Wenn vom Kampf gegen den Klimawandel die Rede ist, geht es meist um die Energieversorgung, den Transportsektor und die Industrie: Elektroantrieb anstatt Diesel, Umstellung von Konsum- und Ernährungsgewohnheiten, mehr Windräder und Solaranlagen. Ein Bereich kommt in der Debatte hingegen höchst selten vor – obwohl auch dort Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2) eingespart werden müssten, damit Deutschland seine Klimaziele erreicht: der Gebäudesektor.
Der Gebäudebereich sei „die härteste Nuss in der Energiewende“, so Professor Clemens Hoffmann, Institutsleiter am Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik, in einem Interview mit dem Deutschlandfunk. Satte drei Viertel aller Wohngebäude in Deutschland sind vor der ersten Wärmeschutzverordnung von 1979 errichtet worden, ihr Energiebedarf ist sehr viel höher als der von Neubauten.
Etwa ein Drittel der gesamten CO2-Emissionen geht auf den Energieverbrauch von Gebäuden zurück. Doch während man etwa bei Fahrzeugen neue Technologien in Serie produzieren kann, habe man es bei Gebäuden in der Regel mit Unikaten zu tun, die „individuellen Planungsaufwand“ verlangen, sagt Hoffmann. Er hält „entsprechende Anreize“ für notwendig, um die energetische Sanierung im Gebäudebereich voranzutreiben.
Obwohl die Bundesregierung schon vor anderthalb Jahren Maßnahmen angekündigt hatte, ist bislang nichts passiert. Doch das soll sich jetzt ändern: Laut dem Klimaprogramm, auf das sich Große Koalition im September geeinigt hat, soll die klimafreundliche Wende im Gebäudebereich mit vielen Förderungen vorangebracht werden, wie beispielsweise Der Tagesspiegel berichtet.
Als wichtigstes Instrument sind dabei steuerliche Vergünstigungen geplant: Eigentümer, die die Immobilie selbst nutzen, können 20 Prozent der Kosten verteilt auf drei Jahre von der Steuerschuld abziehen. Zudem haben sich Spitzen der Großen Koalition darauf geeinigt, dass ab dem Jahr 2026 überall dort wo klimafreundlichere Heizungen möglich sind, keine neuen Ölheizungen mehr eingebaut werden dürfen. Immobilienbesitzer erhalten im Gegenzug einen Förderzuschuss von 40 Prozent, wenn sie sich für ein neues, effizienteres Heizsystem entscheiden.
Die Idee hinter diesen Maßnahmen: Mit den Steueranreizen sollen Gebäudeeigentümer zu Investitionen in Klima- und Ressourcenschutz bewegen werden und damit die Sanierungsrate im Gebäudebestand deutlich gesteigert werden. Denn besagte Rate liegt schon seit Jahren gerade einmal bei rund einem Prozent jährlich.
Laut der Allianz für Gebäude-Energie-Effizienz, einem branchenübergreifenden Zusammenschluss von Vertretern aus Wirtschaft und Forschung unter der Koordination der Deutschen Energie-Agentur (dena), würde Deutschland ohne neue Maßnahmen rund 30 Millionen Tonnen über dem Zielwert liegen. Obwohl sich die Emissionen im Gebäudebereich seit 1990 bereits um mehr als 40 Prozent reduziert haben, sieht dena-Chef Andreas Kuhlmann weiterhin erheblichen Handlungsbedarf.
„Wir brauchen deutlich mehr Tempo im Gebäudesektor.“ Andreas Kuhlmann, Chef der Deutschen Energie-Agentur (dena)
So sind bis heute nur etwa vier Millionen der 19 Millionen Wohngebäude in Deutschland energetisch saniert. Bei gleichbleibendem Tempo würden bis zum Jahr 2050 gerade einmal zehn Millionen Wohngebäude erneuert sein, hat das Magazin Der Spiegel errechnet. Dabei geht es gerade um die Wärmeversorgung – denn knapp die Hälfte des Endenergieverbrauchs von Privathaushalten entfällt laut Umweltbundesamt auf Heizung und Warmwasser. Experten fordern daher explizit eine „Wärmewende“.
Die Zahlen sind eindeutig: Ein Fünftel aller Heizungsanlagen ist mindestens 24 Jahre alt, die Hälfte der Anlagen immerhin 15 Jahre und älter. Die Hauptenergieträger beim Heizen sind Gas (knapp 50 Prozent der Haushalte bzw. 7,8 Millionen Anlagen) und Öl (etwa 26 Prozent bzw. fünf Millionen Anlagen). Der Anteil der Erneuerbaren ist gering: Am weitesten verbreitet ist noch die Pelletheizung mit 455.000 Anlagen deutschlandweit.
Warum das problematisch ist, zeigen Zahlen der Stiftung Warentest: Ein 25 Jahre alter Ölkessel verursacht etwa 40 Kilogramm CO2 pro Quadratmeter Wohnfläche. Ein moderner Öl-/Gasbrennwertkessel immerhin noch 26 Kilogramm und ein Holzpellet-Kessel gerade einmal acht. Zahlreiche Fachleute halten daher die Heizungsmodernisierung für eine der wichtigsten Maßnahmen zum Erreichen der ambitionierten hiesigen Klimaziele.
Mit dem Klimapaket der Bundesregierung ist jetzt ein wichtiger Schritt gemacht, damit die Energiewende im Gebäudesektor endlich Fahrt auf nimmt.
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