Biomasse – das ist wahrscheinlich nicht der erste Begriff, der einem in den Sinn kommt, wenn es um Erneuerbare Energieträger geht. Dabei liefert sie mehr Energie als jede andere regenerative Quelle. In Deutschland kamen im Jahr 2018 rund 53 Prozent der Erneuerbaren Energie aus Biomasse. Im EU-Durchschnitt waren es sogar fast 60 Prozent.
Das mag auf den ersten Blick überraschen, weil Erneuerbare häufig nur als Teil des Strommixes betrachtet werden. Bei der Stromerzeugung dominieren in der Tat Wind-, Wasser- und Sonnenenergie. Doch sie tragen vergleichsweise wenig zur Wärmeversorgung bei, Ausnahmen sind beispielsweise Solarthermie. Im Transportsektor finden all diese Energiequellen praktisch überhaupt keine Verwendung.
Biomasse dagegen kann alles liefern: Strom, Wärme und Treibstoff für Fahrzeuge. Die Internationale Energie Agentur IEA erachtet Biomasse deshalb als einzigen erneuerbaren Energieträger, der fossile Brennstoffe in allen Anwendungsbereichen ersetzen kann. Langfristig sollte sie nach IEA-Vorstellungen zwischen einem Viertel und einem Drittel des weltweitern Energiebedarfs decken.
Wie vielseitig Bioenergie und ihre Derivate sind, zeigt sich allein in den Formen, in der sie genutzt wird. Da wären zum einen direkte Pflanzenprodukte wie Holz- und Pellets aus Holzresten, Raps- und Sojaöl als Biodiesel, Bagasse und andere Reststoffe aus der Nahrungsmittelproduktion. Im weiteren Sinne gehören aber auch Ethanol, also Alkohol, und Biomethan, die durch Vergärung von Biomasse gewonnen werden.
Seit Urzeiten ist Holz der Energieträger der Wahl, wenn es darum geht, Wärme oder Hitze zu erzeugen. Die „Entdeckung“ des Feuers ist wohl einer der weitreichendsten Entwicklungsschritte in der Menschheitsgeschichte überhaupt, und es blieb über mehrere Hunderttausend Jahre die einzige Form der Energie, die Menschen abseits der Muskelkraft nutzten. Natürlich hat die Bedeutung von Holz und Holzkohle als Energieträger in den letzten 500 Jahren zugunsten fossiler Kohle, Erdöl und anderer Energieträger drastisch abgenommen – auch weil der einst üppig vorhandene Rohstoff nach dem Mittelalter in Europa knapp wurde. Dennoch ist das Verbrennen von Holz in manchen Teilen der Welt bis heute die einzige Möglichkeit zu heizen und zu kochen.
Im Zuge der Energiewende hat man die Biomasse als nachhaltigen Energieträger wiederentdeckt, der helfen kann, die Klimaziele zu erreichen. Biogas, das dem Erdgas in der Leitung beigemischt wird, verbessert die Klimabilanz in vielen Haushalten beim Heizen und Kochen. Hinzu kommt die Nutzung in industriellem Maßstab. So werden Wärmekraftwerke teilweise mit biogenem Abfall oder auch Holzpellets aus nachhaltigem Anbau gespeist.
In Deutschland lieferte Biomasse im Jahr 2018 so viel Wärmeenergie, dass allein dies 40 Prozent der gesamten Erneuerbaren Energie in Deutschland ausmachte. EU-weit liefert Biomasse etwa Dreiviertel der gesamten Wärmeenergie. Weltweit waren es 2019 knapp Zweidrittel.
In Wärmekraftwerken werden Strom und Wärme gleichzeitig erzeugt. Dabei wird die Abwärme der Stromproduktion als Fern- oder Prozesswärme genutzt. Die im Brennstoff enthaltene Energie wird so besonders effizient genutzt.
Dies kann in industriellem Maßstab unter Einsatz von Biomasse in den Brennkammern thermischer Kraftwerke geschehen. In kleineren Blockheizkraftwerken kann Biogas eingesetzt werden – zum Beispiel in Mieterstromanlagen, die über das Erdgasnetz einen variablen Anteil Biogas nutzen, oder im Verbund mit den Erzeugungsanlagen von Biogas. Ebenso können Methan-Brennstoffzellen mit Biogas betrieben werden.
Biogas ist so begehrt, dass es seit 2017 zwischen Großbritannien und den Niederlanden gehandelt wird. Nicht zu verwechseln ist Biogas übrigens mit synthetisch erzeugtem Methan, das mithilfe von Ökostrom aus Wasserstoff und Kohlendioxid hergestellt wird. Biogas entsteht durch Vergärung von Pflanzen.
Die reine Verstromung von Biomasse findet zum Beispiel in Generatoren von Biogasanlagen statt, deren Abwärme aufgrund ihrer Lage nicht wirtschaftlich genutzt werden kann. Mittlerweile werden auch thermische Kraftwerke mit Biomasse „gefüttert“. So macht es zum Beispiel RWE in den Niederlanden: Im Kraftwerk in Geertruidenberg sind 40 Prozent der eingesetzten Brennstoffe Holzreste, das Kraftwerk Amer soll in diesem Jahr auf 80 Prozent Biomasse umgestellt werden. Biomasse, da es sich um einen schnell nachwachsenden Rohstoff handelt, gilt als CO2-neutral und soll in den Niederlanden bei Erreichung der Klimaziele helfen.
Auch in Deutschland spielt Biomasse für die Stromerzeugung eine nicht zu unterschätzende Rolle. Im Jahr 2018 steuerte sie in Deutschland immerhin 22,5 Prozent zum Erneuerbaren Strommix bei und damit ungefähr so viel wie Photovoltaik. Der Anteil an der Bruttostromerzeugung insgesamt lag bei rund sieben Prozent. Und weltweit betrug der Anteil am Ökostrom immerhin acht Prozent.
Allerdings ist Biomasse für eine CO2-arme Stromversorgung von grundlegender Bedeutung. Denn sie ist neben Wasserkraft die einzige Erneuerbare Energiequelle, die einen nennenswerten Beitrag zur Grundlast leistet. Das heißt: Sie kann auf Abruf – also unabhängig von Wetter oder Tageszeit – genutzt werden.
Biomasse könnte aber noch auf andere Weise zum Lastausgleich beitragen: Ein Start-up aus Bayern hat Redox-Flow-Batterien mit einem Elektrolyten aus Biomasse entwickelt.
Abgesehen von Ökostrom und grünem Wasserstoff, die in Elektro- bzw. Brennstoffzellenautos genutzt werden, ist Biomasse die einzige nachhaltige Energiequelle, die bisher im Transportsektor eingesetzt wird. In der EU wird sie beim Benzin als Ethanol beigemischt: zehn Prozent im E10 und bis zu fünf Prozent im Super (E5).
Hinzu kommen auf Gasbetrieb umgerüstete Fahrzeuge, die Biogas tanken. Außerdem kann Biogas zu LNG verflüssigt werden, das – wie auch Biomethanol – hauptsächlich als Schiffstreibstoff verwendet wird. Mehrere Logistikunternehmen und Reedereien reduzieren auf diese Weise ihre Treibhausgasemissionen.
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