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Die Zukunft der Offshore-Windkraft ist vernetzt
Ein internationales Offshore-Netz in der Nordsee – das ist der Plan für mehr Energiesicherheit in Europa

Offshore-Windenergie gilt als wichtiger Motor der Energiewende – unter anderem, weil die Winde auf See konstanter wehen als an Land. Deshalb bestehen seit längerem Überlegungen, ein internationales Offshore-Netz in der Nordsee aufzubauen, und damit die Versorgungssicherheit europaweit zu erhöhen. Im ersten Teil einer Miniserie stellt der en:former die Vorteile von international vernetzten Offshore-Windparks mit hybrider Anbindung vor.

Die Absichten für den Aufbau eines internationalen Offshore-Netzes in der Nordsee konkretisieren sich: Ende Februar 2023 haben drei der vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) – Amprion, 50Hertz und TenneT zusammen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) Pläne für erste Vernetzungsprojekte in der Nordsee veröffentlicht. Ende April folgte auf dem „North Sea Summit“ im belgischen Ostende ein Treffen der Nordsee-Anrainerstaaten, bei dem ebenfalls vereinbart wurde, künftig Offshore-Kooperationsprojekte zu entwickeln. Parallel arbeitet ein europäisches Konsortium an Lösungen für technologische Herausforderungen der Offshore-Vernetzung.

Offshore-Vernetzung für effizienteren Stromtransport

Bisher sind Windparks auf See in aller Regel einzeln über eine Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsleitung (HGÜ-Leitung) mit dem Festland verbunden, wo der Strom in das Übertragungsnetz eingespeist wird. „Die Perspektive ist die Vernetzung von mehreren Windpark-Clustern auf See. In Bezug auf die Kosten-Nutzen-Effizienz ist das ein sinnvolles Projekt: für die Integration von Erneuerbaren Energien ins System, für den europäischen Energiehandel, für die Versorgungssicherheit und die Netzentlastung“, sagt Jan Teuwsen, Leiter der Abteilung Offshore-Netzkonzepte bei Amprion. Den weltweit ersten Offshore-Interkonnektor haben 50Hertz und der dänische ÜNB Energinet im Oktober 2020 angeschlossen.

Transport von Offshore-Windstrom in der Nordsee

In der Nordsee werden Windparks über Cluster an das Übertragungsnetz angebunden. Die Windkraftanlagen eines Windparks produzieren Wechselstrom (Alternating Current = AC), der auf den windparkeigenen Umspannplattformen gesammelt wird. Die Umspannplattformen transformieren den Strom auf Hochspannungsniveau und leiten ihn zur Offshore-Konverter-Plattform des Übertragungsnetzbetreibers – hier wird der Strom mehrerer Windpark-Cluster gebündelt. Auf der Konverterplattform wird der Strom von Wechsel- auf Gleichstrom (Direct Current = DC) umgerichtet. Für zukünftige Projekte entfällt die windparkeigene Umspannplattform und der Strom wird direkt von den Windkraftanlagen zur Konverterplattform geleitet. Über eine Hochspannungsleitung fließt der Gleichstrom zum Netzanschlusspunkt an Land – dies gilt bei großen Entfernungen wegen der vergleichsweise geringen Übertragungsverluste als besonders effektiv. Man spricht hier von einer Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungstechnologie (HGÜ). An Land wandelt eine weitere Konverterstation den Gleichstrom wieder in Wechselstrom um, um ihn ins Übertragungsnetz einzuspeisen.

Auf nationaler Ebene gibt es bereits weitere konkrete Pläne der deutschen ÜNB, Offshore-Windparks miteinander zu vernetzen. Im Netzentwicklungsplan 2037/2045 von Ende März 2023 wird die Offshore-Vernetzung erstmals betrachtet und deren Nutzen aufgezeigt. Zum Beispiel bedeutet die seeseitige Verbindung zweier Windparks auch eine neue Verbindung zwischen den beiden Punkten, an denen der Strom angelandet wird. Im Netzentwicklungsplan wird dies als „flexibler Bypass zur Entlastung des landseitigen Übertragungsnetzes“ beschrieben. Zudem erhöhe die Offshore-Vernetzung die Redundanz der Systeme, so Teuwsen. Das heißt: Fällt eine Netzanbindung aus, kann der Strom aus beiden Windparks über die andere ins Netz eingespeist werden.

Internationale Windpark-Vernetzung für mehr Stromaustausch

Langfristig sollen mehr Offshore-Windparks auch auf internationaler Ebene vernetzt werden. Die Windparks eines Landes sollen also auch an die Offshore-Systeme von Nachbarländern angebunden werden, sodass sie Strom zwischen verschiedenen Windpark-Clustern und zwischen den Ländern übertragen können. Die Interkonnektoren – grenzüberschreitende Stromleitungen – transportieren also einerseits Windstrom an Land und stellen andererseits Stromkapazitäten für den internationalen Handel bereit. Wegen dieser Doppelfunktion werden sie auch hybride Interkonnektoren genannt.

