in der Vergangenheit als nachteilig erwiesen. Die Förderung von Schieferöl in den USA führte zu niedrigeren Preisen für kanadische Ölexporte und zu einer Abflachung der Nachfrage, während die kanadischen Gasexporte in die USA zurückgingen. Erst jetzt baut Kanada seine erste Flüssigerdgasanlage, LNG Canada, um seine Gasexportmärkte zu erweitern.

Kanadas Wasserstoffstrategie: Grün soll blau überholen

Folglich versucht Kanada Umwandlungsmöglichkeiten, die ihr durch einen Überfluss an nachhaltiger Energie zur Verfügung steht, auszuschöpfen. Wasserstoff könnte die Antwort sein, um die Industrie zu dekarbonisieren und so einen neuen Sektor für kohlenstoffarme Wasserstoffexporte aufzubauen. Bereits jetzt produziert Kanada drei Millionen Tonnen Wasserstoff aus Erdgas pro Jahr, außerdem verfügt das Land über die weltweit größte Produktionsanlage für blauen Wasserstoff.

Die Regierung hat 2020 eine Wasserstoffstrategie herausgegeben, die einen Mix von unterschiedlichen Wasserstoffproduktionsmethoden vorsieht. Dabei soll die Produktion von grünem Wasserstoff die von blauen allmählig übersteigen. Einige Analysten sagen für die Mitte der 2030er Jahre einen Boom im kanadischen Erneuerbaren-Sektor (Link in Englisch), angeführt von Onshore-Windkraftanlagen, voraus. Dieser wird durch den Export von grünem Wasserstoff auf die Märkte weltweit angetrieben wird – jenseits des traditionellen Absatzmarktes, den USA.

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