Schon im Frühjahr haben viele Regierungen rund um die Welt Konjunkturprogramme aufgesetzt, um die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise abzufedern. Und weitere Hilfen könnten folgen. Vielfach wurden Rufe laut, das Geld vor allem in die Energiewende zu investieren, um auch die Nachhaltigkeit der Wirtschaft zu stärken. Der britische Think-Tank Cambridge Econometrics hat diese Forderung untersucht – mit Blick auf die Wirtschaftsleistung insgesamt, den Arbeitsmarkt und die Treibhausgasemissionen. Dafür haben die Ökonometriker drei Zukunftsszenarien bis zum Jahr 2030 modelliert. Diese vergleichen sie mit einer Prognose, wie sich die Wirtschaft ohne die Corona-Krise entwickelt haben dürfte.
Im Szenario Business-as-Usual belassen die Staaten es bei den Konjunkturhilfen, die sie bis zum Zeitpunkt der Studie bereits eingeführt hatten. Im zweiten, dem VAT-Szenario, senken sie den normalen Mehrwertsteuersatz (engl.: Value Added Tax, kurz: VAT) in den Jahren 2021 bis 2024 um fünf Prozentpunkte. Im dritten, dem GRP-Szenario (Green Recovery Plan), erhöhen die Staaten ihre Ausgaben für Erneuerbare Energien und den dafür erforderlichen Netzausbau sowie die energetische Sanierung von Gebäuden. Hinzu kommt eine Prämie für den Kauf eines Elektroautos sowie die Anpflanzung von zehn Milliarden Bäumen weltweit. Die Kosten für den Staat sind in den beiden letztgenannten Szenarien gleich hoch.
Simuliert haben die Autoren die Szenarien für die gesamte Welt, die EU sowie einzelne Länder: Deutschland, Spanien, Polen, das Vereinigte Königreich, die USA, Japan und Indien. Erwartungsgemäß unterscheiden sich die Ergebnisse. So sind die Differenzen zwischen den drei Szenarien im Vereinigten Königreich deutlich geringer als in anderen Ländern. „Ein Grund dafür ist, dass die Senkung der Mehrwertsteuer in der dienstleistungsorientierten britischen Wirtschaft besonders effektiv ist“, heißt es in der Studie.
In den Simulationen für Deutschland fällt auf, dass beide Maßnahmen, gezielte Förderung und Mehrwertsteuersenkung, die Konjunktur und die Situation am Arbeitsmarkt sehr schnell sehr stark verbessern. Über den gesamten Zeitraum ist das GPR-Szenario allerdings vorteilhafter für alle Wirtschaftssektoren – mit einer Ausnahme: Die Umsätze in der Energiewirtschaft leiden unter den energetischen Effizienzgewinnen etwas stärker, als sie von der steigenden Nachfrage durch die E-Mobilität profitieren. Grund dafür ist vor allem, dass die Energienachfrage durch energieeffizientere Gebäude sinkt.
Bei allen Unterschieden ergeben sich unter dem Strich vor allem Gemeinsamkeiten, die sich auch in der welt- und der EU-weiten Betrachtung niederschlagen: In allen sechs Ländern erholt sich die Wirtschaft sowohl im GRP-Szenario als auch im VAT-Szenario rascher als ohne weiter Maßnahmen. Dabei schneidet das GRP-Szenario über den weitaus größten Teil des Zeitraums besser ab als das VAT-Szenario – sowohl bei der Zahl der Arbeitsplätze als auch bei der Wirtschaftsleistung insgesamt.
Mit Blick auf den CO2-Ausstoß ist das Bild – wenig überraschend – noch eindeutiger: Während er im GRP-Szenario auf der ganzen Welt stärker sinkt als bei Business-as-Usual, liegen er – angefacht durch den schnelleren Aufschwung, den eine Senkung der Mehrwertsteuer bewirkt – insbesondere zu Anfang der 2020er Jahre über den Emissionen im Busines-as-Usual-Szenario.
Obwohl das GRP-Szenario fast ausnahmslos die besten Ergebnisse erzielt, deuten die Autoren die unterschiedlichen Ergebnisse zwischen den Ländern so, dass die Maßnahmen auf die jeweiligen wirtschaftlichen Voraussetzungen angepasst werden sollten.
Bei den Einzelmaßnahmen, heißt es, habe die Kaufprämie für Elektroautos den stärksten Effekt gezeigt – auf Wirtschaftsleistung und Anzahl der Arbeitsplätze. Als einzige sei sie mit Blick auf die Treibhausgase aber nicht ratsam: Nur bei einem nachhaltigen Strommix sei sie geeignet, die Emissionen zu senken.
Unter dem Strich, schließen die Autoren, sei das hier entworfene GRP-Szenario zwar nicht das bestmögliche für jede Land, aber dennoch in jedem untersuchten Land aussichtsreicher als eine reine Mehrwertsteuersenkung.