Da auf diese Weise verschiedene Gebotszonen miteinander gekoppelt werden, werde der Stromhandel und damit der Wettbewerb zwischen den Anbietern gestärkt, erkärt Teuwsen: „In die Gebotszone, in der die Strompreise gerade höher sind, kann Strom aus einer anderen Gebotszone importiert werden, in der die Preise niedriger sind.“ Die hybriden Interkonnektoren erhöhen außerdem die europäische Versorgungssicherheit und erlauben es, Stromleitungen besser auszulasten und effizienter zu nutzen. Der Ausbau der Technologie bringt beteiligte EU-Staaten auch näher an die Vorgabe der EU-Kommission, dass bis 2030 jeder Mitgliedsstaat in der Lage sein muss, 15 Prozent seiner Stromproduktionskapazität über grenzüberschreitende Stromleitungen in andere Mitgliedstaaten zu transportieren.

Hybride Konnektoren ermöglichen mehr Offshore-Leistung

Die Ende Februar kommunizierten Pläne des BMWK und der deutschen Übertragungsnetzbetreiber sehen vor, künftig Anbindungsleitungen von Offshore-Windparks mit einer Gesamtleistung von zehn Gigawatt miteinander zu vernetzen. Insbesondere vor dem Hintergrund der ambitionierten Ausbauziele für die Offshore-Windkraft in Europa sei eine grenzüberschreitende Vernetzung mit hybrider Anbindung von Offshore-Windparks erstrebenswert, meint Teuwsen: „Um die in windreichen Gebieten erzeugte Windenergie europaweit nutzen zu können, braucht es eine effiziente Transportinfrastruktur – und dazu gehören unter anderem die hybriden Interkonnektoren.“ Würde man den gesamten Übertragungsbedarf mit separate Interkonnektoren decken, würde dies den Bedarf an Material und Landfläche deutlich erhöhen, so der Amprion-Experte.

Zu diesem Schluss kommen auch die Autoren einer Studie, die das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI mit den Beratungsunternehmen Consentec, Guidehouse und r2b energy consulting im Auftrag des BMWK erstellt hat. Die Studie stellt dem Ausgangsszenario – einzelne Anbindung von Offshore-Windparks mit Interkonnektivität dem europäischen Netzentwicklungsplan (TYNDP) entsprechend – zwei Vergleichsszenarien gegenüber.

Das erste Vergleichsszenario geht von einer gesteigerten grenzüberschreitenden Vernetzung mit hybrider Anbindung von Offshore-Windparks aus, im zweiten Szenario wird zugunsten eines Zubaus von Elektrolyse-Kapazitäten teilweise auf zusätzliche Netzanbindungen von Offshore-Windparks verzichtet. Der Vergleich der Szenarien resultiert in der Handlungsempfehlung, das erste Vergleichsszenario zu verfolgen. Gegenüber dem Ausgangsszenario würde dies den Redispatchbedarf um 70 Prozent senken, heißt es. Das bedeutet: Konventionelle Kraftwerke müssten erheblich seltener eingeschaltet werden, um regionalen Strommangel zu verhindern, der entsteht, weil nicht genug erneuerbarer Strom an die Verbrauchsstellen gelangt.

Europäische Pläne für ein hybrides Offshore-Netz

Der Verband WindEurope schätzt, dass im Jahr 2050 bis zu einem Drittel aller Offshore-Windkapazitäten hybrid (Link in Englisch) angeschlossen sein könnten. Der größte Teil dieser Kapazitäten werde sich in der Nordsee befinden. Eine politische Herausforderung sehen die Autoren der BMWK-Studie in der internationalen Zusammenarbeit. Dort heißt es: „Soll durch hybride Offshore-Vernetzung ein signifikanter Beitrag zur Energiewende auf europäischer Ebene geleistet werden, sind Koordinations- und Umsetzungsfragen zu Regulatorik, Netz- und Raumplanung zeitnah zu adressieren.“

Jan Teuwsen von Amprion gibt einige Beispiele: „Man muss zum Beispiel schauen, wie man die Gebotszonen gestaltet. Dann geht es um Fragen einer guten Finanzierbarkeit und darum, wer die Verantwortung für welche Anschlussleitungen trägt, diese baut und später betreibt.“

Geschehen ist das im größeren Stil auf dem „Offshore Wind Summit“ am 19. Mai 2022 im dänischen Esbjerg. Eineinhalb Jahre nach der erwähnten Combined Grid Solution zwischen 50Hertz und Energinet folgte mit der „Esbjerg Offshore Wind Declaration“ eine Vereinbarung, an der sich neben Dänemark und Deutschland auch die Niederlande und Belgien beteiligten. Das Ziel: Mit dem gemeinsamen Offshore-Ausbau die Nordsee als grünes Kraftwerk Europas erschließen und in diesem Zusammenhang die Gebotszonen miteinander verbinden.

Bekräftigt wurde dieses Vorhaben am 24. April 2023 beim „North Sea Summit“ in Ostende mit einer gemeinsamen Absichtserklärung (Link in Englisch). Konkrete Maßnahmen zum Aufbau eines vielmaschigen Offshore-Netzes schlugen die Übertragungsnetzbetreiber von Deutschland, Dänemark, den Niederlanden und Belgien in ihrem Expertenpapier (Link in Englisch) vor.

Was die technischen Herausforderungen beim Aufbau eines hybriden Offshore-Stromnetzes sind und wie die beteiligten Akteure an Lösungen arbeiten, stellt der en:former im zweiten Teil der Miniserie zu den Vernetzungsplänen in der Nordsee vor.

Bildnachweis: © dragancfm, shutterstock.com

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