Noch erzeugen drei der vier Blöcke des Großkraftwerks Mannheim im kommerziellen Einsatz Strom und Wärme aus Steinkohle. Genau wie überall in Deutschland soll damit in absehbarer Zukunft Schluss sein. Während der Strom dann aus Wind- und Solarparks aus ganz Europa nach Mannheim kommen soll, muss das Fernwärmenetz – mit 120.000 Anschlüssen eines der größten in der Bundesrepublik – lokal beheizt werden.
Nun geht das Mannheimer Energieunternehmen MVV einen großen Schritt in Richtung einer nachhaltigen Wärmeversorgung. Bis 2030 will es seine Fernwärme komplett aus klimaneutralen Energien gewinnen. Dafür baut das Unternehmen auf dem Gelände des Steinkohlekraftwerks am Rheinufer eine Flusswärmepumpe mit 20 Megawatt (MW) thermischer Leistung. Das Leuchtturmprojekt könnte zukunftsweisend sein und wichtige Erkenntnisse für eine nachhaltige Wärmeversorgung liefern.
Das Projekt gehört zum „Reallabor Großwärmepumpen“, einem von zehn „Reallaboren der Energiewende“, die das Bundeswirtschaftsministerium zur Erforschung nachhaltiger Energielösungen fördert. Insgesamt werden fünf Anlagen in Mannheim, Stuttgart, Berlin und Rosenheim mit Wärmeleistungen zwischen 1,2 und 23 MW installiert und erforscht.
Neben den Anlagenbetreibern sind auch zwei Forschungsinstitute dabei: Das Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme ISE wird die Großwärmepumpen konzeptionell und messtechnisch sowie hinsichtlich der technischen Einbindung vor Ort analysieren. Das IER Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung will herausfinden, welche regulatorischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen geeignet wären, Großwärmepumpen zur Fernwärmeerzeugung zu etablieren.
Eine Wärmepumpe funktioniert nach demselben physikalischen Prinzip wie ein Kühlschrank: Ein Kältemittel entzieht einer „Wärmequelle“ (beim Kühlschrank der Innenraum) Energie und gibt sie über Wärmetauscher wieder ab (beim Kühlschrank das Gitter an der Rückseite).
Kleinere Wärmepumpen, die etwa Einfamilienhäuser versorgen, nutzen für gewöhnlich die Umgebungsluft oder das Erdreich als Wärmequelle. Dabei birgt die große Temperaturspanne – zwischen bis zu 40 Grad Celsius im Sommer und minus 25 Grad im Winter – gewisse Herausforderungen: Zum Beispiel muss das Kältemittel einen sehr niedrigen Siedepunkt haben, damit es auch im Winter noch Wärme aufnehmen und dabei gasförmig werden kann.
Ein Kältemittel wird mittels einer Wärmequelle verdampft und anschließend durch eine elektrisch betriebene Pumpe so verdichtet, dass es sich auf rund 100 Grad erhitzt. Das heiße Gas wird dann in einem Kondensator wieder verflüssigt, wobei es einen Gutteil der Energie über einen Wärmetauscher an den Wärmeträger – in Heizungssystemen für gewöhnlich Wasser – abgibt. Dabei kühlt das Kältemittel graduell ab. Besonders effiziente Geräte nutzen einen Teil der Restwärme zum Vorheizen des Wassers. Bevor der Prozess von vorne beginnen kann, wird das Kühlmittel über ein Expansionsventil entspannt und dadurch so weit abgekühlt, dass seine Temperatur wieder unter die der Wärmequelle fällt und ihr erneut Energie entziehen kann.
In der kalten Jahreszeit steigt der Energiebedarf der Wärmepumpe dadurch nicht nur, weil mehr geheizt wird: „Je niedriger die Temperatur der Wärmequelle, desto mehr Energie ist nötig, um die Zieltemperatur zu erreichen“, erklärt Georg Baumgärtner, der als Projektleiter Grüne Wärme der MVV Energie verantwortlich für den Bau der Flusswärmepumpe ist.
Deshalb hat man sich auch in Mannheim dafür entschieden, eine Wärmepumpe mit Wasser als Wärmequelle zu bauen. Denn die Temperatur von Gewässern ist im Jahresverlauf wesentlich konstanter als die der Luft. Im Rhein bei Mannheim falle sie auch im tiefsten Winter nur sehr selten unter fünf Grad, sagt Baumgärtner. „So können wir auch bei sehr niedrigen Außentemperaturen effizient heizen.“
Am Großkraftwerk Mannheim sind die Bedingungen besonders günstig. Zum einen nutzt das bestehende Kohlekraftwerk bereits Rheinwasser zur Kühlung. Deshalb sind Einlaufbauwerke, die Wasser aus dem Rhein abzweigen, bereits vorhanden. Auch der Anschluss ans Fernwärmnetz ist hier mehr oder weniger reine Formsache. Deshalb könnte die Anlage schon Mitte 2023 den Betrieb aufnehmen.
Da der sommerliche Wärmebedarf, etwa für Warmwasser, in Mannheim konstant über der Leistung der Großwärmepumpe liegt, könne sie nahezu ganzjährig mit hoher Auslastung zum Einsatz kommen und konventionelle Wärmeleistung ersetzen, erklärt Baumgärtner. Die Jahresleistung entspräche dann dem Wärmeverbrauch von rund 3.500 Haushalten. Zudem besteht die Option, die Anlage um weitere Wärmepumpen zu ergänzen, sagt Baumgärtner: „Ohne messbare Folgen für Ökologie und Schifffahrt könnten wir auf diese Weise wohl ein theoretisches Potenzial von nahezu 500 MW thermischer Leistung erschließen.“ Das wäre dann ein erheblicher Teil des Mannheimer Wärmebedarfs.