„Erneuerbare Energien befanden sich bereits in einem rasanten Wachstumsprozess, aber die globale Energiekrise hat sie in eine außergewöhnliche neue Phase mit noch schnellerem Wachstum versetzt, da die Länder ihre Vorteile für die Energiesicherheit nutzen wollen. Die Welt wird in den nächsten fünf Jahren so viel Strom aus Erneuerbaren Energien zubauen wie in den vergangenen 20 Jahren“, erklärte Fatih Birol, Chef der Internationalen Energieagentur (IEA), anlässlich der Veröffentlichung des Renewables Report 2022 (Link in Englisch) im Dezember. Das sei ein klares Beispiel dafür, dass die aktuelle Energiekrise ein historischer Wendepunkt hin zu einem saubereren und sichereren Energiesystem sein kann.
Laut IEA-Prognose werden die Erneuerbaren Energien in den kommenden Jahren in neue Dimensionen vorstoßen. Sie werden in einer nie dagewesenen Geschwindigkeit ausgebaut und werden zur wichtigsten Quelle im globalen Strommix. Verantwortlich für das rasante Wachstum sind in erster Linie Solar- und Windenergie. Der en:former fasst die wichtigsten Zahlen zu den Prognosen des Renewables Report 2022 zusammen.
Bis 2027 werden die Erneuerbaren-Kapazitäten laut IEA um fast 2.400 Gigawatt ausgebaut – das ist ungefähr so viel wie aktuell die gesamte Stromerzeugungsleistung der Volksrepublik China, dem bevölkerungsreichsten Land der Welt. Das würde bedeuten, dass die Erneuerbaren in den kommenden fünf Jahren so stark wachsen wie in den vergangenen 20 Jahren. Schon die vergangene Dekade war vom kommerziellen Durchbruch der Solar- und Windindustrie geprägt und verzeichnete ein sehr starkes Wachstum – was sich in Zukunft noch mal deutlich erhöhen wird.
Dank dieses Booms werden die Erneuerbaren in diesem Zeitraum für mehr als 90 Prozent des Neubaus der globalen Stromerzeugungskapazitäten verantwortlich sein. Der EE-Ausbau findet vor allem in China, der Europäischen Union, den USA und Indien statt. Positiv erwähnt der IEA-Report unter anderem den REPowerEU Plan und den US Inflation Reduction Act, welche wichtige Treiber für den gesteigerten Zubau seien.
Die Erneuerbaren Energien (Wasser, Wind, Solar und Biomasse zusammen) werden in den kommenden Jahren zur wichtigsten Quelle in der Stromerzeugung, und wahrscheinlich 2025 die Kohle überholen. Der Anteil am globalen Strommix wird von 28 Prozent (2021) auf 38 Prozent (2027) steigen, 20 Prozent werden dabei durch Sonne und Wind gedeckt. Im Gegenzug nimmt die Bedeutung aller fossilen Energieträger ab.
Die volatile Solar- und Windenergie sind die regenerativen Energieträger, die in den kommenden Jahren am stärksten ausgebaut werden. Um sie ins Stromsystem zu integrieren, braucht es flexible Lösungen wie beispielsweise Energiespeicher. Dagegen bleibt der Ausbau grundlastfähiger grüner Energiequellen wie Wasserkraft oder Geothermie begrenzt.
Die installierte Leistung von Photovoltaikanlagen wird in den kommenden fünf Jahren nach den Schätzungen um fast 1.500 GW steigen und damit die von allen anderen Energieträgern übertreffen, 2026 die Kapazitäten von Gas und 2027 die von Kohle. Dabei wird der Zubau jährlich kontinuierlich zunehmen – jedes Jahr ist also mit einem neuen Ausbau-Rekord zu rechnen. Denn auch wenn die Rohstoffpreise gestiegen sind, bleiben Solaranlagen die preiswerteste Form der Stromerzeugung in vielen Ländern.
Auch die Windenergie wird in den kommenden Jahren stark wachsen, wenn auch nicht in den gleichen Dimensionen wie Solar-PV. Auf dem Land werden Windparks mit einer Gesamtleistung von mehr als 570 GW ans Netz gehen. Das bisherige Rekordjahr 2020 wird allerdings erst 2027 überboten werden. Kurz- und mittelfristig verhindern lange Genehmigungsverfahren und der stockende Netzausbau einen schnelleren Ausbau. Auch Offshore-Wind wird stark ausgebaut, vor allem in Nordamerika, Asien und Europa.
Der Renewables Report geht auch auf die Zukunft von grünem Wasserstoff ein, indem er die Ziele und Rahmenbedingungen in mehr als 25 Ländern über alle Kontinente hin untersucht: Demnach könnten rund 50 GW an Wind- und Solarkapazitäten bis 2027 entstehen, die zur Herstellung von grünem H2 genutzt werden. Als führende Produzenten nennt die IEA China, Australien, Chile und die USA.