Wind und Sonne interessiert es nicht, wie viel von ihrer wertvollen Energie gerade gebraucht wird. Ihre Leistung kann von einem Moment auf den nächsten erheblich schwanken. Je größer der Anteil von Wind- und Solarstrom im Strommix werden, umso entscheidender werden leistungsfähige Speicherkapazitäten.
Die Spülmaschine läuft, die Waschmaschine auch, das Essen brutzelt auf dem Herd. Nun ein kleines Päuschen mit einer Tasse Tee, und – bumms – steht man im Dunkeln! Der Wasserkocher war zu viel für den Stromkreis, das Netz konnte die notwendige Leistung nicht mehr bereitstellen und ist zusammengebrochen. Die Sicherungen haben ordnungsgemäß den Stromkreis unterbrochen.
Was zu Hause meist mit einem Griff in den Sicherungskasten behoben ist, kann im Großen ganze Städte und Regionen lahmlegen. Denn auch riesige Übertragungs- und Verteilnetze unterliegen derselben Physik: Sind sie überlastet, brechen sie zusammen.
Netzbetreiber und Stromerzeuger müssen deshalb stets Einspeisung und Verbrauch im Gleichgewicht halten. Morgens, wenn Millionen von Menschen Lampen und Kaffeemaschinen einschalten oder ganze Industrieanlagen den Betrieb aufnehmen, müssen überall die Kraftwerke hochgefahren werden. Früher bedeutete das, salopp gesagt, einfach eine Schippe (Kohle) zulegen.
Heute ist das komplexer: Ökostrom hat Vorfahrt im Netz. Deshalb müssen Netzbetreiber die Wettervorhersagen beachten, um die abrufbare Leistung von Wind- und Sonnenenergie zu prognostizieren. Die fehlende Menge Strom müssen dann konventionelle Kraftwerke beisteuern. Bisher steht dafür genügend Kapazität bereit, doch erste Engpässe zeichnen sich bereits ab.
Eine zweite Herausforderung liegt darin, dass die Leistung von Photovoltaik- und Windkraftanlagen sekündlich schwanken kann: Es muss sich nur eine Wolke zwischen Sonne und Solarpanel schieben oder eine plötzliche Flaute einsetzen.
Als Folge sinkt die Netzfrequenz schlagartig. In Europa beträgt sie 50 Hertz. Minimale Abweichungen um 0,01 Hertz sind normal und werden durch die Trägheit des Stroms, verschiedene technische Puffer und die schiere Größe der Übertragungsnetze kompensiert. Doch bereits bei Abweichungen von 0,2 Hertz muss aktiv gegengesteuert werden.
Diese sogenannte Primärregelleistung ist so essenziell für die Stabilität des Stromnetzes, dass sie auf einem eigenen Markt zu einem wöchentlich festgelegten Preis gehandelt wird. Das System ist in Deutschland seit langem etabliert. Seine Bedeutung wird wohl mit dem wachsenden Anteil erneuerbarer Ressourcen zunehmen.
Sekündlich schwankende Ungleichgewichte sind zwar nicht neu, entstehen sie doch theoretisch mit jedem elektrischen Gerät, das eingeschaltet wird. Aber sie nehmen mit dem Anteil der Erneuerbaren zu.
Die Branche forscht daher seit Jahren an neuen Lösungen wie Schwungmassespeichern oder Kondensatoren. Hoch gehandelt werden moderne Batteriespeicher. Sie können binnen Sekundenbruchteilen relativ große Mengen Strom einspeichern oder ins Netz abgeben. Sie können damit auch größere Primärregelleistung erbringen, also stärkere Netzschwankungen von bis zu fünf Minuten Dauer ausgleichen.
Über zunehmend intelligente Stromnetze, sogenannte Smart Grids, könnten künftig sogar Batterien von Elektroautos, die an das Stromnetz angeschlossen sind, zur Primärregelleistung genutzt werden. Die Eigentümer könnten sich diesen Beitrag zur Sicherung der Netzfrequenz dann vergüten lassen.
Hält eine kritische Frequenzabweichung länger als 30 Sekunden an, fordern die Übertragungsnetzbetreiber bei den Anbietern die sogenannte Sekundäreserve an. Binnen fünf Minuten müssen dann mindestens fünf Megawatt Leistung zur Verfügung stehen, um die Primärregelleistung abzulösen.
