Knapp 20 Jahre hatte es gedauert, die ersten 5 Gigawatt (GW) an Windkraft-Kapazitäten in Großbritannien zu errichten. Mittlerweile liegt die Gesamtkapazität bei über 20 GW, und für den letzten Zubau von 5 GW brauchte es gerade mal zwei Jahre. Es ist nur ein Beispiel, wie rasant die Energiewende im Vereinigten Königreich voranschreitet. Weil gleichzeitig mehrere Kohlekraftwerke vom Netz gegangen sind, befindet sich die britische Energiebranche in einer gewaltigen Umbruchphase.
Zum ersten Mal haben Erneuerbare Energien fossile Energieträger bei der installierten Leistung in Großbritannien überholt. Ein Erfolg, der Experten zufolge noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen wäre. Eine Studie des Imperial College London im Auftrag des Energieversorgers Drax nennt die Gründe für diesen Wandel: Während sich die Kapazität von Wind, Solar, Biomasse und Wasserkraft in den vergangenen fünf Jahren verdreifacht hat, ist ein Drittel der installierten Leistung von Kohle-, Gas- und Ölkraftwerken von Netz genommen worden. Größtenteils, weil der Betrieb der Kraftwerke nicht mehr rentabel war oder sie das Ende ihrer Betriebszeit erreicht haben.
Mit dem Ergebnis, dass zwischen Juli und September die Stromerzeugungskapazität der Erneuerbaren mit 41,9 GW die von Kohle, Gas und Öl (zusammen: 41,2 GW) übertroffen haben. „Großbritanniens Strombranche verabschiedet sich langsam aber sicher von fossilen Brennstoffen, und diese Quartal sah einen bedeutenden Meilenstein auf dieser Reise“, sagte Iain Staffell, Energieexperte am Imperial College London und einer der Autoren der Studie.
Unter den Erneuerbaren nimmt die Windkraft mit über 20 GW Kapazität die Spitzenposition ein, gefolgt von Solarenergie mit 13 GW und Biomasse mit 3 GW. Während sich der Ausbau von Solarenergie verlangsamt hat, sind zuletzt die meisten Investition in Windkraftanlagen geflossen. Mit dem Ergebnis, dass Großbritannien über die meisten Offshore-Kapazitäten und den größten Windpark auf dem Meer weltweit verfügt.
Dennoch dominieren bei der Stromerzeugung weiterhin fossile Energieträger, in erster Linie Gas mit einem Anteil von rund 38 Prozent am Strommix im dritten Quartal 2018. Zum Vergleich: Der Anteil regenerativer Energien stieg auf 28 Prozent. Kohle dagegen spielt nur noch eine geringe Rolle für die britische Stromversorgung (knapp 3 Prozent).
Viele Kohlekraftwerke sind in den vergangenen Jahren vom Netz genommen worden, sie sind hauptverantwortlich für den Rückgang von fossiler Kapazität. Die britische Kohlenstoffsteuer hat den Betrieb der Anlagen deutlich verteuert und die Konkurrenzfähigkeit gerade im Vergleich zu Gaskraftwerken verschlechtert. Nur noch sechs Kohlekraftwerke sind landesweit in Betrieb.
Bildnachweis: © Imperial Collage London, Drax