Laut Bundesnetzagentur hat die Solarenergie 2022 bereits 11,4 Prozent des in Deutschland verbrauchten Stroms ausgemacht – knapp 7,4 Gigawatt Erzeugungskapazität gingen neu ans Netz. Und das Potenzial der immer kostengünstigeren und effizienteren Technologie scheint noch nicht ausgeschöpft. Laut einer umfangreichen Analyse des britischen Think Tanks Aurora Energy Research (Link in Englisch) ist die Bundesrepublik der attraktivste Solarmarkt in der Europäischen Union und Großbritannien.
Auroras Marktattraktivitätsindex sieht Deutschland mit einem Wert von 8,0 klar vor dem Vorjahresspitzenreiter Spanien mit 6,9. Für die Einschätzung bewerten Experten neun Kriterien, darunter den Stand des Solarenergie-Ausbaus im Jahr 2022, die Ausbauziele bis 2030 und künftig geplante Kapazitäts-Auktionen. Für Deutschlands Sprung auf Rang eins gaben insbesondere die aktuellen Entwicklungen und weiteren Zukunftsaussichten auf dem inländischen Markt den Ausschlag.
Eine zentrale Rolle spielen die ambitionierten politischen Ziele der Bundesregierung, Deutschland als führenden Solarmarkt Europas zu etablieren. Die Regierung strebt an, bis 2030 eine installierte Solarleistung von 215 Gigawatt zu erreichen und bis zu 40 Milliarden Euro in neue Anlagen zu investieren. In ganz Europa sollen die Investitionen 150 Milliarden Euro betragen, Deutschland würde also mehr als ein Fünftel beitragen.
Die Experten sind nicht sicher, dass das Ziel erreicht wird, und haben unterschiedliche Szenarien skizziert. Eines davon ist das „Central Scenario“, in dem eine installierte Kapazität von 159 Gigawatt prognostiziert wird. Auch in diesem Fall bliebe Deutschland der größte Solarmarkt in Europa, gefolgt von Italien.
Deutschland hat schon einmal eine Vorreiterrolle in der Solarenergie eingenommen. Bereits in den 2000er-Jahren, als die Technologie noch wesentlich teurer war, wurden in der Bundesrepublik die meisten Solaranlagen weltweit installiert. Diese Entwicklung nahm in den vergangenen Jahren wieder Fahrt auf.
Neben der aktuellen Marktposition führt Deutschland laut Aurora auch in Bezug auf die gesteckten Ausbauziele. Die Nachfrage nach langfristigen Stromlieferverträgen (PPAs) wird voraussichtlich stark steigen, wobei die Nachfrage im Jahr 2030 der Prognose zufolge das 2,5-fache des Angebots erreichen kann. Deutschland könnte dementsprechend nach Frankreich der europäische Markt mit der zweitgrößten Unterdeckung sein.
Die Analyse hebt neben Deutschland auch Polen und Frankreich als Länder mit „starker politischer Unterstützung“ für den Ausbau von PV-Anlagen hervor, insbesondere im Hinblick auf Ausschreibungen. Die Erhöhung der Höchstgebote in PV-Auktionen wird als klares Signal an den Markt gewertet. Im Gegensatz dazu wird beispielsweise Großbritannien nur eine „moderate“ Unterstützung zugeschrieben, da dort Solarenergie mit der stark geförderten Windkraft im Wettbewerb steht.
Beim Netzzugang steht Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern trotz einiger Herausforderungen immer noch gut da. Andere Länder wie Großbritannien, wo lange Wartezeiten von bis zu zehn Jahren den Ausbau blockieren, Polen, wo stark steigende Ablehnungen von Netzanschlüssen bremsen und Portugal, wo es Netzanschlüsse nur für Ausschreibungsprojekte gibt, hätten größere Schwierigkeiten. Die größte Hürde für Deutschland ist Aurora zufolge die Verfügbarkeit von Flächen. Auch die Genehmigungsverfahren werden als nicht optimal bewertet. Deutschland ist nicht allein in dieser Situation. Nur Dänemark, Schweden und Finnland bewertet die Analyse besser.
Die Rentabilität von Solarprojekten stand ebenfalls im Fokus der Untersuchung. Die Experten erwarten, dass die Investitionskosten für große Solaranlagen von derzeit etwa 700 Euro pro Kilowatt Leistung bis 2030 auf etwa 550 Euro und bis 2050 auf rund 400 Euro sinken werden. Deutschland profitiere von vergleichsweise niedrigen Kapitalkosten, habe jedoch im Vergleich zu anderen Ländern eine weniger optimale Sonneneinstrahlung.
Laut den Berechnungen könnte ein Großprojekt in Deutschland im Jahr 2030 Strom zu durchschnittlichen Gestehungskosten von 55 bis 60 Euro pro Megawattstunde (MWh) produzieren. Damit läge sich Deutschland im europäischen Durchschnitt: Die nordischen Länder haben Gestehungskosten zwischen 65 und 73 Euro, während Spanien und Portugal Strom für etwa 30 Euro pro MWh produzieren können. Italien, Frankreich und Polen liegen zwischen 40 und 55 Euro pro MWh.
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