Bisher übernehmen diese Aufgabe vor allem Gasturbinen, Biogasanlagen oder Pumpspeicherkraftwerke. Letztere eignen sich, ähnlich wie große Batteriespeicher, sehr gut dafür, Überproduktionen aus erneuerbaren Energien einzuspeichern.
Mit dem Ausstieg aus der Kernenergie 2022 und der allmählichen Reduzierung der Kohleverstromung werden Langfristspeicher immer entscheidender für die Versorgungssicherheit sein.
Wo soll der Strom herkommen, wenn es – wie im Januar 2017 – mehrere Tage lang windstill und bedeckt ist? Eine solche „Dunkelflaute“ über 48 Stunden oder mehr ist zwar nicht allzu häufig. Nach Berechnungen des Deutschen Wetterdienstes waren es zwischen 1995 und 2015 im Durchschnitt zwei pro Jahr. Doch bisher ist die Frage nicht ausreichend beantwortet, wie die Stromversorgung in einer solchen Periode ohne konventionelle Energien sichergestellt werden kann.
Idealerweise würden dann schon heute volle Langfristspeicher bereitstehen, die mit Energie aus Zeiten gefüllt sind, in denen Wind und Sonne mehr geleistet haben, als gebraucht wurde. Das würde bereits heute erhebliche CO2-Emissionen sparen.
Allerdings lag die Kapazität der Pumpspeicherkraftwerke in Deutschland 2016 bei etwa 40 Gigawattstunden (GWh). Diese Menge Strom verbraucht Deutschland in weniger als einer Stunde. Eine längere Dunkelflaute wäre damit also nicht zu überbrücken. Andere signifikante Langfristspeicherkapazitäten gibt es nicht. Und die aktuelle Marktregelung motiviert nicht gerade zum Bau von Pumpspeicherkraftwerken. Das technische Potenzial aber ist groß.
Besonders großes Potenzial wird der Power-to-Gas-Technologie zugeschrieben. Das Prinzip ist relativ einfach: Strom aus erneuerbaren Quellen wird genutzt, um per Elektrolyse Wasser in seine Bestandteile Wasser- und Sauerstoff zu zerlegen. Der reine Wasserstoff kann dann direkt in Gasspeicher eingespeichert werden, um später – im umgekehrten Prozess – wieder zu Wasser zu oxidieren und dabei Strom abzugeben.
Der Wasserstoff kann aber auch zusammen mit Kohlendioxid, das beispielsweise aus Rauchgasen von Kohlekraftwerken gewonnen wird, zu Methan weiterverarbeitet werden. Methan ist der Hauptbestandteil von Erdgas und ist als Treibstoff in Autos, in häuslichen Heizungen oder Brennstoffzellen sowie als Energieträger in Gaskraftwerken zur Stromerzeugung einsetzbar.
Power-to-Gas hat gegenüber den meisten anderen Speichertechnologien einen großen Vorteil: Infrastruktur und Speicher existieren bereits. Während Stromspeicher massive Investitionen in den Ausbau der Übertragungsnetze erfordern würden, kann das Gas über die bestehenden Gasleitungen verteilt werden.
Zudem verfügt Deutschland über die größten Gasspeicher Europas. Weitere Investitionen sind laut Bundesverband Erdgas, Erdöl und Geoenergie (BVEG) bereits geplant. Das derzeit verfügbare Gasspeichervolumen beziffert der BVEG auf rund 24 Milliarden Kubikmeter. Dies entspricht etwa einem Viertel des jährlich in Deutschland verbrauchten Gases. Oder anders ausgedrückt: Die darin enthaltene Energie von rund 235 Terawattstunden entspricht mehr als 45 Prozent der Strommenge, die Deutschland im ganzen Jahr 2016 verbraucht hat.
Bisher kommt dem „Wind-“ beziehungsweise „Solargas“ noch eine eher experimentelle Bedeutung zu, da natürliches Erdgas deutlich weniger kostet. Synthetischem Gas als Speichermedium könnte allerdings auch eine strategische Rolle zukommen, da mit ihm die Abhängigkeit von Importen geringer würde.