Wenn es darum geht Treibhausgasemissionen zu senken, hat der Stromsektor in Deutschland eine Vorreiterrolle bei der Energiewende inne. Doch wie sieht es in den Bereichen Verkehr, Industrie und in der Wärmeversorgung aus? Aktuelle Studien von Bundesbehörden und Forschungsinstituten deuten darauf hin, dass nach wie vor sehr großes Einsparpotenzial im Wärmesektor liegt. Dazu gehört neben dem Beheizen von Gebäuden insbesondere auch die Erzeugung von Wärme für Industrieprozesse. Etwa die Hälfte der in Deutschland gebrauchten Energie entfällt auf diese Anwendungen. Und im Gebäudesektor sind die Emissionen laut dem Klimaschutzbericht 2019 der Bundesregierung vom 18. August 2020 zuletzt sogar wieder leicht gestiegen.
Fortschritte dagegen wurden – wie in früheren Jahren – vor allem in der Energiewirtschaft erzielt. Insgesamt wurden 2019 rund 54 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente weniger ausgestoßen als 2018. Davon wurden 51 bei der Stromproduktion und Co. eingespart.
Damit unterschritt der Sektor bereits 2019 die Klimaschutzziele für 2020. Und in diesem Jahr dürften die Treibhausgasemissionen weiter sinken, denn der Anteil Erneuerbarer Energien im Strommix steigt: Fast 56 Prozent des Stroms, der von Januar bis Juli 2020 in Deutschland erzeugt wurde, stammte nach Angaben des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE aus erneuerbaren Quellen. 2019 waren es nur 46 Prozent.
Dazu habe zwar auch der Nachfragerückgang aufgrund der Corona-Pandemie – vor allem im zweiten Quartal – beigetragen. Aber auch die Reform des Emissionshandels zeigt laut ISE Wirkung.
Auch die Industrie entließ 2019 etwas weniger Treibhausgase in die Atmosphäre als im Vorjahr. Mehr war es dagegen in den Bereichen Gebäude und Verkehr. Während die Emissionen des Verkehrs – auch durch Fahrverbotsdebatten und E-Auto-Prämien – recht präsent ist, wird der Wärmesektor häufig vergessen. Dabei liegt hier ein immenses Sparpotenzial.
Auf die Wärme- und Kälteerzeugung – einschließlich Fern- und Prozesswärme und für Raumklimatisierung verbrauchten Stroms – entfällt mehr als die Hälfte der in Deutschland gebrauchten Energie. Und gerade dort kommt die Umstellung auf erneuerbare Energien nicht richtig voran. Unter anderem weil die energetische Sanierung der Gebäude langsamer läuft als erforderlich wäre: Die deutsche Energieagentur dena hat ausgerechnet, dass 1,4 Prozent der Bestandsgebäude jedes Jahr modernisiert werden müssten. Doch die Quote liegt unter einem Prozent.
In einer gemeinsamen Studie haben der Energiedienstleister Ista und die TU Dortmund 74.000 Wohngebäude untersucht: Demnach war eine durchschnittliche Wohnung 42 Jahre alt, die Heizungsanlage immerhin 23 Jahre – weitaus die meisten werden mit Gas oder Öl befeuert.
Die dena fordert seit langem höhere Förderungen für Investitionen in Wärmedämmung und emissionseffizientere Heizungen. Ein weiteres Problem beschreibt die Handelsblatt-Journalistin Kathrin Witsch in ihrem Kommentar „Die vergessene Wärmewende“: „Zu teuer, zu kompliziert, zu kleinteilig heißt es immer wieder über die verpasste Wärmewende.“
Mitte August hat der Bundestag das Gebäudeenergiegesetz (GEG) verabschiedet: Es führt zum 1. November 2020 die drei bisher geltenden energiesparrechtlichen Regelwerke zusammen. Neubauten müssen dann mindestens 15 Prozent der Wärme- und Kälteerzeugung aus Erneuerbaren Energien gewonnen werden. Öl- und Kohlekessel dürfen nach 30 Jahren Betriebszeit nicht mehr verwendet werden, Neuinstallationen sind ab 2026 verboten – zumindest, wenn dies zumutbar ist. Als Alternative zu Kohle und Öl sieht das GEG Gas vor.
Kathrin Witsch kommentiert wie folgt: „Sie setzt auf Effizienz statt den Komplettumstieg auf erneuerbare Energiequellen.“ Deren Anteil an der Wärmeproduktion, rechnet Witsch vor, sei in den letzten sieben Jahren gerade einmal um 0,4 Prozent gestiegen – auf 14,5 Prozent (2019). Auch die Nachhaltigkeit der industriellen Prozesswärme sei mit dem GEG noch nicht geregelt. Sie allein benötigt laut Handelsblatt fast ein Viertel der gesamten Energie in Deutschland.
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